Im Wahlkampf pflegte Norbert Hofer von den rechtsextremen Freiheitlichen seinen grünen Gegenspieler Alexander Van der Bellen mit dem Spruch zu verhöhnen: «Ihr habt die haute volée (die feine Gesellschaft) hinter euch, ich habe das Volk hinter mir.» Mit der typischen Populisten-Keule drosch Hofer nicht nur auf Van der Bellen, sondern auch auf Mainstream, Intellektuelle, Künstler und Wissenschaftler ein, auf die vermeintliche Elite, die sich von den «gewöhnlichen» Menschen meilenweit entfernt haben soll.
Diesmal hat es nicht geklappt. Die Österreicher haben am vergangenen Sonntag die Brexit- und Trump-Gesetzmässigkeiten auf den Kopf gestellt: Hofer führte in den Meinungsumfragen, und Van der Bellen gewann die Wahl, und zwar deutlich.
Rein sachlich betrachtet ist das von untergeordneter Bedeutung, der österreichische Präsident hat vor allem repräsentative Aufgaben. Symbolisch gesehen jedoch ist dieser Sieg extrem wichtig. Die Rechtspopulisten haben eine schmerzhafte und unerwartete Schlappe erlitten. Ähnlich wie bei der Durchsetzungs-Initiative hat sich eine «Koalition der Anständigen» gegen die Wutbürger durchgesetzt.
Mehr als ein Etappensieg ist es allerdings nicht. Linksliberale, Sozialdemokraten und Grüne werden weiterhin defensiv agieren müssen und das Erreichte – Sozialstaat, Chancen- und Meinungsfreiheit – energisch gegen Rassismus, Nationalismus und Frauenhass verteidigen müssen.
2017 könnte dabei zum Schicksalsjahr werden. In Frankreich, Deutschland und den Niederlanden stehen Wahlen an. Weil die Bürgerlichen mit François Fillon eine französische Version von Margaret Thatcher ins Rennen schicken, sind die Chancen für Marine Le Pen stark gestiegen. In Holland führt der rechtsextreme Geert Wilders in allen Meinungsumfragen. Ob Angela Merkel Kanzlerin bleiben oder ihren Hillary-Clinton-Moment erleben wird, lässt sich derzeit kaum abschätzen.
Eine Schlüsselrolle wird auch Italien spielen. Nach der Niederlage beim Referendum ist Premierminister Matteo Renzi zurückgetreten. Politisch gesehen wird dies verkraftbare Auswirkungen haben – wahrscheinlich wird eine technokratische Übergangsregierung ernannt werden – doch wirtschaftlich droht Gefahr: Die Sanierung der Bank Monte dei Paschi di Siena ist gefährdet. Um eine Kettenreaktion zu vermeiden, muss die älteste Bank der Welt möglicherweise gar verstaatlicht werden.
Für die Rechtspopulisten ist der Euro an fast allem Schuld, was auf dem alten Kontinent ökonomisch schief läuft. Sie unterschätzen dabei die Widerstandskraft der Einheitswährung. Der Euro mag nicht geliebt werden, Meinungsumfragen zeigen aber auch heute noch, dass die Mehrheit in den wichtigen EU-Staaten ihn nicht abschaffen will.
Dazu kommt, dass er sich kaum abschaffen lässt. Wäre dies einfach möglich, dann wäre dies 2012 auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise bereits geschehen. Eine Rückkehr zur alten Währungsschlange in der EU ist jedoch technisch praktisch unmöglich und hätte politische Konsequenzen, die sich nicht abschätzen lassen. (Man stelle sich beispielsweise vor, die Italiener würden ihre Schulden bei deutschen Banken mit Lire begleichen.)
Die Euro-Frage steht denn bei den Rechtspopulisten gar nicht mehr im Zentrum. Das zeigt sich etwa bei der AfD. Gegründet wurde sie als Anti-Euro-Partei. Erst seit sie den Parteigründer in die Wüste geschickt hat und voll auf die Karte Ausländer/Islam setzt, ist sie so richtig in Fahrt gekommen.
Auch in der österreichischen Präsidentenwahl ging es nicht primär um die Wirtschaft, sondern um die kulturellen Werte. Geschlecht, Rasse und Religion entscheiden heute die Wahlen, wie der Sieg von Donald Trump gezeigt hat. Auf diesem Gebiet hat die Koalition von Linksliberalen, Sozialdemokraten und Grünen noch grosse Defizite. Darüber kann auch der Sieg von Van der Bellen nicht hinwegtäuschen.