Eigentlich ist Olivia Dunne wie ihre Teamkolleginnen und so viele junge Turnerinnen in den USA und anderen Ländern. Sie liebt ihren Sport und ist stolz auf ihre Leistungen – 2017 gehörte sie zum US-Nationalteam und seit 2020 studiert die 20-Jährige an der Lousiana State University (LSU) und gehört am Stufenbarren zur nationalen Spitze. Doch es gibt einen Unterschied. Dunne ist ein Star in den sozialen Medien: Fast sieben Millionen Menschen folgen ihr auf TikTok, jedes ihrer Videos wird mehrere Millionen Mal angeschaut, auch auf Instagram verfügt sie über ein Millionen-Publikum.
Dieses unterhält sie mit kurzen Videos, in denen sie tanzt, turnt oder auch einfach die Lippen zu beliebten Liedern bewegt. Egal, was sie tut, ihre Follower feiern es. Dunnes gutes Aussehen und die Turnerinnen-Figur schaden ihr dabei kaum, was auch daran zu erkennen ist, dass ein Grossteil ihrer Fans männlich ist. Aber Dunne profitiert davon. Durch Werbedeals hat sie bereits eine siebenstellige Summe eingenommen, wie sie gegenüber der New York Times im November erklärte.
@livvy happy meet week😼 #foryou #lsu #gymnastics ♬ Where Have You Been x The Hills - DJ L Beats
Dass sie das als College-Athletin darf, liegt an der neuen Regelung, welche im Jahr 2021 eingeführt wurde, die es den Studentinnen und Studenten erlaubt, durch ihren Namen, ihr Image oder ihre Beliebtheit Geld zu verdienen. Zuvor war dies für alle Athletinnen und Athleten an US-Colleges verboten. Während American-Football-Stars einen Grossteil des Geldes kassieren, nutzen auch einige Frauen diese neue Möglichkeit erfolgreich. Das findet Dunne besonders schön: «Als Frau im College-Sport so viel zu verdienen, macht mich stolz. Zumal es in den meisten Sportarten nach dem College keine Profiligen für Frauen gibt.»
So sind solche Werbedeals für viele Athletinnen die einzige Möglichkeit, wirklich Geld zu verdienen. Doch der Erfolg hat auch Schattenseiten, wie sich bei einem Wettkampf in Utah zeigte, an dem Olivia Dunne zuletzt teilgenommen hat. Die frühere Turnerin Samantha Peszek postete ein Video, auf dem zu sehen ist, wie viele Jugendliche – vor allem Jungs – vor der Arena warteten, um «Livvy», wie sich Dunne in den sozialen Medien nennt, zu sehen. Sie schrien: «Wir wollen Livvy.» Oder: «Gebt uns Livvy.» Peszek schrieb dazu: «Es ist beängstigend, verstörend und abstossend. Ich empfinde Fremdscham für diese Leute.»
This is actually so scary and disturbing and cringey. I’m embarrassed for them… pic.twitter.com/h23bBdBQ9B
— Samantha Peszek (@samanthapeszek) January 8, 2023
Bereits in der Arena soll es zu Störungen durch die Fans gekommen sein. Eine Mutter einer anderen Athletin berichtete zudem, dass ihre Tochter und eine Teamkollegin von einigen Jungen belagert wurden, als sie zu ihrem Auto gehen wollten. Diese hätten den beiden Turnerinnen gesagt: «Ihr seid nicht Livvy, aber ihr tut es auch. Können wir ein Foto machen?» Ausserdem hätten sie ihre Tochter «Livvy 2.0» genannt, wie die Mutter schreibt. «Sie waren so unhöflich und respektlos.»
