Sport
Das Beste 2022

Warum Kicker Justin Tucker den Baltimore Ravens 6 Mio $ im Jahr wert ist

IMAGO / Icon Sportswire

PITTSBURGH, PA - DECEMBER 10: Baltimore Ravens Kicker Justin Tucker (9) eyes up a field goal attempt during the game between the Baltimore Ravens and the Pittsburgh Steelers o ...
Justin Tucker visiert gegen die Pittsburgh Steelers das Ziel an.Bild: imago

Warum die Baltimore Ravens ihrem Kicker 6 Millionen Dollar im Jahr zahlen

Justin Tucker gilt als bester Kicker der gesamten NFL. Damit der 32-Jährige auch weiterhin für Baltimore aufläuft, haben ihn die Ravens nun zum bestbezahlten Kicker der Geschichte gemacht.
10.08.2022, 11:2819.12.2022, 14:53
Ralf Meile
Folge mir
Mehr «Sport»

Ein Spiel in der National Football League mit seinen vielen Unterbrüchen dauert im Schnitt mehr als drei Stunden. Eine recht lange Zeit. Und am Ende kommt es dann doch sehr oft bloss darauf an, dass ein einziger Mann die Nerven behält: der Kicker.

Sein Fuss entscheidet häufig eine enge Partie. Ein Schuss ins Glück – oder in die Arbeitslosigkeit. Je nachdem, ob der Football seinen Weg durch das Torgestänge findet. Es gab schon oft Kicker, die am Tag nach einem Fehlschuss die Kündigung erhielten. Vom langjährigen Trainer Buddy Ryan stammt das Bonmot: «Kicker sind wie Taxis, man kann sich stets ein anderes mieten.»

Beinahe makellose Bilanz

Justin Tucker droht das Schicksal der Arbeitslosigkeit nicht so schnell. Der 32-Jährige von den Baltimore Ravens gilt als Bester seiner Zunft. In der vergangenen Saison gelang ihm ein Field Goal aus 66 Yards, womit er einen neuen NFL-Rekord aufstellte. Bei 37 Versuchen, ein Field Goal zu schiessen, schaffte er es 35 Mal. Dazu blieb Tucker die gesamte Spielzeit über fehlerlos, als es in 32 Anläufen darum ging, nach einem Touchdown mit seinem Kick den Extra-Punkt zu sichern.

Das Game-Winning Field Goal aus 66 Yards gegen die Lions. Video: YouTube/Highlight Heaven

Das sind lauter Werte, die Tucker zu einem begehrten Spieler machen. Soeben hat er einen neuen Vertrag bei den Ravens unterschrieben, obwohl der alte noch zwei Jahre gültig war. Doch Baltimore erkannte seinen Wert und schraubte den Lohn in die Höhe: 24 Millionen Dollar erhält Justin Tucker in den kommenden vier Saisons. So viel Geld hat noch nie vorher ein Kicker erhalten. Im Schnitt kassiert ein Kicker rund 2,5 Millionen Dollar im Jahr – weniger als die Hälfte von Tucker.

«Ich bin begeistert, ich bin gesegnet», freute sich Tucker. Er wisse, dass er «an einem grossartigen Ort mit grossartigen Menschen» arbeiten könne. In Baltimore sei man daran, etwas aufzubauen, um Titel zu gewinnen. «Zu wissen, dass man auf mich setzt und dass ich ein Teil dieses Plans bin, ist ein ganz besonderes Gefühl.»

Rückennummer und Ausbeute eines Fussball-Torjägers

Erst wenige Tage zuvor gaben schon die Pittsburgh Steelers viel Geld für einen Kicker aus: Chris Boswell unterschrieb für vier Jahre, in denen er insgesamt 20 Millionen Dollar erhält. Tucker ist mit seinem neuen Vertrag noch besser bezahlt, aber ihm sei es nicht darum gegangen, in finanzieller Hinsicht die Nummer 1 der Liga zu sein. «Das klingt schon schön, das will ich gar nicht abstreiten. Aber am wichtigsten war und ist für mich, dass ich in die Pläne eingebunden bin, die auf den Gewinn des Super Bowl abzielen.»

