Der Österreicher René Benko hat mit seiner Signa Holding ein riesiges Imperium geschaffen und so Milliarden verdient. Investitionen und Beteiligungen von Signa lassen sich auch in der Schweiz finden. Steigende Zinsen machen dem Konzern nun seit geraumer Zeit zu schaffen, und das belastet auch einen der grössten Geldgeber des Konzerns: die Privatbank Julius Bär, die jetzt um ihren hervorragenden Ruf kämpfen muss.
Das Signa-Desaster einfach erklärt:
René Benko ist mit dem Aufbau der Signa Holding zum Multimilliardär geworden. Seinen Erfolg hat der heute 45-Jährige unter anderem seinem Verkaufstalent zu verdanken, er versteht es, grosse Investoren zu überzeugen, die daraufhin seine Projekte mitfinanzieren. Benko gilt trotz zahlreicher Bekanntschaften zu hochrangigen Politikern als medienscheu, er hat insgesamt fünf Kinder, darunter vier mit seiner zweiten Ehefrau.
Benkos Werdegang liest sich als klassische Aufstiegsgeschichte: Als 17-Jähriger war er nicht zur Matur zugelassen, er hatte zu viele Fehltage und konnte die von ihm besuchte Handels- und Wirtschaftsakademie nicht abschliessen. Das stand Benko aber nicht im Wege, denn für ihn war früh klar: Er will in die Immobilienbranche einsteigen.
Zusammen mit dem Tankstellen-Erben Karl Kovarik gründete Benko die Signa Holding – zunächst noch unter dem Namen Immofina Holding – im Jahr 2001. Das Businessmodell: Immobilien kaufen, renovieren und teuer weiterverkaufen. Mit dem Gewinn sowie mit frischem Fremdkapital von Investoren wurden die Projekte immer grösser und zahlreicher. Benko renovierte und verkaufte über die Jahre zahlreiche Immobilien, baute neue oder vergrösserte mit Käufen sein Portfolio.
Hinzu kam dort bald der Erwerb von namhaften Immobilien (oder deren Anteile) wie das Berliner Kaufhaus «KaDeWe», das Chrysler-Building in New York oder die Warenhauskette Karstadt. Heute ist die Signa Holding Österreichs grösstes privates Immobilienunternehmen.
Im Laufe der Zeit investierte Benko aber nicht nur in klassische Immobilienprojekte, er erwarb oder erstellte auch Luxushotels, eine Sportartikelplattform, eine Möbelkette, Detailhändler und später sogar Medien. Bald einmal galt die Signa Holding als kompliziertes Konstrukt mit über tausend Einzelgesellschaften. Als einer der drei Kerngeschäftsbereiche gilt – neben Signa Retail und Signa Media – die sogenannte Signa Real Estate, eine Art Unterbereich oder Tochterfirma der Signa Holding.
Anfang 2020 übernahm Signa Real Estate gemeinsam mit dem thailändischen Mischkonzern Central Group je zur Hälfte die Schweizer Globus-Gruppe. Die Migros, in deren Hand die Globus-Gruppe seit 1997 lag, wollte mit der Begründung, die gehobene Warenkette passe nicht zu ihrem Kerngeschäft, als Besitzerin aussteigen. Die neuen Besitzer hingegen wollten Globus noch luxuriöser machen: Die Warenhäuser und insbesondere die Liegenschaften sollten renoviert werden und ihren Fokus noch stärker auf das Luxussegment richten.
Zwar ist es bis heute nicht bestätigt, aber es war mit ziemlicher Sicherheit die Übernahme der Globus-Gruppe, für die der Signa-Konzern bei der grössten Schweizer Privatbank, Julius Bär, Geld aufnahm. Und zwar nicht wenig, wie sich erst viel später, nämlich vergangenen Montag, herausstellen sollte: Insgesamt vergab die Privatbank sogenannte strukturierte Kredite im Umfang von 606 Millionen Franken an Signa. Julius Bär wurde damit zu einem der grössten Gläubiger des österreichischen Konzerns.
Warum tat die Privatbank das? Schliesslich kommt es einem Klumpenrisiko gleich, denn die nächst grösseren Schuldner bei der Bank haben Kapital etwa in der Höhe eines Drittels der Schulden von René Benkos Signa aufgenommen.
