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Biathlon-Weltcup: So hat Michael Hartweg in der Schweiz den Weg geebnet

IBU Biathlon Cup 2019, Women 10 km Pursuit, Lenzerheide, Switzerland Lenzerheide, Switzerland, 26th January 2019. Michael Hartweg from Biathlon Arena Lenzerheide AG and IBU President Olle Dahlin durin ...
Michael Hartweg (links) hat grossen Anteil daran, dass es am kommenden Wochenende zur Biathlon-Weltcup-Premiere in der Schweiz kommt.Bild: imago sportfotodienst

Er investierte Millionen: Wie Michael Hartweg die Schweiz zu einer Biathlon-Nation machte

Am Donnerstag ist Biathlon-Weltcup-Premiere in der Schweiz. Ohne Unternehmer und Förderer Michael Hartweg wäre es kaum dazu gekommen. Zuletzt aber nahm der 51-Jährige etwas Abstand von seinem Vermächtnis, der Biathlon-Anlage in Lenzerheide. Von einem Mann, der mit Freude «das System provozierte».
13.12.2023, 18:13
ralf streule / CH Media
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Als Michael Hartweg um 2010 herum in Einsiedeln zu einem Infoabend lud, um Eltern über die neue Biathlon-Abteilung im Skiclub zu informieren, reservierte er einen grossen Saal. Er verschätzte sich. «Es kamen ein paar Nasen», erinnert er sich. Ein Jahr später wiederholte er den Anlass, reservierte einen kleineren Raum. Wieder hatte er sich verschätzt: «Wir wurden überrannt.»

Hartweg erzählt die Episode nebenbei. Aber sie passt zu ihm: Was er anpackt, wächst oft ziemlich schnell. Wenn morgen und bis am Sonntag in der Lenzerheide Biathlon-Weltcuprennen durchgeführt werden, erstmals überhaupt in der Schweiz, dann ist dies zum grossen Teil dem 51-jährigen Unternehmer zu verdanken. Am Anfang steht ein Familienausflug ins Goms.

«Biathlon? Da war wenig zu finden.»

Im Südschwarzwald aufgewachsen, hatte Hartweg immer eine Affinität zur Schweiz und zum Wintersport. Grindelwald oder Laax besuchte er oft, auch in seiner Zeit in Karlsruhe, wo er Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften studierte. Als er sich 2007 mit dem Startup Leonteq aufmachte, von Zürich aus die Fintech-Welt zu erobern, zog er mit der Familie in die Schweiz, nach Wollerau.

Als begeisterter Triathlet («Bis heute!») brachte er auch die Kinder auf den Geschmack. Bei einem Langlauf-Wochenende mit dem Triathlonclub Zugerland in Goms war die Familie dabei. Zufällig stiess man auf einen «Kids-Biathlon»-Anlass: Langlauf und Luftgewehr. Die Hartweg-Kinder, Julia und Niklas, machten spontan mit. Die ältere Tochter war schnell angefixt, sagt Hartweg. Ihr jüngerer Bruder dafür nachhaltig: Niklas Hartweg ist ein Aushängeschild des aufstrebenden Schweizer Biathlons geworden. Vergangene Saison lief er zweimal aufs Weltcup-Podest.

Während sein Sohn am Hobby festhielt und mit Amy Baserga – heute ebenfalls Spitzenläuferin – vor der Garageneinfahrt mit dem Luftgewehr übte, fragte sich Vater Hartweg, warum in der Schweiz so wenig Biathlon-Strukturen vorhanden sind. Schützenvereine ja, Langlaufinteresse ja. Aber Biathlon? «Da war wenig zu finden.» Damals fiel Hartwegs Bonmot: «Die Schweiz ist eine Biathlonnation. Nur weiss sie es noch nicht.»