Damit die Athletinnen der LSU sicher zum Teambus kommen konnten, wurde sogar die Polizei gerufen. Diese verhinderte, dass die Teenager zum Bus vordringen konnten. Dunne selbst äusserte sich danach auf Twitter: «Ich werde die Unterstützung von euch immer zu schätzen wissen, aber wenn ihr zu einem Wettkampf kommt, möchte ich euch bitten, den anderen Turnerinnen und Turnern und der Turngemeinde gegenüber respektvoll zu sein, denn wir machen nur unseren Job.»
Dunne befindet sich in einer Zwickmühle. Einerseits profitiert sie von ihrem Ruhm – und bringt damit auch dem Sport zusätzliche Aufmerksamkeit. So kauften sich beispielsweise in Utah viele Fans nur ihretwegen ein Ticket für den Anlass. Andererseits machen einige die 20-Jährige für Vorfälle wie jene bei diesem Wettkampf verantwortlich.
Livvy has her own section. Literally. @LSUGym driving ticket sales coast to coast. pic.twitter.com/hPV6eVPLGL
— Mike Smith (@LSUGymVoice) January 7, 2023
Gegen diese Vorwürfe verteidigte die Mutter von Olivia Dunne ihre Tochter aber: «Es ist nicht in Ordnung, einer Athletin oder einer Berühmtheit die Schuld zu geben, wenn das Verhalten der Fans eine Grenze überschreitet.» Man solle aufhören, zu behaupten, dass Livvy dies aufgrund ihrer Kleidung in irgendeiner Weise verdient habe, vor allem in einer Sportart, in der alle Mädchen nur knappe Outfits tragen.
Für Olivia Dunne ist es ein schwieriger Spagat, den sie zu bewältigen hat. Und da ist sie nicht die Einzige. So sagt auch Haley Jones, Basketballerin am College Stanford, gegenüber der «New York Times»: «Entweder man entscheidet sich, nicht auf den sozialen Medien präsent zu sein, und auf mögliche Einnahmen zu verzichten. Oder man macht mit, verdient Geld, fokussiert sich auf die unterstützenden Fans und versucht, die vielen negativen – oft anzüglichen und sexualisierten – Kommentare in den sozialen Medien auszublenden.»
Respect The Crown 👑#GeauxTigers | @livvydunne pic.twitter.com/XeHwsz4OO3
— LSU Gymnastics (@LSUgym) January 13, 2023
Diese Entwicklung sehen nicht wenige kritisch. Für Jones' Trainerin Tara VanDerveer ist es «ein Schritt zurück». Der Teil der neuen Einnahme-Regelung für College-Athletinnen, der sich auf die Schönheit fokussiert, sei ein Rückschritt für Sportlerinnen. «Die sozialen Medien erhalten alte sexistische Vorstellungen aufrecht.» Dunne hingegen sieht es lockerer, wenn sie sagt: «Man kann so viel oder so wenig zeigen, wie man will.»
Jones, die ebenfalls einige Werbedeals unterschrieben hat, bringt die Situation der Athletinnen auf den Punkt: «Man kann mit Jogginghosen und einer dicken Jacke herumlaufen und wird trotzdem sexualisiert. Ich denke, es wird immer passieren, egal, wie man sich präsentiert.» Dies bleibt also weiterhin ein Problem – wobei es nicht jenes der jungen Frauen wie Dunne und Jones ist. Mutter Katherine Dunne fordert deshalb: «Hört auf, Mädchen für das Verhalten von Jungen zu verurteilen.»
Take That (und viele andere) musste schon vor 30 Jahren aus dem Stadion eskortiert werden, weil draussen Tausende kreischende Mädchen standen, welche sie anfassen wollten, auf ihr Hotelzimmer geschlichen sind, etc... haben die sich über Sexismus beschwert? Auch da gab es Stalkerinnen, Drohungen oder ähnliches.
Nein - denn sie wussten, dass dies zum Ruhm dazu gehört.
Man kann das eine nicht ohne das andere haben.
Und Drohungen gegen sie sind völlig unverständlich. Was ist das Ziel solcher Hasser?