Zuerst war er Finanzchef des Versicherungskonzerns Zurich, dann wurde er befördert und 2009 zum CEO ernannt. Vergangenen Herbst endete die Karriere von Martin Senn abrupt. Er verliess die Firma überraschend. Damals hiess es, der Druck der Investoren sei nach enttäuschenden Ergebnissen zu gross gewesen. Nun hat der 59-Jährige in Klosters Suizid begangen. Senn hinterlässt zwei erwachsene Kinder und seine Ehefrau. Dem Blick sagte ein Bekannter, der Machtverlust habe Senn schwer getroffen. Er soll depressiv gewesen sein und sich nicht mehr am gesellschaftlichen Leben beteiligt haben. Vor seinem Rücktritt trübten ein Gewinneinbruch sowie eine nicht zustande gekommene Übernahme sein Amtsjahr.
Dass die Luft in den höheren Etagen grosser Konzerne bei uns dünn ist, belegt diese traurige Liste von Suiziden:
Die Gründe waren verschiedene, viel wurde darüber spekuliert.
Beim Finanzkonzern Zurich ist es der zweite Suizid innerhalb der letzten drei Jahre. 2013 war es der damalige Finanzchef Pierre Wauthier, der Suizid beging. Er war 53 Jahre alt. Der Fall sorgte für grosses Aufsehen. Zu diesem Zeitpunkt war Josef Ackermann Verwaltungsratspräsident – er wurde hart kritisiert. Kurz nach Wauthiers Selbstmord trat Ackermann zurück und liess sich von all seinen Funktionen entbinden.
Ackermann und Wauthier waren nicht immer einer Meinung. In einem Abschiedsbrief warf Wauthier Ackermann vor, ein unerträgliches und druckgeladenes Arbeitsumfeld geschaffen zu haben. Ackermann habe Kollegen respektlos behandelt. Ackermann wies jegliche Verantwortung für den Suizid des Finanzchefs von sich: «Dass ich in einem Brief verantwortlich oder mitverantwortlich gemacht werde, muss ich in aller Entschiedenheit zurückweisen», betonte Ackermann.
Auch eine Untersuchung einer Kanzlei, welche die Zurich in Auftrag gegeben hatte, kam zum Schluss, dass der Arbeitgeber nicht zu viel Druck auf Wauthier ausgeübt habe. Übrigens war es ausgerechnet der jetzt aus dem Leben geschiedene Senn, der damals an einer Konferenz den Analysten und Journalisten zum Suizid von Wauthier Red und Antwort stand. Er sagte, Wauthier habe exzellente Arbeit verrichtet. Und: «Es gibt keinen Link zwischen den vorgefallenen Ereignissen und dem Geschäft der Zurich-Versicherung.»
So oder so. Das Leben der Chefs wird härter. Dies belegen nicht nur Studien, auch Top-Manager sagen es. Zeit Online zeigte dies 2014 anlässlich der nahe aufeinanderfolgenden Suizide des Zurich-Finanzchefs Wauthier und des Swisscom-Chefs Schloter auf. Im Bericht heisst es, der Druck sei in den letzten zehn bis 20 Jahren enorm gewachsen. Investoren forderten mehr denn je gute Zahlen, übers Internet baue sich in Minuten Kritik auf.
CEOs stehen heute im Fokus der Öffentlichkeit. Der Deutsche Eugen Buss, der das Umfeld in Chefetagen analysiert hat, sagt im selben Artikel: «Heute belastet der gesteigerte öffentliche Wahrnehmungsdruck nach zahlreichen moralischen Verfehlungen viele Manager. Sie müssen nun aus ihrer Sicht rein ökonomische Fragen auch nach moralischen Kriterien bewerten.» Die Manager bräuchten die Zustimmung von aussen, dass sie dabei Menschen entlassen und hohe Boni kassieren, finde die Gesellschaft aber nicht in Ordnung. Das führe dazu, dass sich Top-Manager abkapseln, Probleme bekommen; im Extremfall Suizid begehen.
Die «Zeit» lässt auch Oswald Grübel, den ehemaligen CEO der Credit Suisse und Vorstandsvorsitzenden der UBS, ausführlich zu Wort kommen. Er sei noch einer der letzten CEOs der alten Schule gewesen. Heute würde er nicht mehr CEO werden wollen. «So einen Job wollen heute nur noch wenige machen, weil man bei Fehlern mit rechtlichen Konsequenzen rechen muss.» Weiter gab er zu Protokoll: Als CEO sei es unmöglich, Familie und auch noch Freizeit zu haben – wenn man den Job richtig machen wolle. «Wenn ich nach Hause kam, kannte mich nicht einmal mehr unser Hund.» (feb)