Wie werden die kriselnden Industrie-Unternehmen eine weltweite Rezession meistern? Diese Frage beschäftigt den Industrieverband Swissmem. Zumal wohl zugleich der Franken aufwertet. «Dann wird es wirklich eng», sagt der Direktor von Swissmem, Stefan Brupbacher.
Bereits in den letzten Jahren habe ein Drittel der Betriebe nicht genug Geld verdient. Nicht für diese werde es jedoch eng, Brupbacher spricht vom Werkplatz. Daran würden die Betriebe festhalten wollen, der Kampfeswille sei gross. «Aber wenn es einen Doppelschock gibt aus Rezession und Frankenaufwertung, kommen viele an ihre Grenzen.»
Dann hiesse es: Ab nach Deutschland! Dorthin zieht es bereits heute viel, warnt Swissmem. 2018 investierte die Wirtschaft rund zehn Milliarden Franken in Deutschland, ein Rekord. Tochterunternehmen werden gegründet, auch von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).
Swissmem erklärt dies so: In der Schweiz habe es in den vergangenen Jahren zu viele Unsicherheiten gegeben. Man will wohl nicht nochmals tatenlos zuschauen, wenn ein Frankenschock die Margen verschwinden lässt.
So weit ist es jedoch nicht. Mit der aktuellen Frankenaufwertung können viele Industrieunternehmen noch leben. Die nächste weltweite Rezession könnte noch lange auf sich warten lassen, auch wenn US-Präsident Donald Trump heute schon laut nach tieferen Zinsen ruft. Notenbank-Chef Jerome Powell muss besonderes Geschick beweisen, wenn er in Jackson Hole seine Rede hält, am jährlichen Stelldichein der Notenbank-Chefs.
Trump ist die inverse Zinskurve in die Knochen gefahren. «Crazy» sei diese Verdrehung. In den USA ist dieses Phänomen zu bestaunen, ebenso in der Schweiz.
Verdrehte Zinskurven gelten als Rezessions-Indikator. In den USA war vor den letzten sieben Rezessionen stets eine Verdrehung zu beobachten. Dennoch können verdrehte Zinskurven täuschen.
Die verdrehte Zinskurve in den USA zeigt nur, dass Investoren am Obligationenmarkt mit einer Rezession rechnen. Und sie wissen: Kommt es dazu, senkt die US-Notenbank die Zinsen. Dann erhalten sie morgen weniger Zins, als sie heute holen können. Also kaufen sie im grossen Stile noch zehnjährige Staatsanleihen, treiben damit deren Preise rauf und die Rendite runter.
So wird die Zinskurve verdreht: Zehnjährige Staatsanleihen werfen nicht wie üblich mehr Rendite ab, als es zweijährige Staatsanleihen tun – sondern weniger.
Verdrehte Zinskurven waren nur in den USA ein zuverlässiges Vorzeichen für Rezessionen. In der Schweiz, in Japan oder in Deutschland versagte sie, wie Ökonomen der Grossbank UBS feststellten. Und selbst in den USA gilt: Nach einer Verdrehung kam zehn Monate später eine Rezession – oder erst 36 Monate später. So lange mag niemand vor einer Rezession zittern.
Und selbst in den USA könnte die Zinskurve ihre Prognose-Macht verloren haben. US-Ökonomen haben festgestellt: Verdrehte Zinskurven könnten öfter vorkommen; auch, wenn keine Rezession bevorsteht.
Die Zeiten haben sich geändert. Die Zinsen sind generell tiefer. Der Unterschied ist ohnehin kleiner zwischen Renditen auf zehnjährige Staatsanleihen und Renditen auf zweijährigen Anleihen. Es kann eher zu Verdrehungen kommen.
Zinskurve hin oder her: Die Angst vor einer Rezession hat ihre Gründe. Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins bereits unter die Nullgrenze gedrückt. Was kann sie noch tun, wenn zum Beispiel Italiens Wirtschaft tiefer in die Krise fällt? Mario Draghi gibt sich unerschrocken, die Zentralbank könne noch viel tun. Doch die Angst vor noch höheren europäischen Negativzinsen ist ebenfalls gross.
In der Schweiz würde sich eine weltweite Rezession an allen möglichen Ecken und Enden zeigen. Mehr Geld flösse wieder in die Schweizer Sicherheit, der Franken würde sich aufwerten – und mancher Industriebetrieb würde nach Deutschland vor der Schweizer Unsicherheit flüchten.
Im Detailhandel kriselte es auch in den guten Jahren im Non-Food Sektor. In einer Rezession könnten sich im Kleiderverkauf neue Akteure einreihen in die Liste derer, die bereits aufgeben mussten: Bata oder Switcher, Companys oder Charles Vögele.
Die Arbeitnehmer könnten bei stärkerem Franken mehr in Deutschland einkaufen. Doch bei Shopping-Freuden bliebe es nicht. Die Löhne treffe es ebenfalls, so der Internationale Währungsfonds. Seine Ökonomen stellten fest: Auf starke Frankenaufwertungen folgen Lohnstagnationen, gemessen in Franken. Die Stagnation wird von Arbeitgebern durchgesetzt.
Ihre Schweizer Arbeitnehmer haben nach Aufwertungen zu hohe Löhne, wenn sie mit ihren Berufskollegen in Deutschland verglichen werden. Die Schweizer Betriebe sind nicht mehr konkurrenzfähig. Doch die Ökonomen des Währungsfonds haben auch eine frohe Botschaft: Bisher war die Schweiz trotz allem sehr stabil, verglichen mit der Eurozone.
YvesM
mrmikech