Wirtschaft
Schweiz

Wirtschaftsvertreter warnen vor Begrenzung der Zuwanderung

Wegen Babyboomern – Wirtschaftsvertreter warnen vor Begrenzung der Zuwanderung

26.06.2023, 14:0107.05.2024, 10:27
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Der Fachkräftemangel beschäftigt Schweizer Firmen seit Jahren, und er dürfte sich noch verschärfen. Hauptgrund ist die demografische Entwicklung: In den kommenden Jahren werden deutlich mehr Schweizerinnen und Schweizer in Pension gehen als Junge am Arbeitsmarkt nachrücken.

Vor diesem Problem warnten am Montag der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse und der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV). Sie wehren sich mit Blick auf die Herausforderung für Firmen beim Besetzen offener Stellen auch gegen die Pläne der SVP, die Zuwanderung einzudämmen.

Software-Entwickler bei der Arbeit (Symbolbild).
Der Fachkräftemangel dürfte sich noch weiter verschärfen.Bild: Shutterstock

Babyboomer gehen dem Arbeitsmarkt verloren

«Viele Unternehmen quer durch die Schweizer Wirtschaft bekunden grosse Schwierigkeiten, ihre offenen Stellen zu besetzen. Und die weiteren Aussichten sind düster», sagte Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder vor den Medien. Sorgen bereitet der Wirtschaft die grosse Zahl an Babyboomern, die in nächster Zeit pensioniert werden.

Diese wurden in der Nachkriegszeit in Jahren mit hohen Geburtenraten geboren. Jüngere Jahrgänge könnten den drohenden Wegfall dieser Generation vom Arbeitsmarkt längst nicht kompensieren, sagte Mäder. Die erwerbsfähige Bevölkerung schrumpfe ohne Berücksichtigung der Zuwanderung seit 2020 immer deutlicher.

Im Jahr 2029 wird laut Mäder die Zahl der in Pension gehenden Menschen jene der am Arbeitsmarkt eintretenden Jungen um über 30'000 Personen übertreffen. Und führe man die Rechnung weiter, dann dürften dem hiesigen Arbeitsmarkt selbst ohne weiteren Zuwachs an neuen Jobs bis 2040 kumuliert 431'000 Personen fehlen. Das seien 8 Prozent der heute erwerbstätigen Bevölkerung.

Zuwanderung dämpft das Problem

Eine Möglichkeit, um offene Arbeitsplätze zu besetzen, ist die Zuwanderung. Ohne ausländische Arbeitskräfte wäre die Schweiz nicht so erfolgreich, wie sie heute dastehe, hielt SAV-Präsident Valentin Vogt fest. Ohne sie stünden Baustellen still und Restaurants oder Spitäler hätten grosse Schwierigkeiten, den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen im Oktober wächst aber der Widerstand von rechts gegen die Zuwanderung. Allen voran die SVP plant, mit der Lancierung einer entsprechenden Initiative der Zuwanderung Grenzen zu setzen. Dagegen wehrt sich Vogt: «Wir werden weiterhin auf eine gezielte, arbeitsmarktorientierte Zuwanderung angewiesen sein.»

Für die Schweiz gelte es, die Personenfreizügigkeit mit den EU-/EFTA-Staaten zwingend beizubehalten, fordert Vogt, der an der morgigen Jahresversammlung sein Amt an Severin Moser übergeben wird. Zudem seien Kontingente aus Drittstaaten zu klein und sie sollten besser auf die Bedürfnisse der Wirtschaft zugeschnitten werden.

Produktivität steigern

Durch Zuwanderung allein kann das immer grösser werdende Manko am Arbeitsmarkt aber nicht behoben werden. Es müsse auch die Produktivität in der Schweizer Wirtschaft verbessert werden – und dazu bräuchten die Firmen gute Rahmenbedingungen, hiess es. Das bedeute unter anderem genügend Mittel für Forschung sowie weniger Regulierung.

Zudem müsse die Wirtschaft das inländische Arbeitskräftepotenzial noch besser nutzen, allen voran jenes der Frauen. Da allein lägen rund 300'000 Vollzeitstellen brach, so Vogt. Es brauche eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zudem fordern die Verbände den Staat dazu auf, das starke Stellenwachstum bei Bund, Kantonen und staatsnahen Betrieben einzudämmen. (saw/sda/awp)

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168 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Overton Window
26.06.2023 14:52registriert August 2022
Es gibt keinen Fachkräftemangel. Es hat nur zuwenige 25-30 Jährige mit Uni-Abschluss und 30 Jahren Berufserfahrung, die für 4000 Franken im Monat 150% arbeiten wollen.
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Clife
26.06.2023 16:03registriert Juni 2018
Diese Floskel geht mir so langsam auf den Senkel. Bildet potentielle Mitarbeitende halt aus, anstatt einen Fixfertigen zu erwarten. Investiert langfristig, als einen Fixfertigen zu erwarten. Nehmt mal einen „nur“ mit einer Ausbildung anstatt einem Bachelor, macht den Jobmarkt auf für Quereinstiege. Meine Fresse, die Führungskräfte sind teilweise halt wirklich bescheuert…Flexibilität, Lernbereitschaft und Freude macht es aus, nicht ein geradliniger Lebenslauf, der perfekt ist. Akzeptiert mehr ältere Mitarbeitende anstatt nur Junge.
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Ranger55
26.06.2023 15:15registriert April 2018
Die Ü50 haben (fast) keine Chance und Ü60 keine Chancen auf mehr auf eine Anstellung infolge der Lohnnebenkosten.

Als Zusatz fordert der Arbeitgeberverband längere Wochenarbeitszeiten und ein Rentenalter bis 70/71.

Irgendwie kann ich dies alles nicht mehr ernst nehmen.
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