Amy Baserga of Switzerland skis during the women's 7.5-kilometer sprint competition at the 2022 Winter Olympics, Friday, Feb. 11, 2022, in Zhangjiakou, China. (AP Photo/Kirsty Wigglesworth)
Amy Baserga, eines der Aushängeschilder des Schweizer Biathlons, übte gemeinsam mit Hartwegs Sohn.Bild: AP

Der Unternehmer in ihm war geweckt. Mit anderen Familien gründete er die Abteilung Biathlon im Skiclub Einsiedeln. Er wollte den Schweizer Biathlon aus dem Halbschlaf küssen, weil er von einer Erfolgsgeschichte überzeugt war. «International ist Biathlon eine Riesensache, mit viermal höheren Einschaltquoten als Langlauf, und sogar den grösseren als im Ski Alpin.» Weltcup-Anlässe sind eine lukrative Sache.

Sein finanzielles Glück war das Glück der Lenzerheide

Hartweg erzählt diese Geschichten in einem Co-Working-Space in Zürich, wo er sich für sein neustes Start-Up eingemietet hat. Mit Jan van Berkel, dem einstigen Triathlon-Profi, arbeitet er an der Fitness-Tracking-App «Muuvr». Die Ideen sprudeln. Hartweg wirkt enthusiastisch – wohl wie damals, als er Leonteq auf den Weg brachte. «Wir waren verrückt, fuhren ein brutales Risiko, haben alles reininvestiert.» Der Verkauf seines Leonteq-Anteils vor sieben Jahren bescherte ihm ein grosses Vermögen. Weiterhin ist er Teilhaber von Fintech-Unternehmen. «Es braucht auch Glück», sagt er.

Sein finanzielles Glück war das Glück der Lenzerheide. Dort gab es um 2005 Pläne, eine internationale Biathlon-Arena zu erstellen. Hartweg, der mit der Familie zu jener Zeit in der Lenzerheide eine Ferienwohnung erwarb, half über seine Leonteq als Gönner mit, war überzeugt «von der Aura der Anlage».

Hartweg sagt: «Im Weltcup ist Lantsch von seiner schönen Lage her nur mit Antholz im Südtirol vergleichbar.» Doch es ging nicht vorwärts. «Wenn, dann richtig», sagte sich Hartweg ab 2012, und begann, privat zu investieren. «Ich sagte mir: ‹Es wäre ein Jammer, wenn das nicht funktionieren würde.›»

Hartweg steckte einen zweistelligen Millionenbetrag in die Arena, das Nordic House samt Gastronomie und Beherbergung. Doch er wollte das Ganze auf eine breite Basis stellen, verfolgte eine Strategie, die den Biathlonsport in der Schweiz revolutionieren sollte: Nachwuchs, Infrastruktur, Wettkampfkonzept, Breitensport. Zusammen mit seiner Frau Carola Hartweg rief er die Stiftung «Mission Biathlon» ins Leben. Bis heute wird diese von vielen Gönnerinnen und Gönnern unterstützt.

Silver medalists Amy Baserga of Switzerland, left, and teammate Niklas Hartweg, pose after the single mixed relay race at the IBU European Open Biathlon Championships, on Sunday, January 29, 2023, in  ...
Niklas Hartweg mit Amy Baserga an der BU European Open Biathlon Championships in der Lenzerheide.Bild: KEYSTONE

Mit all dem wurde auch «das System provoziert», wie es Hartweg heute nennt. Man holte Topleute wie Michael Greis, den dreifachen Olympiasieger aus Deutschland, als Nachwuchstrainer. Damit habe man auch den Schweizer Skiverband «gechallenged» – weil man Dinge tat, die in dessen Aufgabenbereich gehörte. «Das sahen nicht alle gerne.» In dieser Zeit kam Swiss Ski auf den Geschmack (oder unter Druck?), die Biathlonsache anzugehen und in den Verbandsstrukturen zu stärken.

Hartweg hätte noch einmal das Portemonnaie geöffnet

Früh war für Hartweg klar, dass eine Finanzierung der Anlage nur über Weltcup-Rennen oder sogar eine WM möglich würde. Über Anlässe wie die Nachwuchs-WM 2020 tastete man sich mit dem lokalen OK an die Aufgaben heran. Damals, überraschend schnell, wurde der Lenzerheide die WM 2025 zugesprochen, da Weissrussland aus politischen Gründen aus dem Kalender fiel, es folgte die Zusage für den Weltcup 2023.