Der Grund sind die Margen und schliesslich die Profite. Bei diesen strukturierten Krediten handelt es sich um eine komplexe Art von Finanzierung; sie geht mit verschiedenen Verträgen über die normale Kreditvergabe hinaus und kommt oft bei Beteiligungen oder Übernahmen von Firmen zum Zug. Wichtig ist: Für eine Bank lohnt sich diese Art von Geschäft, da darauf deutlich höhere Zinsen verlangt werden können.
Üblicherweise ist bei solchen Krediten die Schuld bei der Bank abgesichert. Oft werden dabei zum Beispiel Wertpapiere oder andere Posten der Bank hinterlegt. Der Besitz dieser Sicherheiten geht im Falle eines Zahlungsausfalls an die Bank über. Im Falle von Signa, und auch das wissen wir erst seit Montag, ist Julius Bär im Besitz von «mehreren Paketen von Sicherheiten in Verbindung mit Gewerbeimmobilien und Luxuseinzelhandel».
Und damit zurück zum Geschäft von Signa: In den Jahren nach der Corona-Pandemie und während des Kriegs in der Ukraine machten dem Konzern Probleme zu schaffen, die während dieser Zeit für viele Unternehmen zum grossen Stresstest wurden: Das Zinsumfeld steigt.
In Zeiten historisch tiefer Zinsen, in denen auch Signa seine grosse Expansionsfahrt unternahm, laufen Immobiliengeschäfte besonders gut. Die Kreditaufnahme ist billig und meistens bedeuten tiefe Zinsen steigende Immobilienpreise. Der Grund: Es lohnt sich aufgrund tiefer Hypotheken und geringerer Zinskosten, in Immobilien zu investieren – die Nachfrage steigt, und damit ebenso die Preise.
Da das Kerngeschäft der Signa Holding auf Immobilien beruht, geriet der Konzern unter Druck: Kredite wurden teurer, Immobilien hatten teilweise weniger Wert und aufgrund der Lieferengpässe verteuerten sich die Baukosten massiv.
Die Turbulenzen rund um den Signa-Konzern schlagen nun seit einigen Wochen hohe Wellen. Einzelne Teile des Imperiums mussten mittlerweile Insolvenz anmelden. Signa sucht dringend neue Geldgeber: Bis Mitte des nächsten Jahres sollen Darlehen von über 1,5 Milliarden Euro fällig sein.
Gemäss einer Analyse der US-Grossbank J.P. Morgan schuldet Signa diversen Banken und Investoren insgesamt 13 Milliarden Euro. Allerdings: Es ist für diese Gläubiger äusserst schwierig einzuschätzen, wie hoch das Ausfallrisiko genau ist – zu gross ist die Intransparenz, zu kompliziert die Struktur des Signa-Imperiums.
Derweil fällt es dem Konzern immer schwerer, seine Tochtergesellschaften mit Geld zu versorgen. Seit einem Monat steht wegen nicht gezahlten Rechnungen die Baustelle beim Elbtower in Hamburg still – ein Prestigeprojekt von Signa. Der «Spiegel» schreibt gar: «Der Zusammenbruch der Signa-Gruppe des österreichischen Immobilien- und Kaufhausunternehmers René Benko hat begonnen.»
Anfang November kündigte Benko unter dem Druck von Mitgesellschaftern seinen Rückzug als Vorsitzender des Beirates der Signa Holding an, blieb aber über seine Familienstiftung Mehrheitseigentümer. Bereits 2012 tritt der 45-Jährige wegen der Verurteilung in einer Korruptionsaffäre von seinen operativen Funktionen zurück.
Am Montag fühlte sich Julius Bär als Gläubigerin schliesslich genötigt, zu informieren. Wohl einer der Gründe: Die Aktie verliert seit gut einer Woche massiv an Wert – ein Zeichen des Vertrauensverlusts, der mit den Spekulationen rund um die Kreditvergabe an Signa zusammenhängen dürfte. Mit ihrer Medienmitteilung wagte die Bank «die Flucht nach vorn», wie SRF schreibt. Sie legte offen, wie viele Schulden die Signa-Gruppe bei ihr hat (auch wenn sie diese namentlich nicht nennt). Die Bank erklärte aber auch, dass sie im Falle eines Totalverlusts bei Signa noch genügend abgesichert wäre, sie also über ausreichend Eigenkapital verfügt.