Dass die Ravens auf ihren Kicker zählen können, wissen sie in Baltimore schon lange. Für den Head Coach John Harbaugh ist sein Akteur «der beste Kicker der Geschichte». Gleich in der Rookie-Saison 2012 gewann Tucker mit seinem Team den Super Bowl. Seither bringt er es auf die sagenhafte Field-Goal-Erfolgsquote von 91,1 Prozent – ein Rekord. Dass er die Rückennummer 9 trägt, wie die klassischen Fussball-Torjäger, passt. Tucker lief in seiner Laufbahn bisher 358 Mal an und traf 326 Mal.

Wenn es darauf ankommt: Die Field Goals, mit denen Justin Tucker für sein Team ein Spiel gewann.Video: YouTube/Baltimore Ravens

Der Kopf entscheidet

Um das zu schaffen, muss nicht nur der Fuss trainiert werden. Eine starke Psyche ist zwingend, denn der Druck, der auf einem Kicker lastet, kann riesig sein. «Im Football besteht eine Partie selbst für einen normalen Spieler meist aus viel Warterei. Für einen Kicker ist es praktisch nichts anderes als warten», fasste die «New York Times» es einst zusammen. Star-Kicker Adam Vinatieri stellte fest: «Ich bin höchstens für 60 Sekunden auf dem Feld und muss mir überlegen, was ich mit dem Rest der Zeit anfangen soll.»

Der im Frühling 2021 zurückgetretene Vinatieri war ein Kicker, der mit dem gewaltigen Druck, der auf diesen Spielern lastet, umgehen konnte. Er gewann vier Mal den Super Bowl, zwei der Finals entschied er durch ein Field Goal in den letzten Sekunden der Partie. Der Kopf sei massgebend bei einem NFL-Kicker, betonte Vinatieri, nicht der Fuss. «Wir befinden uns auf einer Insel, jeder schaut nur auf uns. Was den einen Kicker vom anderen unterscheidet: Kannst du es auch, wenn du im Scheinwerferlicht stehst?»

Treffer oder Fehlversuch? 10 legendäre NFL-Kicks.Video: YouTube/NFL

Die Situation ist ähnlich wie bei einem Penalty im Fussball. Mit dem Unterschied, dass es dort mit dem Goalie einen Helden geben kann, im Football aber immer nur der Schütze selber über sein eigenes Schicksal und das seiner Mannschaft entscheidet.

Wie eine Boxen-Crew in der Formel 1

Nebst der Psyche ist selbstverständlich auch die Ausführung wichtig, wenn das Ei zwischen den Torstangen hindurch fliegen soll. Ganz alleine ist der Kicker dann doch nicht, er bildet ein Team mit dem Long Snapper und dem Holder. Das Trio muss eingespielt sein wie die Boxen-Crew eines Formel-1-Rennstalls beim Reifenwechsel. Denn die Aktion – der Long Snapper wirft das Ei zum Holder, der es bis zum Kick festhält – dauert bloss etwa 1,3 Sekunden. Übung macht den Meister. «Justin ist in der Lage, jedes Mal dieselbe Technik anzuwenden und den Ball immer gleich zu treffen», beschrieb Tuckers langjähriger Long Snapper Morgan Cox. «Das kann nicht jeder Kicker und das ist es, was ihn wirklich gut macht.»

