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Wer Donald Trump immer noch als harmlosen Politclown abtun will, lebt auf einen anderen Planeten. Spätestens seine Reaktion auf das Massaker von Orlando hat gezeigt, wie er als Präsident reagieren würde: Mit Angstmacherei, Hetze gegen Muslime und Mexikaner und mit Lügen.
In Europa sieht es nicht besser aus. Russische Fussball-Hooligans erinnern an SA-Trupps und werden dafür von ihrer Regierung nicht nur gebilligt, sondern sogar noch gelobt. In England verbreitet die Boulevardpresse schamlos frei erfundene Lügen über einen kurz bevorstehenden EU-Beitritt der Türkei, während in Österreich ein rechtsextremer Populist beinahe zum Präsidenten gewählt worden wäre.
Es geht nicht darum, den Faschismus-Knüppel aus dem Sack zu ziehen. Doch die Parallelen zur Entwicklung in den Zwischenkriegsjahren mehren sich in erschreckendem Ausmass. Allerdings: Damals waren die ökonomischen Umstände völlig verschieden. Es herrschte Hunger und Massenelend. Heute hingegen erfolgt der rechtsextreme Vormarsch in wirtschaftlich viel besseren Zeiten. Zu Recht spricht man deshalb von einem Wohlstandsfaschismus.
Wie der traditionelle Faschismus wird auch der Wohlstandsfaschismus des 21. Jahrhunderts unterschätzt. Obwohl inzwischen klar geworden ist, dass Donald Trump kein Politclown, sondern ein gefährlicher Soziopath ist, wiegt sich das Establishment der Republikaner nach wie vor in der Illusion, ihn in den Griff zu bekommen. Mit Ausnahme von Mitt Romney und der Familie Bush wird er von den Parteigrössen mehr oder weniger enthusiastisch unterstützt.
Die Rechtfertigung dazu lautet: Trump hält die dumme Masse bei Laune. Würde er ins Weisse Haus einziehen, dann wäre er jedoch unfähig zu regieren und müsste sich dann auf Männer wie Paul Ryan verlassen.
Der Sprecher des Repräsentantenhauses ist nach wie vor der Hoffnungsträger der klassischen Republikaner. Soeben hat er sein Wirtschaftsprogramm veröffentlicht. Es liest sich wie der feuchte Traum eines neoliberalen Ökonomen: Deregulierung, Abbau von Sozialleistungen, Steuersenkungen und die Abschaffung der Umweltbehörde.
Trump hingegen setzt auf Strafzölle gegen China und Mexiko, auf «american first» und schamlosen Protektionismus. Damit hat er die Gunst des unteren weissen Mittelstandes erobert. Die Vorstellung, dass er – einmal im Oval Office angekommen – dies alles wieder über Bord werfen würde, ist naiv und erinnert an das Verhalten des deutschen Grossbürgertums gegenüber Hitler. Er wurde ebenfalls zunächst als nützlicher Idiot betrachtet, der mit den Kommunisten aufräumt und danach wieder verschwindet. Daraus ist bekanntlich nichts geworden.
Auch die Europäer zeigen sich lernresistent gegenüber der Geschichte. Der Vormarsch der Rechtsextremen in Ungarn, Polen und der Slowakei wird mit dem Demokratie-Defizit im Osten erklärt und man hofft, dass sich dies wie eine Kinderkrankheit auswachsen wird. Doch mittlerweile überholen in Frankreich, Deutschland und Holland rechtsextreme Parteien die traditionellen Volksparteien in der Wählergunst. Ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht.
In der Schweiz wähnen wir uns gegen rechtsextreme Entwicklungen gefeit. Selbst Christoph Blocher hat sich kürzlich von Front National, AfD und FPÖ distanziert. Nur: Wer glaubt’s? Rechts von der SVP gibt es inzwischen nur noch die Wand. Schlagzeilen machen Männer wie der «Mini-Trump» Andreas Glarner, während Roger Köppel, Blochers ungekrönter Nachfolger, in regelmässigen Abständen die Schamgrenzen der Politik neu vermisst.
Die neuen Wohlstandsfaschisten sind gut organisiert und treffen sich zum Gedankenaustausch. Vordenker wie der Franzose Alain de Benoist haben die Vision eines modernen europäischen Faschismus entwickelt. Der Vormarsch der neuen Rechten ist mehr als die Summe der Aktionen von unbelehrbaren Ewiggestrigen. Dahinter steckt eine Strategie mit dem Ziel eines Europas mit nationalistischen, autoritären Staaten.
«Was wir erklären müssen, ist nicht, weshalb die Populisten so grossen Aufwind verspüren, sondern warum es so lange gedauert hat», stellt Francis Fukuyama in der neusten Ausgabe von «Foreign Affairs» fest. Wie beim Menetekel des babylonischen Regenten Belsazar ist die Schrift an der Wand, die den nahen Untergang verkündet, sichtbar geworden. Die Zeiten, in denen man neutral bleiben konnte, sind vorbei.