Nach der Schlacht von Waterloo wusste man zuerst gar nicht, wer gewonnen hatte. Der Pulverdampf vernebelte die Sicht auf die Schlachtfelder. Nach der schlimmsten Woche von Trumps Amtszeit sieht es ähnlich aus. Was haben die Schuldsprüche und Immunitäts-Versprechen ausgelöst? Wer kämpft auf welcher Seite? Und was sind die Folgen? Hier ein Versuch, die Fronten zu klären.
Trumps zeitweiliger Wahlkampf-Manager Paul Manafort ist von einem Geschworenengericht verurteilt worden und muss mit einer langen Gefängnisstrafe rechnen. Ein herber Rückschlag für den Präsidenten, der nun gar mit dem Gedanken spielen soll, Manafort zu begnadigen.
Er sollte auf jeden Fall zuwarten: Manafort muss bald vor einem zweiten Gericht antraben und hat dabei sehr schlechte Karten. Für Trump muss es äusserst beunruhigend sein, dass der Sonderermittler Robert Mueller diesen Prozess fest in seinen Händen behält und ihn nicht an andere Strafverfolgungsbehörden abgegeben hat, wie er dies in anderen Fällen getan hat.
Sollte Manafort die Fronten wechseln und einen Deal mit dem Sonderermittler eingehen, dann könnte dies katastrophale Folgen für Trump haben. Der Präsident scheint dies zu ahnen. In einem Interview mit Fox & Friends hat er dafür plädiert, das sogenannte «Flippen» zu verbieten. Will heissen: Es soll Angeklagten nicht mehr erlaubt sein, auszupacken, um so eine mildere Strafe einzuhandeln.
Ansonsten war es an der Russlandfront in der vergangenen Woche eher ruhig. Wahrscheinlich eine trügerische Ruhe. Allgemein wird ein Grossangriff Muellers erwartet, möglicherweise noch vor den Zwischenwahlen.
Trumps Anwalt Michael Cohen hat sich schuldig bekannt, dem Pornostar Stormy Daniels Schweigegeld bezahlt zu haben. Für Trump unschön ist dabei die Tatsache, dass er unter Eid ausgesagt hat, dies im Wissen und im Auftrag Trumps getan zu haben. Im Moment herrscht ein Juristenstreit darüber, ob diese Zahlungen ein Verbrechen darstellen oder nicht. Sollte dies der Fall sein, wäre Trump ab sofort ein «nicht angeklagter Mitverschwörer» in einer Straftat, ein einmaliges Ereignis in der US-Geschichte.
Gleichzeitig wurde bekannt, dass David Pecker von der Strafverfolgungsbehörde Immunität gewährt wurde. Das bedeutet, dass er für seine Aussagen nicht strafrechtlich belangt werden kann. Pecker ist Herausgeber des «National Enquirer», dem wohl schlimmsten Skandalblatt der USA.
Pecker ist auch seit Jahren ein enger Freund von Donald Trump. In der Schweigegeld-Affäre mit dem Playboy-Model Karen McDougal hat er eine tragende Rolle gespielt. Er hat ihr ihre Geschichte abgekauft, in der Absicht, sie niemals zu veröffentlichen. Vor allem aber soll Pecker einen ganzen Safe voll mit Skandalgeschichten über Trump haben. Stormy Daniels war vielleicht erst der Anfang.
Ebenfalls wurde letzte Woche bekannt, dass die Strafbehörden einem gewissen Allen Weisselberg Immunität gewährt haben. Weisselberg gehört seit Jahrzehnten zur Familie Trump. Er war schon der Buchhalter des Vaters von Donald und weiss über alle Finanztransaktionen Bescheid.
Im Wahlkampf hat sich Trump geweigert, seine Steuererklärung offenzulegen. Das ist sonst bei Präsidentschaftskandidaten üblich. Es ist zu erwarten, dass Weisselberg den Strafverfolgungsbehörden darüber Auskunft gegeben hat – oder geben wird –, wie es um die Finanzen im Trump-Imperium steht und woher die Einnahmen stammen.
Immer wieder wird der Verdacht geäussert, Trump habe Gelder der russischen Mafia gewaschen. Dank der Kooperation von Weisselberg dürfte es sich zeigen, ob das zutrifft oder nicht.
