Es ist Mini-Olympia, das ab heute bis am 21. August ausgetragen wird. 50 Jahre nach den Olympischen Spielen von 1972, die von einem Terroranschlag überschattet worden waren, kommt es in München zu den European Championships. Insgesamt 4700 Sportlerinnen und Sportler kämpfen um den EM-Titel.
Es ist die erst zweite Austragung des Events, der 2018 in Glasgow stattfand. Schwimmen und Golf sind diesmal nicht dabei, dafür neu Kanu, Beachvolleyball, Tischtennis und Klettern. Zudem sind die Leichtathletik-Wettkämpfe am selben Ort, 2018 waren sie in Berlin. Das Schweizer Fernsehen SRF überträgt häufig live im TV oder im Stream.
Die Schweizer Hoffnungen ruhen auf Mujinga Kambundji und Simon Ehammer. Nur wenige Wochen nach der WM in Eugene könnten sie nachlegen. Schneller als Kambundji war in diesem Jahr über 100 m und über 200 m aus Europa nur die Britin Diana Asher-Smith, für die Bernerin liegt in ihren Paradedisziplinen deshalb einiges drin. Zudem hat die Schweizer Staffel gute Chancen.
Nach WM-Bronze im Weitsprung gehört der Appenzeller Ehammer an der EM im Zehnkampf zu den Topfavoriten. Die weiteren Hoffnungsträgerinnen sind Audrey Werro (800 m) und Annik Kälin (Siebenkampf).
Im Strassenrennen schicken die Schweizer mit Stefan Bissegger, Mauro Schmid, Silvan Dillier und Michael Schär ein Quartett ins Rennen, zu den Topfavoriten zählt keiner von ihnen. Anders sieht dies im Zeitfahren aus: Dort haben Titelverteidiger Stefan Küng und Stefan Bissegger Hoffnungen auf den Titel.
Diese hat eigentlich auch die Berner Ausnahmekönnerin Marlen Reusser. Doch nach ihrem Sturz an der Tour de France musste Reusser die Starts in Vargada und an der Skandinavien-Tour absagen. Für die EM soll es zwar reichen, dennoch wird sie nicht in Topform anreisen.
Auf der Radbahn verfügt die Schweiz über ein gutes Quartett, das an der EM 2021 in Grenchen Silber geholt hat. Von einem ähnlichen Exploit könnte das Quartett auch in München träumen, doch Routinier Claudio Imhof äussert sich vorsichtig: «Es wäre schön, wieder eine Medaille zu gewinnen.» Auch die Frauen haben ein Team am Start, zählen aber zu den Aussenseiterinnen.
Die ohnehin schon hohen Chancen auf eine Schweizer Medaille im Mountainbike sind am Dienstag drastisch gestiegen, als Mathias Flückiger bekannt gab, doch an der EM zu starten. Der Olympia- und WM-Zweite ist auch dank der Abwesenheit des Landmanns und Rivalen Nino Schurter der Topfavorit. Doch nicht nur Flückiger, auch Filippo Colombo und Vital Albin ist eine Medaille zuzutrauen.
Noch breiter ist das Feld der Kandidatinnen auf eine Medaille bei den Frauen. Nach dem Dreifachsieg an den Olympischen Spielen von Tokio ist auch in diesem Jahr mit dem Trio Jolanda Neff, Sina Frei und Linda Indergand zu rechnen, dazu kommt die formstarke Alessandra Keller. Die Nidwaldnerin feierte zuletzt ihren ersten Weltcupsieg.
Nikita Ducarroz war im Sommer 2021 in der Schweiz noch eher unbekannt. Das änderte sich spätestens an den Olympischen Spielen, als die in den USA aufgewachsene Genferin Olympia-Bronze holte. 2021 gewann sie zudem WM-Silber und EM-Gold. Die Titelverteidigerin zählt erneut zu den Schweizer Medaillenhoffnungen.
Roman Röösli ist zurück. An Olympia gab es noch die Enttäuschung im Doppelzweier, danach folgte der Sieg auf der Themse mit dem Oxford-Achter beim legendären «Boat Race». Neu fährt er im Vierer ohne Steuermann, gemeinsam mit Andrin Gulich, Tim Roth und Joel Schürch. Wahrscheinlich kommt die EM aber noch etwas zu früh für das neue Quartett.
Zu den Favoritinnen zählt Jeannine Gmelin im Skiff, die in diesem Jahr im Weltcup bei zwei Starts einen zweiten und einen dritten Rang herausgefahren ist.
Nicola Spirig ist nicht dabei, deshalb ruhen die Hoffnungen der Schweizerinnen auf Julie Derron. Die Titelverteidigerin strebt in München ein weiterer Coup an. Bei den Männern besitzt der Olympia-Neunte Max Studer Aussenseiterchancen.
An den letzten beiden Europameisterschaften räumten jeweils Schweizer Frauen-Duos den Titel ab. Dies ist auch in diesem Jahr realistisch. Die Titelverteidigerinnen Tanja Hüberli und Nina Brunner sind erneut dabei. Von den Europameisterinnen 2020 fehlt zwar die verletzte Joana Heidrich, doch Anouk Vergé-Dépré fand mit Menia Bentele erneut eine gute Partnerin. Geringe Chancen auf Edelmetall haben derweil das dritte Frauen-Duo sowie die beiden Männer-Teams.
Im Sportklettern hat die Schweiz gleich drei gute Medaillenchancen: Titelverteidiger Sascha Lehmann bei den Männern sowie Petra Klingler und Andrea Kümin bei den Frauen träumen von Edelmetall.
Im Kunstturnen, Tischtennis und Kanu hat die Schweiz kaum Medaillenchancen. Beim Kunstturnen streben die Schweizer Männer die Qualifikation für die WM an, Noe Seifert und Marco Pfyl peilen derweil den Einzel-Final an. Bei den Frauen steht nach dem Rücktritt von Giulia Steingruber und Skandalen ein Neuanfang an, die besten Chancen besitzt das 16-jährige Talent Chiara Giubellini.
Kaum Medaillenhoffnungen dürfen sich Rachel Moret, Barish Moullet und Loïc Stoll im Tischtennis machen, genau so wie Franziska Widmer im Kanu.