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Angela Merkel gegen die dreckigen Vier

epa05509887 A protester holds up a banner reading 'Together we can do it' during a demonstration against German Chancellor Angela Merkel in Prague, Czech Republic, 25 August 2016. German Cha ...
Für diesen Prager Demonstranten ist die Kanzlerin der Teufel. Bild: FILIP SINGER/EPA/KEYSTONE

Angela Merkel gegen die dreckigen Vier

Ungarn, die Slowakei, Tschechien und Polen machen der deutschen Kanzlerin das Leben schwer. Die sogenannten Visegrad-Staaten wollen keine Flüchtlinge und eine andere EU.
03.09.2016, 09:5305.09.2016, 03:02
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In den letzten Tagen hat Angela Merkel in einer Blitztournee 15 EU-Regierungschefs getroffen. Sie wollte sie einstimmen auf den kommenden EU-Gipfel, der Mitte September in Bratislava über die Bühne gehen wird.  

Hungary's Prime Minister Viktor Orban speaks during the news conference in Warsaw, Poland, August 26, 2015. REUTERS/Kacper Pempel
Der ungarische Premierminister Viktor Urban ist der Anführer der Visegrad-Rebellen.Bild: KACPER PEMPEL/REUTERS

Besondere Aufmerksamkeit schenkt die Kanzlerin dabei den ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes. Brüssel ist im Osten derzeit alles andere als beliebt. In Prag wurde Merkel von Demonstranten begrüsst, die Plakate trugen, auf denen sie in eine Burka gehüllt oder mit einem Hitlerschnauz versehen war.

Die Visegard-Länder wollen mehr Unabhängigkeit

Auch ein Jahr nach «Wir schaffen das» ist die Willkommenskultur hinter dem ehemaligen eisernen Vorhang äusserst unbeliebt. Vor allem der ungarische Premierminister Viktor Orban hat sich zu einer Art informellen Rädelsführer gegen Brüssel entwickelt. Der Trump-Fan wird von der «Financial Times» wie folgt zitiert:

«Europa hat seine globale Rolle verloren und ist eine Regionalmacht geworden. Es ist nicht mehr in der Lage, seine Bürger und seine Grenzen zu schützen und die Gemeinschaft zusammenzuhalten. Grossbritannien hat die EU soeben verlassen. Was braucht es noch, um zu erkennen, dass Europas politische Führung versagt hat?»
Viktor Orban

Dass die EU grundlegende Reformen braucht, ist unbestritten. Die Visegrad-Staaten möchten vor allem mehr Unabhängigkeit von Brüssel. Darin ist man sich in Budapest, Warschau, Prag und Bratislava einig. Um dieses Ziel zu erreichen, hofft man auf ein baldiges Ende der Ära Merkel. Peter Kreko, Direktor der Denkfabrik Political Capital in Budapest, erklärte in der «Financial Times»:

«Orban will die EU umkrempeln, und er hofft, dass die aktuelle Führung – Merkel, Juncker, Hollande und andere – von der Flüchtlingskrise weggefegt werden. Auf den Trümmern kann dann ein neues Europa errichtet werden, das auf Familie, Nation und Christentum basiert.»
Peter Kreko

Angela Merkel ist europapolitisch ziemlich allein zuhause. Frankreich ist mit sich selbst beschäftigt und gönnt sich ein informelles Time-out. In Italien steht die Regierung von Matteo Renzi vor einer Schicksals-Abstimmung und hat keinen Spielraum. Spanien besitzt nach wie vor keine funktionsfähige Regierung. Deutschland hat deshalb gar keine andere Wahl als das Ruder in die Hand zu nehmen.

Jaroslaw Kaczynski, leader of ruling party Law and Justice attends a news conference about Brexit in party headquarters in Warsaw, Poland, June 24, 2016. REUTERS/Kacper Pempel
Kein Freund Russlands: Polens starker Mann Jaroslaw Kaczynski.Bild: KACPER PEMPEL/REUTERS

Doch auch die Front der Visegrad-Staaten hat Risse. Orban ist ein Bewunderer von Wladimir Putin und hat mit Russland soeben einen Vertrag über den Bau von neuen Atomkraftwerken abgeschlossen.

Polen und Ungarn wollen nicht aus der EU

Die Polen hingegen misstrauen den Russen nicht nur aus historischen Gründen. Jaroslaw Kaczynski, der starke Mann in Warschau, ist überzeugt, dass die Ursache des Flugzeugabsturzes, bei dem sein Zwillingsbruder ums Leben kam, kein Pilotenfehler, sondern ein Attentat des russischen Geheimdiensts war.  

Die Visegrad-Rebellen haben mit einem weiteren Handicap zu kämpfen: Gerade diese Länder sind in hohem Mass auf die Unterstützung durch die EU angewiesen. Trotz Flüchtlingskrise ist die Stimmung in diesen Ländern nach wie vor europafreundlich. Eine Umfrage des Pew-Instituts hat im vergangenen Juni ergeben, dass von allen Mitgliedern ausgerechnet die Polen und die Ungarn die beste Meinung von der EU haben.  

Angela Merkel – wer sonst?

Ohne Subventionen aus Brüssel läuft im Osten nichts. Gerade die Visegrad-Staaten sind auf eine funktionierende EU angewiesen – und sie wissen auch, dass derzeit Angela Merkel ihre beste Garantie ist, um Eurokrise und Brexit irgendwie zu meistern.

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144 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Denk nach
03.09.2016 11:09registriert Juli 2016
Ah, das ist nicht die Filmkritik eines Italo-Western?

Ich würde den Oststaaten die totale Freiheit geben.... Da ist die Tür.

Wenns um Kohle, Binnenmarkt und Subventionen geht machen sie die hohle Hand, ansonsten gibt es nur den Stinkefinger.
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Angelo C.
03.09.2016 12:38registriert Oktober 2014
Man wird erst in einigen Jahren definitiv über die europaweiten und innerdeutschen Auswirkungen von Merkels Willkommenskultur, aber auch über die mögliche Berechtigung und die Konsequenzen des alternativen Verhaltens der Visegard-Staaten abschliessend urteilen können.


Was ich jedoch schon heute recht penibel finde, sind die in letzter Zeit vermehrt reisserischen und oft total überrissenen Titel von WATSON-Storys und Kommentaren. Will man neuerdings wirklich bloss noch eine linkslastige Filiale des reinen Boulevard-Journalismus, im BLICK-Stil, somit für einfachste Ansprüche, werden 🤔?
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FrancoL
03.09.2016 10:12registriert November 2015
Orban sagt:
" Auf den Trümmern kann dann ein neues Europa errichtet werden, das auf Familie, Nation und Christentum basiert.»

Soll das wirklich die Zukunft der EU sein?

Eine EU die am Weltmarkt bestehen kann und eine Gemeinschaft bildet?

Was mich stört ist das wieder hochleben lassen des Christentums, also wieder verbandeln von Kirche und Gesellschaft und dann das Credo an die "Nation", das kann nicht eine Basis sein.
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