Wirtschaft
Digital

«Jüdische Mütter sind die Grundlage des israelischen Start-up Wunders»

IT-Start-ups sind ein bedeutender Bestandteil der israelischen Wirtschaft geworden.
IT-Start-ups sind ein bedeutender Bestandteil der israelischen Wirtschaft geworden.
Interview

«Jüdische Mütter sind die Grundlage des israelischen Start-up Wunders»

Nach Silicon Valley ist Israel der attraktivste Ort für IT-Start-ups geworden. Warum jüdische Mütter dabei eine bedeutende Rolle spielen, wie die Armee die Risiko-Kultur fördert und wie man auch als Schweizer Kleininvestor an diesem Boom teilnehmen kann, erklärt Jonathan Medved von Our Crowd, dem grössten Funds der Szene.
28.05.2017, 17:5829.05.2017, 06:11
Mehr «Wirtschaft»

15 Prozent des weltweiten Wagniskapitals fliessen nach Israel. Wie erklären Sie das?
Nach dem Silicon Valley ist Israel die zweitwichtigste Quelle der Innovation geworden. Das betrifft eine breite Palette von Bereichen. Wir sind führend im Bereich der Cyber-Sicherheit und bei selbstgelenkten Fahrzeugen. Das ehemalige Start-up Unternehmen Mobileye ist soeben für 15 Milliarden Dollar von Intel gekauft worden. Drohnen, Machine Learning, künstliche Intelligenz, Halbleiter-Technologie, Landwirtschaftstechnologie und digitales Gesundheitswesen – in all diesen Gebieten haben wir interessante Start-ups anzubieten. Kein Wunder also, sind wir ein begehrter Ort für Wagniskapital.  

Von welchen Summen sprechen wir?
Letztes Jahr waren es fast fünf Milliarden Dollar, die in rund 1000 Unternehmen investiert wurden. Dieses Jahr werden es noch mehr sein.  

Jonathan Medved gilt als Israels führender Venture
Kapitalist. Er ist der Gründer und Leiter von Our Crowd, dem grössten Start-up
Fund in Israel. Am 19. Juni wird er als Redner an der Veranstaltung «S ...
Jonathan Medved gilt als Israels führender Venture Kapitalist. Er ist der Gründer und Leiter von Our Crowd, dem grössten Start-up Fund in Israel. Am 19. Juni wird er als Redner an der Veranstaltung «Start-up Nation Israel meets Switzerland» im Volkshaus Zürich zu hören sein.

Warum gedeihen die Start-ups gerade in Israel so prächtig?
Die Armee spielt eine grosse Rolle. Israel ist ein Land mit einer ausgeprägten Risiko-Kultur. Das gilt ganz speziell für die Armee. Wir leben in einen Land, dass täglich in seiner Existenz bedroht ist.    

Die Armee hat eine eigene Truppe von IT-Spezialisten, den Unit 8200. Er gilt als eine Art Trainingslager für die Start-ups. Stimmt das?
Ja. Die Soldaten erwerben dabei nicht nur Fachwissen. Sie erwerben eine spezielle Risiko-Kultur. Dabei lernen sie, dass Versagen nicht bestraft wird. Wir haben hier sogar so genannte «suck up nights» Veranstaltungen, an denen die Teilnehmer über ihre grössten Flops berichten. Dabei gibt es einen eigentlichen Wettbewerb, wer am meisten Stuss verbrochen hat. Das mag für Ihre Ohren eigenartig tönen, denn für die meisten Gesellschaften ist das Versagen ein schmutziges Wort. Nicht bei uns. Es ist ein Teil des Spiels.  

«Die Schweiz ist gut im langfristigen Planen. Wir sind gut im Improvisieren.»

Welche Rolle spielt der Staat in der Start-up-Szene?
Eine sehr wichtige. Der Staat unterstützt die Armee und unser erstklassigen Universitäten. Wir haben staatlich unterstützte Forschungsprogramme, wir haben drei Dutzend staatlich unterstützte Inkubatoren. Der Staat organisiert zwischenstaatlich Forschung mit den USA und der EU. Und am wichtigsten: Unser Steuersystem ist sehr unternehmerfreundlich, leider nicht ganz so unternehmerfreundlich wie in der Schweiz.  

Wenn wir von der Schweiz sprechen: Israel hat etwa gleich viele Einwohner. Warum haben wir nicht die gleiche Start-up-Kultur?
Die Schweiz ist sehr gut, wenn es um grosse Unternehmen geht. Wir sind eine Start-up Nation, aber die Schweiz ist eine Scale-up Nation. Wenn es um langfristige Planung geht, können wir sehr viel von Euch lernen. Auf diesem Gebiet seid Ihr unglaublich. Wir hingegen sind sehr gut im Improvisieren, und wenn es darum geht, das Unmögliche möglich zu machen. Wir sind eine Nation des Wunders. Das können Sie schon in der Bibel nachlesen.

