Eine Frage, die nach jeder Trainerentlassung beim FC Sion gestellt wird, also sehr oft: Welcher Trainer wird es noch wagen, sich in ein Abenteuer zu stürzen, das mit grosser Wahrscheinlichkeit in die Hose geht oder gar in einer Katastrophe endet? Die Antwort ist einfach: alle oder fast alle Trainer.
🔴 𝗖𝗢𝗠𝗠𝗨𝗡𝗜𝗤𝗨𝗘́ 𝗢𝗙𝗙𝗜𝗖𝗜𝗘𝗟
— FC Sion (@FCSion) March 6, 2023
Le FC Sion annonce l’arrivée de David Bettoni comme entraîneur principal de la première équipe jusqu'au terme de la saison.
Le communiqué ⤵️#FCSion #TousEnsemble❤️🤍
Christian Constantin betont immer wieder, dass er nach jedem «Totomat-Update» sehr viele Spontanbewerbungen erhalte. So auch im Juni 2012. «CC» hatte damals in seiner Amtszeit bereits 31 «Männer der Seitenlinie» entlassen (wir wissen das, weil wir mitgezählt haben). Aber seine Bilanz konnte die Bewerber nicht abschrecken.
Sébastien Fournier hatte den Job bekommen, aber es hatte natürlich nicht lange gehalten. Der Walliser war nach acht Spielen und einem Streit mit mehreren Spielern zurückgetreten.
Die Frage ist, warum Fournier zurückkam – wie so viele andere vor ihm. Und warum David Bettoni (ein 51-jähriger Franzose, der im Wallis seinen ersten Einsatz als Cheftrainer haben wird) einen Vertrag bis zum Ende der Saison an der Porte d'Octodure unterschrieben hat. Tatsächlich gibt es viele Gründe. Wir haben die drei wichtigsten herausgearbeitet.
Wenn man sieht, wie sich die Akteure des Fussballs in schwer greifbaren Sphären bewegen, vergisst man fast, dass sie wie jeder andere am Ende des Monats Rechnungen zu bezahlen haben. Michel Decastel, Ex-Coach des FC Sion, erinnert daran: «Der Präsident ernährt dich. Wenn Constantin dich anruft, um dich zu verpflichten, erlaubt er dir, Geld zu verdienen, um leben zu können. Von da an entsteht eine Art Dankbarkeit des Trainers gegenüber seinem Präsidenten.» Vor allem, da Sion seinen Trainern Gehälter bietet, die im leicht überdurchschnittlichen Bereich der Liga liegen.
Vor diesem Hintergrund ist ein Job ein Segen, vor allem in einem so kleinen Markt wie der Schweiz (20 Vereine in der Super und Challenge League). «Wenn du Trainer sein willst, gehst du dorthin, wo es Platz gibt. Also dorthin, wo das Kommen und Gehen am grössten ist. Das ist Mathematik», erklärt Decastel.
Ist jeder Job ein guter Job? Oder anders ausgedrückt: Kann es eine Karriere ausbremsen oder gar behindern, wenn man sich für einen Verein engagiert, von dem jeder Trainer weiss, dass es schwierig sein wird, dort zu glänzen? Ganz und gar nicht. Dafür gibt es zwei Gründe:
Wir wissen das, weil wir einen Personalfachmann gefragt hatten, ob Uli Forte, ein Trainer mit solidem Ruf, ein Risiko eingeht, wenn er sich mit Yverdon-Sport auf unterster Ebene auseinandersetzt.
Unser Gesprächspartner, der Leiter einer Personalvermittlungs- und -beratungsstelle, hatte uns Folgendes geantwortet: «Eine Entlassung ist nie ein Versagen des Trainers. Sie ist ein Zeichen dafür, dass die Kombination aus seinen Zielen und Fähigkeiten nicht funktioniert hat. Und wir alle scheitern irgendwann einmal.»
Die Trainer, die in Sion waren, haben übrigens nie dafür gebüsst. Sébastien Fournier ist nach seiner unglücklichen Zeit im Wallis nur wenige Tage später beim Servette FC gelandet und Peter Zeidler hatte die Schweizer Meisterschaft in Tourbillon kennengelernt, bevor er nach Sochaux und St.Gallen wechselte. Und das sind bei Weitem nicht die einzigen erfolgreichen Beispiele.
Wenn ein Trainer bei einem Verein unterschreibt, öffnet er die Tür zu einem Raum, dessen genaue Grösse er nie kennt. Denn er erhält die Gelegenheit, die Wände hochzuziehen, etwas Grosses zu erreichen und damit auch prestigeträchtigere Vereine zu begeistern. Wer hätte gedacht, dass Vladimir Petkovic, nachdem er den FC Sion vor dem Abstieg gerettet hatte, ein Angebot von Lazio Rom erhalten und annehmen würde?
Maurizio Jacobacci ist ein anderes Beispiel mit dem gleichen Prinzip: Seine auf den ersten Blick riskante Entscheidung hat sich 2017 ausgezahlt, als er die U21 von Sion übernahm. Der Tessiner arbeitete so gut mit den Jugendlichen, dass er seine Chance in der ersten Mannschaft bekam. Er rettete Sion vor dem Abstieg, bevor er nach Lugano und Grenoble wechselte – alles innerhalb von vier Jahren. Ein Zeichen dafür, dass beim FC Sion der Schleudersitz auch als Sprungbrett dienen kann.
Natürlich wird David Bettoni vermutlich nicht lange im Wallis bleiben. Er wird dort nicht die besten Ergebnisse seiner Karriere erzielen. Aber er wird einen Job und ein Gehalt haben. Vor allem aber: eine Chance, zu glänzen und aufzufallen. Grosse Geschichten haben noch nie anders begonnen.
Seine Antwort: Warum sollte er nicht einmal ein verlängertes Wochenende im Wallis verbringen.