Trump hat mehrere Strafverfahren am Hals, die sein Finanzgebaren betreffen. So ermittelt beispielsweise der Justizminister des Bundesstaates Maryland gegen ihn, weil er gegen die Vergütungs-Klausel verstossen haben soll. Will heissen: Trump hat sein Präsidentenamt für persönliche Bereicherung missbraucht.
Die Justizministerin des Bundesstaates New York, Barbara Underwood, hat derweil ein Verfahren gegen Trumps Wohltätigkeitsorganisation eingeleitet. Sie soll Stiftungsgelder missbraucht haben. Diese Klage kann Trump sehr gefährlich werden. Underwood gilt als eine der besten Juristinnen des Landes; und sie hat nicht nur Trump, sondern auch seine drei erwachsenen Kinder im Visier. Sie alle sitzen im Stiftungsrat.
Der Streit zwischen dem Präsidenten und seinem Justizminister ist wieder voll entbrannt. Trump tobt, weil Jeff Sessions in der Russland-Frage in den Ausstand getreten ist und ihn nicht gegen den Sonderermittler verteidigen kann. In wütenden Tweets fordert Trump ihn auf, endlich auch gegen die angeblichen Verbrechen von Hillary Clinton zu ermitteln.
Sessions ist bisher nicht nur standhaft geblieben. Er hat sogar zurückgeschossen und seinerseits in einem Tweet darauf hingewiesen, dass sich das Justizdepartement nicht für politische Zwecke missbrauche lasse. Er denkt offensichtlich nicht daran, freiwillig zurückzutreten. Wenn Trump ihn loshaben will, muss er ihn feuern. Das ist politisch riskant. Sessions hat viele Freunde im Senat, vor allem unter den Republikanern.
Sessions war der erste namhafte Politiker, der Trump unterstützt hat. Zwei weitere Trump-Fans der ersten Stunde stecken in ernsten Schwierigkeiten. Die beiden Abgeordneten Christopher Collins (New York) und Duncan Hunter (Kalifornien) werden wegen schwerer Finanzvergehen angeklagt. Collins hat mittlerweile seinen Wahlkampf abgebrochen.
An der Politfront gibt es auch mehrere Geplänkel. So wurde bekannt, dass Donald McGahn, der Anwalt des Weissen Hauses, über 30 Stunden lang dem Sonderermittler Auskunft erteilt hat. Und dann gibt es noch das Skandalbuch von Omarosa Mingault Newman. Sie war einst Star in Trumps TV-Sendung «The Apprentice» und eine glühende Verehrerin. Seit ihrem Rausschmiss aus dem Weissen Haus wirft sie ihm vor, er sei ein Rassist und leide unter mentaler Schwäche.
Wichtige Freunde (Pecker, Weisselberg) fallen von ihm ab, die besten Juristen des Landes untersuchen sein Finanzgebaren: Trumps Lage verschlimmert sich täglich. Sein Schicksal wird sich jedoch erst mit den Zwischenwahlen im November entscheiden. Eine «blaue Welle», ein grosser Sieg der Demokraten, würde wohl zu einem Impeachment führen.
Schaden hat Trump bereits angerichtet, und zwar auf breiter Front: Die ehemals stolze Grand Old Party ist zu einem korrupten Haufen verkommen. So klagt Peter Wehner, ein Republikaner alter Schule, in der «New York Times»: «Die meisten Republikaner werden bis zum bitteren Ende mit Trump ausharren. Eine Steuerreform, Deregulation und ein paar Richter – waren die das wirklich wert?»
Noch grösser wird der Schaden für das ganze Land werden. Edward Luce zeigt in der «Financial Times» auf, wie Trump die Vereinigten Staaten de facto an die Meistbietenden verhökert hat: «Studenten werden noch grössere Mühe haben, ihre Schulden zu bezahlen. Finanzinstitute werden es leichter haben, versteckte Klauseln in ihre Verträge zu schmuggeln. Die Gesundheit der Menschen wird durch Gifte und dreckige Luft gefährdet sein. Trump hinterlässt ein Washington, das noch korrupter ist, und vergessene Amerikaner, die noch enttäuschter sein werden.»