Baltimore Ravens kicker Justin Tucker (9) kicks a field goal as punter Sam Koch (4) holds, during the first half of an NFL football game against the Miami Dolphins, Thursday, Nov. 11, 2021, in Miami G ...
Sam Koch hält den Ball, bis ihn Justin Tucker tritt.Bild: keystone

Was 40 Yards und näher an den Torstangen liegt, versenkt er praktisch immer (178 von 181 Versuchen), was seinen Quarterback Lamar Jackson zum schönen Wortspiel «Automa-Tuck» inspirierte. Und ist das Spiel auf Messers Schneide, dann ist auf Tucker erst recht Verlass. In diesem Moment ist er komplett im Tunnel. Erst hinterher wird ihm bewusst, was auf dem Spiel stand. «Wenn wir mit einem Field Goal gewinnen, werde ich danach nervös und frage mich: ‹Mann, was wäre, wenn es nicht so gelaufen wäre, wie wir es wollten?›», verriet er ESPN.

Vollstes Vertrauen vom Team

Dank Tuckers Qualitäten werde sein eigener Job viel einfacher, sagte Quarterback Jackson, als der Kicker wieder einmal mit einem Treffer in der letzten Minute für einen Sieg der Ravens sorgte. «Wir müssen am Ende nicht zwingend noch einen Touchdown erzielen, um zu gewinnen. Manche Trainer haben kein Vertrauen in ihre Kicker, doch wir setzen voll auf ihn. Wir müssen ihm nur eine möglichst gute Position für seinen Versuch verschaffen, den Rest erledigt ‹Tuck› dann automatisch.»

Bis 2028 wird Justin Tucker für die Ravens auflaufen. Mindestens. Denn weil Kicker wesentlich weniger verletzungsanfällig sind als ihre Mitspieler, liegen auch richtig lange Karrieren drin: Adam Vinatieri, der vor Tucker lange als bester Kicker der NFL galt, spielte, bis er 47 Jahre alt war.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So crazy sind die Fans der 32 NFL-Teams
1 / 34
So crazy sind die Fans der 32 NFL-Teams
Green Bay Packers
quelle: imago images
Auf Facebook teilenAuf X teilen
NFL-Kultfigur Icke Dommisch erklärt dir Football
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
23 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Relative Performance
10.08.2022 11:41registriert Juli 2022
Vielleicht weil der Kicker der einzige Spieler ist der wirklich Football spielt.
4313
Melden
Zum Kommentar
avatar
Marsupilami123
10.08.2022 13:04registriert Juni 2016
Finde eigentlich den Teil am wichtigsten: "Ganz alleine ist der Kicker dann doch nicht, er bildet ein Team mit dem Long Snapper und dem Holder. Das Trio muss eingespielt sein wie die Boxen-Crew eines Formel-1-Rennstalls beim Reifenwechsel."

Kannst den besten Kicker hinstellen, wenn das Ei falsch platziert wird. Aber so geht es generell in den NFL. Was bringt dir ein guter QB wenn die O-line nicht hält, oder ein guter WR wenn der QB nicht platziert wirft, etc.
262
Melden
Zum Kommentar
avatar
El Dudo
10.08.2022 13:05registriert März 2020
Noch 29mal schlafen. can't wait!
Go Niners!
212
Melden
Zum Kommentar
23
Ein Jahr nach Krebsdiagnose – so geht es Ex-Biel-Trainer Antti Törmänen
Vor fast genau einem Jahr hat Antti Törmänen den EHC Biel beinahe zum Meistertitel gecoacht, ehe er wegen seines Krebsleidens zurücktreten musste. In einem Interview mit dem Journal du Jura gewährt der Finne nun Einblicke, wie es um ihn steht.

Törmänen offenbarte, dass er in letzter Zeit gute und schlechte Nachrichten erhalten habe. «Die Analysen zeigen, dass mein Krebs unter Kontrolle zu sein scheint. Allerdings haben die Ärzte in meinem Blut Spuren eines noch vorhandenen Tumors gefunden, was nicht sehr gut ist.» Er sei immer noch positiv gestimmt, so der 53-Jährige. «Derzeit unterziehe ich mich einer Immuntherapie in Lausanne, bei der ich alle vier Wochen eine Behandlung erhalte.» Diese folge auf die Chemotherapie, die er im März 2023 begonnen habe.

Zur Story