Das Start-up Mobileye ist für 15 Milliarden Dollar von Intel gekauft worden. Es liefert zentrale Teile für selbstgelenkte Fahrzeuge.
Das Start-up Mobileye ist für 15 Milliarden Dollar von Intel gekauft worden. Es liefert zentrale Teile für selbstgelenkte Fahrzeuge.

Sie haben auch schon die Rolle der jüdischen Mutter in der Start-up Nation betont. Was genau meinen Sie damit?
Jüdische Mütter prahlen gerne mit den Taten ihrer Kinder. Das löst eine Dynamik aus: Sholom hat das und das geleistet, bekommt der Sohn zuhause von seiner Mutter zu hören. Und was ist mit dir? Warum nimmst du diesen lockeren Job bei Google an? Stell doch etwas Eigenes auf die Beine. Gelegenheit dazu gibt es reichlich. Wir müssen das Land nicht verlassen, wenn wir etwas Eigenes gründen wollen.  

Mit Ihrer Firma Our Crowd wollen Sie es auch dem Kleinanleger ermöglichen, in israelische Start-ups zu investieren. Wie genau funktioniert das?
Start-ups sind an keiner Börse kotiert. Sie können also nicht auf ihre Bank gehen und sagen: Kaufen Sie mir diese oder jene Aktie. Deshalb haben wir eine Plattform eingerichtet, die von erfahrenen Profis geleitet wird. Dort kann man sich mit einer Mindestsumme von 10'000 Dollar beteiligen.  

Wie ist die Resonanz?
Wir haben mittlerweile mehr als 400 Millionen Dollar Kapital und sind damit der aktivste Investor im israelischen Ökosystem. Unser Portfolio umfasst 120 verschiedene Start-ups – und wir wachsen sehr schnell. Bisher haben vor allem Banken und Pensionskassen in Start-ups investiert. Mit Our Crowd kann auch der Kleinanleger am israelischen Start-up-Wunder teilnehmen.

Auch wenn man Schweizer ist?
Selbstverständlich. Bisher haben wir zwar noch vor allem Investoren aus den USA und aus Asien. Doch wir wollen vermehrt auch Kunden aus Europa, speziell Deutschland, Österreich und der Schweiz ansprechen. Unser Angebot ist in Zeiten, in denen Banken Negativzinsen eingeführt haben, sehr attraktiv geworden.

Start-ups gibt es auch im TV – so sieht die US-Serie «Silicon Valley» aus

1 / 6
Die US-Serie «Silicon Valley»
Gestatten, das Pied-Piper-Team: Richard (Thomas Middleditch, Mitte) hat zufällig einen Algorithmus zur Datenkompression erfunden, den er nun in einem Start-Up zur Marktreife führen soll. Dabei sollen ihm die Nerds Dinesh (Kumail Nanjiani, von links), Gilfoyle (Martin Starr), Jared (Zach Woods) und Erlich (T.J. Miller) helfen.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
13 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Semper
28.05.2017 19:28registriert Januar 2016
Sehr spannender Artikel👍🏻
408
Melden
Zum Kommentar
avatar
Zurichda
28.05.2017 22:50registriert Juni 2016
Es ist schon ein sehr interessanter Artikel. Ich wundere mich bei gewissen Kommentaren nur, wie plump reagiert wird. Man kann doch etwas in oder aus Israel beschreiben, ohne gleich auf Sicherheitspolitik oder Krieg zu gelangen. Letzten Endes beeinflussen Israelische Startup Produkte weite Teile unseres Lebens. Wir haben enorme Fortschritte genießen dürfen in den vergangenen Jahren.

Schöne Woche allen.
4112
Melden
Zum Kommentar
avatar
koks
28.05.2017 19:20registriert August 2015
Bin immer etwas peinlich berührt, wenn zum Hypen eines ansonsten eher banalen Interviews reisserische (und hier übrigens sachlich falsche) Titel gesetzt werden.

Der Interviewte sagt: "Jüdische Mütter prahlen gerne mit den Taten ihrer Kinder." Aber die "Grundlage des israelischen Startup-Wunders", wie das Löpfe behauptet, ist schlicht erfunden.
336
Melden
Zum Kommentar
13
4-Tage-Woche: Erstes grosses Pilotprojekt in der Schweiz
Immer mehr Länder und Unternehmen testen die 4-Tage-Woche. Nun soll bald auch in der Schweiz ein gross angelegtes Pilotprojekt beginnen. Das Wichtigste zu den bisherigen Erkenntnissen, zur 4-Tage-Woche weltweit und in der Schweiz.

Vier Tage in der Woche arbeiten, drei Tage pausieren – und trotzdem 100 Prozent des Lohnes erhalten: Für viele klingt das zu gut, um wahr zu sein. Und trotzdem ist die 4-Tage-Woche seit einiger Zeit auf dem Vormarsch.

Zur Story