Längst war Swiss Ski mit im Boot. Hartweg brauchte den Skiverband, weil die Vergabe der Wettkämpfe über dieses Gremium läuft, Swiss Ski brauchte Hartweg, weil seiner Biathlon Arena Lenzerheide AG die Anlage gehörte. Plötzlich galt es aber, in Rekordzeit klare Verhältnisse zu schaffen zwischen Hartweg und Swiss Ski, die stets gut kooperierten, wie beide Seiten sagen – aber eben doch immer andere Herangehensweisen und Tempi hatten.

Swiss Ski fuhr in jener Zeit längst die Strategie, im Land internationale Grossanlässe zu forcieren. Der Verband übernahm die gesamte Anlage samt Nordic House – was für den Verband ein Novum war und für Hartweg ein erster Schritt vom Abschied von seinem «Baby». «Er kam uns stark entgegen», sagt heute Walter Reusser, Sport-CEO bei Swiss Ski und in der Entwicklung der Anlage involviert. Und Hartweg sagt: «Wir hatten ja erreicht, was wir wollten: Dass es im Biathlon vorwärts geht und dass die Strukturen klarer werden.»

Hartweg verblieb im VR der Biathlon Arena Lenzerheide AG. Er kämpfte stets für den Einbezug des lokalen OKs bei den Grossanlässen. Zuletzt kam Swiss Ski den Lokalen entgegen. Sie sind stärker involviert, als dies zunächst geplant war.

Da war zuletzt aber eine andere Sache, die Hartweg anders sah als Swiss Ski. Der Verband und er prüften mit der Gemeinde Lantsch/Lenz den Bau eines weiteren Gebäudes bis zur WM 2025. Es sollte, ganz nach dem Vorbild Antholz, ganz dem Sport dienen, während im «Nordic House» gänzlich auf Gastronomie und Beherbergung gesetzt worden wäre.

Hartweg war Feuer und Flamme. Swiss Ski sah aber davon ab. Bei den Betriebskosten wäre man ein zu grosses Risiko eingegangen, sagt Reusser. «Zudem wollten wir kein Gebäude erstellen, in welchem während 50 von 52 Wochen nicht viel läuft.» Die Idee sei nicht vom Tisch, der Verband suche eine Lösung, die «einen Mehrwert für Tourismus, Bevölkerung und Sport» biete. Die Zeit bis zur WM sei zu knapp.

Lea Meier of Switzerland, right, and competition during the mixed relay race at the IBU European Open Biathlon Championships, on Sunday, January 29, 2023, in Lenzerheide, Switzerland. (KEYSTONE/Gian E ...
In der Lenzerheide ist alles angerichtet für die Weltcup-Premiere.Bild: KEYSTONE

Hartweg hätte gerne vorwärts gemacht und auch noch einmal das Portemonnaie geöffnet. «Lantsch steht in Konkurrenz mit anderen Weltcuporten», sagt er. Mit der neuen Infrastruktur hätte man die Chance vergrössert, im Kalender einen festen Platz zu erhalten, sagt er.

Dass Hartweg kürzlich aus dem VR der Biathlon Arena Lenzerheide AG ausgetreten ist, hat nicht zuletzt damit zu tun. «Klar: Ein Verband muss Dinge anders angehen, er kann nicht schnell entscheiden», sagt er. «Als Unternehmer ist es aber nicht immer einfach, dabei zuzuschauen.» Er lacht dabei. Einen Groll hege er nicht. Aber die Schweizer Weltcup-Premiere sei der richtige Moment, das «Baby» endgültig loszulassen.

Und was, wenn Swiss Ski in ein paar Jahren um finanzielle Hilfe fragt für das neue Gebäude? «Dann habe ich wie immer ein offenes Ohr.»

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