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Trumps Kampagne gegen Huawei ist kontraproduktiv und unamerikanisch

Huawei vs. Trump (Combo)
US-Präsident Trump greift den chinesischen Telekom-Giganten Huawei an. Bild: Keystone/watson

Darum ist Trumps Kampagne gegen Huawei ein Schuss ins eigene Bein

29.06.2019, 20:5530.06.2019, 14:02
Philipp Aerni
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Die amerikanische Regierung versucht derzeit, die Welt davon zu überzeugen, dass China der neue Hauptfeind des Westens ist. Dies wird damit begründet, dass sich das Land auf weltweitem Expansionskurs befinde, ohne sich dabei um Demokratie und Menschenrechte oder faires Verhalten im globalen Technologiewettbewerb zu kümmern.

Die Industriespionage sowie die Nichtbeachtung der US-Sanktionen gegen Iran durch chinesische Firmen wird als Sicherheitsrisiko der USA nicht länger geduldet. Indem die Sanktionsmassnahmen hauptsächlich die Firma Huawei treffen, soll ein Exempel statuiert werden.

Die Schweizer Presse scheint für einmal Verständnis zu zeigen für das Vorgehen des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Seine Massnahmen werden als längst fälliger Schritt in die richtige Richtung gelobt, um China seine Grenzen aufzuzeigen. Huawei wird dabei als «Spitze des Eisbergs» bezeichnet.

Inwieweit wirken solche Weckrufe gegenüber der «gelben Gefahr» glaubwürdig? Das hängt wohl auch davon ab, wie viel Glaubwürdigkeit der Administration von Donald Trump geschenkt wird als Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten sowie als verlässlicher und fairer Player in ihren politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Rest der Welt. In der Schweizer Bevölkerung scheint jedenfalls das Misstrauen gegen die amerikanische Regierung momentan genauso gross zu sein wie gegen die chinesische Regierung.

Dr. Philipp Aerni
ist Direktor des Zentrums für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit (CCRS) an der Universität Zürich. Das CCRS wird von einer Stiftung getragen, die je zur Hälfte von der ZKB und von der Universität Zürich finanziert wird. Aerni besitzt ein Mobiltelefon von Huawei, hat ansonsten aber keinerlei Verbindungen zu diesem Unternehmen.

Die Vorliebe von Donald Trump für autoritäre Herrscher und mittelalterliche, aber mit Ölreichtum gesegnete Regimes, und seine Verachtung des regelbasierten Multilateralismus im Handels- und Umweltbereich sind klare Indizien dafür, dass er die erfolgreiche Telekommunikationsfirma Huawei wohl kaum aus moralischen Bedenken gegenüber dem autoritären System Chinas auf eine schwarze Liste gesetzt hat. Vielmehr geht es um die Technologieführerschaft in einer wichtigen Zukunftsindustrie und um eine US-Machtdemonstration bezüglich der Durchsetzung extraterritorialer Rechtssetzung.

Der Kollateralschaden von Trumps Aussenwirtschaftspolitik für die USA macht sich vielleicht nicht unmittelbar an der Börse bemerkbar, doch langfristig wird seine Politik den technologischen Rückstand der USA gegenüber China eher vergrössern als verkleinern, denn seine Reaktion ist denkbar unamerikanisch. Während der Sputnikkrise Ende der 1950er Jahre investierte die USA massiv in die eigene Forschung und Entwicklung, um den befürchteten technologischen Rückstand gegenüber der Sowjetunion aufzuholen. Die Aufholjagd lohnte sich, denn die Amerikaner wussten, dass ihre Stärke im Pioniergeist liegt; davon profitiert das Land noch heute, nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich.

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Indem sich die Trump-Regierung auf Huawei einschiesst, richtet sie sich genau gegen die Tugenden, welche die USA selbst verkörpern. Mit anderen Worten, sie attackiert das Beste und nicht etwa das Schlechteste an China. Der Hauptsitz von Huawei liegt in der Sonderwirtschaftszone Shenzhen. In den letzten 30 Jahren hat sich diese Region von einem Fischerdorf zu einer der innovativsten Millionenstädte der Welt entwickelt. Dies nicht zuletzt dank der Tatsache, dass sie von Migranten aufgebaut wurde, die der hierarchischen Kultur und der wirtschaftlichen Misere im ländlichen China entkommen wollten, um ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten zu können.

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In diesem Ökosystem konnte eine innovative Firma wie Huawei prosperieren und zu einem Giganten im globalen Markt der Telekommunikation aufsteigen. Dabei trägt die Firma massgeblich zur Bereitstellung von öffentlichen Gütern in Shenzhen bei. Sie macht es direkt oder indirekt möglich, dass alle Bewohner vom wirtschaftlichen Erfolg profitieren, denn das Unternehmen ist nicht an der Börse, sondern im Besitz der Mitarbeitenden. Als solches repräsentieren Shenzhen und Huawei die Tugenden der Gründerväter der USA viel mehr als die Trump-Regierung selbst. Das unternehmerische Shenzhen lässt sich nicht mit dem autoritären Peking gleichsetzen.

Klar hat China nicht immer nach den Regeln des Westens gespielt, wenn es um die Aneignung von neuen Technologien und Know-how ging, doch welche frühere aufstrebende Wirtschaftsmacht im Westen hat den Schutz von geistigem Eigentum wirklich am Anfang respektiert? Die Schweiz und die USA können dies auf jeden Fall nicht von sich behaupten.