Julius Bär teilte aber auch mit, dass man bereits in den letzten Wochen Rückstellungen im Wert von 70 Millionen habe tätigen müssen. Was bedeutet das? Zum Ausgleich von Ausfallrisiken – die natürlich immer bestehen – schätzt eine Bank die Höhe der zu erwartenden Kreditausfälle und bildet eine entsprechende Rückstellung. Mit diesen Rückstellungen, die in der Regel über das Eigenkapital finanziert werden, weisen Banken Kreditausfälle vorzeitig in ihren Bilanzen aus. Mit anderen Worten: Julius Bär rechnet damit, dass Signa zumindest einen Teil des Kredites nicht zurückzahlen wird.
Julius Bär habe Massnahmen ergriffen, um seine Interessen zu schützen und den Wert der gestellten Sicherheiten zu erhalten, betonte das Finanzinstitut. Sofern weitere Wertberichtigungen erforderlich seien, werde man diese weiterhin «umsichtig» buchen, so Julius Bär.
Das Signa-Fiasko ist für Julius Bär also weniger ein finanzielles als vielmehr ein Risiko für den guten Ruf, den die Privatbank geniesst – man denke dabei an die Credit Suisse, die ebenfalls noch über genügend Mittel verfügte, deren Rufzerfall und damit der Abzug von Kundengeldern ihr aber am Ende zum Todesstoss wurde.
Mit der transparenten Kommunikation und der Veröffentlichung der Zahlen will Julius Bär primär die Finanzmärkte beruhigen. Das gelang ihr aber zumindest an diesem Tag noch nicht wirklich: Am Montag verlor die Aktie weiter an Wert, wenn auch nicht ganz so stark wie an den vorangehenden Tagen.
Signa sucht fieberhaft nach neuem Kapital. Offenbar will René Benko dazu Teile seiner Kunstsammlung (darunter ein Bild von Picasso sowie ein Selbstporträt des Künstlers Jean-Michel Basquiat) verkaufen.
Im Falle von Julius Bär besteht neben den möglichen Kreditausfällen eine weitere Unsicherheit: der (zukünftige) Wert der Sicherheiten, die sie ja von Signa erhalten hat. Was genau das für Produkte sind, ist unklar. Man kann aber davon ausgehen, dass es sich dabei um Sicherheiten handelt, die in naher Verbindung mit dem Konzern selbst stehen, also zum Beispiel Aktien von Tochtergesellschaften. Da es sich also nicht um viel stabilere Sicherheiten wie zum Beispiel Immobilien handelt, ist es möglich, dass gemeinsam mit dem Konzern auch die «Pakete von Sicherheiten» drastisch an Wert verlieren.
Sowohl für die Entwicklung der Globus-Gruppe als auch für Julius Bär hängt alles davon ab, inwiefern Benko mit Signa neues Geld findet und seinen Konzern über Wasser halten kann. Es kann also erwartet werden, dass sich in nächster Zeit einiges tut. Und die kommenden Tage dürften entscheidend sein.
Die Muttergesellschaft kauft sich mit fremdem Geld einige Tochtergesellschaften, nimmt diese aus ("Die Warenhäuser und insbesondere die Liegenschaften sollten renoviert werden und ihren Fokus noch stärker auf das Luxussegment richten.") und lässt sie dann hochverschuldet mit den Kreditgebern stehen.
Unsere tollen Gesetze stellen sicher, dass verwirrende Beteiligungskonstrukte möglich sind und natürlich niemand haftbar ist.
Ich liebe Kapitalismus!
Selbst wenn man ein extrem schlechter Geschäftsmann war, hat man noch Gewinne eingefahren. Die guten unter ihnen (oder die skrupellosen) haben gar astronomische Gewinne verbuchen können.
Diese Zeiten sind nun aufgrund der Zinswende vorbei.
Man muss schon extrem dumm (oder extrem skrupellos - oder beides) sein um sein ganzes Firmenimperium auf stetige Tiefstzinsen auszulegen.
P.S: Bei Männern mit Hermes Gürteln bin ich per se sehr skeptisch.