Klar ist auch, dass China keine Demokratie ist und die kommunistische Partei alles unternimmt, um politische Konkurrenz zu unterdrücken. Doch ein Blick in das Europa des 19. Jahrhunderts zeigt, dass die damaligen autoritären Elite-Regimes in England, Deutschland und Frankreich keineswegs unzimperlicher vorgegangen sind, um die Industrialisierung möglich zu machen. In vielerlei Hinsicht standen damals die wirtschaftlichen und nicht die politischen Rechte im Vordergrund.

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Doch dies änderte sich mit dem Aufkommen einer wirtschaftlich emanzipierten Mittelschicht, die zunehmend auch politische Rechte einforderte. Davon mag in China vielleicht noch keine Rede sein, doch die chinesische Regierung ist sich sehr wohl bewusst, dass es eine chinesische Öffentlichkeit gibt, die bestimmte Erwartungen hat, was die Regierungsführung betrifft.

In der Tat ist China – trotz der wirtschaftlichen Expansion nach Südostasien, Afrika, Lateinamerika und zunehmend auch Europa – nach wie vor primär mit sich selbst beschäftigt. Historisch gesehen war China auch nie ein Land, das auf aggressive Eroberungszüge ging, sondern vielmehr selbst erobert wurde; wobei die Eroberer sich meistens der chinesischen Kultur angepasst haben und nicht umgekehrt.

Das kann sicherlich nicht von den USA im 20. Jahrhundert behauptet werden. Ursprünglich geprägt von einem tiefen Misstrauen gegenüber dem europäischen Imperialismus, wurde die USA nach dem Zweiten Weltkrieg selbst zur imperialen Supermacht, wobei Europa für die dadurch geschaffene Pax Americana dankbar sein muss.

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Viele Länder im Süden erlebten in der Zeit des Kalten Krieges die USA allerdings nicht als Schutzmacht für Menschenrechte und Demokratie, sondern vielmehr als Förderer von autoritär geführten Vasallenstaaten. Dadurch haben die USA auch den Nährboden für die Konflikte nach dem Kalten Krieg gelegt. Indem radikale islamische Fundamentalisten beispielsweise während des Kalten Krieges als verbündete Guerilla-Kämpfer aufgerüstet wurden, wurden später professionell geführte islamische Terrororganisationen erst möglich. Diese wendeten sich schliesslich gegen die USA und ihre Verbündeten im Nahen Osten.

Zu diesen Vasallenstaaten gehört nach wie vor auch Saudi-Arabien, ein Gottesstaat mit mittelalterlichen Strukturen, der von Demokratie und Menschenrechten noch viel weniger wissen will als China und ausserdem die Welt während langer Zeit nicht mit dem Export von günstigen und zugleich innovativen Produkten, sondern mit dem Export eines gewaltbereiten und selbstgerechten islamischen Fundamentalismus «beglückt» hat.

Trump scheint das alles nicht zu kümmern, denn für ihn gilt nach wie vor das Prinzip aus dem Kalten Krieg «the enemy of my enemy is my friend». Er sieht aber nicht nur den Krieg, sondern auch den Handel als Nullsummenspiel an nach dem Motto «China hat den Westen übers Ohr gehauen». Doch umgekehrt könnten auch die Chinesen behaupten, dass sie es waren, die durch ihre harte Arbeit zu Tiefstlöhnen und den Konsum von westlichen Gütern die Wirtschaft bei uns am Laufen hielten.

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Schliesslich wäre noch festzuhalten, dass Trumps Wunsch, die globale Wirtschaft mit all ihren gegenseitigen Abhängigkeiten wieder zu entflechten, nur Verlierer produzieren kann. Am Ende führt dies auch dazu, dass die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu einer Farce werden, denn diese können nur erreicht werden, wenn die Grossmächte zu kollektivem Handeln bereit sind. Wenn es nämlich um skalierbare Lösungen in der Bekämpfung von Armut und Umweltverschmutzung geht, hat China einiges zu bieten.

Eine kulturübergreifende Zusammenarbeit ist jedoch nur möglich, wenn die wahre Bedrohung dieses Planeten erkannt wird, nämlich die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch kurzfristiges Handeln. Schlussendlich sitzen wir alle im selben Boot.

Huaweis Falt-Smartphone Mate X kostet 2500 Franken

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quelle: epa/epa / aleksander plavevski
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Video: srf
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53 Kommentare
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29.06.2019 21:03registriert August 2015
«Dies wird damit begründet, dass sich das Land auf weltweitem Expansionskurs befinde, ohne sich dabei um Demokratie und Menschenrechte oder faires Verhalten im globalen Technologiewettbewerb zu kümmern.»
China hat mit den USA da auch einen sehr guten Lehrmeister!
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sägsäuber
29.06.2019 21:56registriert Oktober 2017
An alle die sich vo fremden Richtern fürchten:
Unsere Daten werden von US Internetfirmen abgesaugt, das US GPS registriert unsere Spuren, Cisco u.a. haben Zugriff auf unsere Kommunikation, kein FA 18 hebt ab, wenn es die USA nicht will, etc. etc.
Spielt keine Rolle, die USA sind ja die „Guten“!
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FrancoL
29.06.2019 21:09registriert November 2015
Hat da Trump bei der Argumentation an das Verhalten der USA gedacht?
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