Die First Republic Bank hat seit Anfang März, als die Silicon Valley Bank kollabierte, schon über 90 Prozent ihres Börsenwertes verloren. Und was danach noch übrig war, hat sich zuletzt nochmals nahezu halbiert. Die Bank hatte bekannt geben müssen, dass die Kunden gigantische Summen bei ihr abziehen: im ersten Quartal 2023 waren es um die 100 Milliarden Dollar.
Zum Vergleich: Bei der Credit Suisse flossen im vierten Quartal 2022 gut 110 Milliarden Franken ab – ein Ereignis, das die Finanzmarktaufsicht Finma «historisch einmalig» nannte. Im ersten Quartal zogen die Kunden nochmals 60 Milliarden Franken ab und die Credit Suisse war nicht mehr zu retten.
Die First Republic zählt zu den regionalen Banken in den USA, von denen laut dem «Wall Street Journal» viele unter einem Abzug von Kundengeldern leiden – allerdings in viel geringerem Ausmass. Die Sorge ist nun, dass diese Regionalbanken ihre Kreditvergabe stark drosseln müssen und damit das Wirtschaftswachstum bremsen. Gerade in ihren Stammgebieten sind Regionalbanken wichtig für Privatkunden und Unternehmen.
Möglicherweise kommt es zu einer Welle von Zusammenschlüssen, wie der «Economist» schreibt. In den USA hat es deutlich mehr Banken gemessen an der Bevölkerung als in der EU. Wenn diese kleinen und mittleren Banken nun höhere Zinsen bieten müssen, damit ihnen die Kundschaft nicht davonrennt, geraten ihre Gewinne unter Druck. Nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank dürfte es zudem schärfere Regeln für sie geben, was nochmals Kosten verursacht. Viele Banken könnten darum ihr Heil in Mergern suchen.
Mit der Silicon Valley Bank und nun der First Republic erleben die USA die Rückkehr von Bank Runs auf staatlich regulierte Banken. Warum sind Banken inhärent anfällig auf solche Runs?
Banken erhalten Geld geliehen von ihren Kunden, das diese jederzeit abheben können. Dennoch verleihen die Banken dieses Geld langfristig. Sie machen daraus Kredite an Betriebe, Hypotheken an Hauseigentümer, oder sie kaufen Staatsanleihen.
Das sind solide Werte, aber es braucht Zeit, sie wieder zu Geld zu machen. Darum wackelt jede Bank, wenn in einem Run viele Kunden zugleich ihr Geld zurückwollen. Banken sind also immer instabil. Aber wodurch werden Runs eigentlich ausgelöst?
Runs kann es selbst dann geben, wenn es keinen guten Grund dafür gibt. Das haben zwei Ökonomen aufgezeigt, die dafür 2022 den Nobelpreis erhielten. «Ein Run wird durch eine Verschiebung der Erwartungen verursacht, die von fast allem abhängen könnte.»
Blosse Gerüchte über eine angebliche Schieflage einer Bank können also genügen, und schon glaubt der Herr Meier, sein Geld abheben zu müssen, ehe es Müller, Rossi und Krasniqi tun und für ihn nichts mehr übrig bleibt. So kommt es zum Run, als sich selbst erfüllende Prophezeiung. Warum kommt es dann nicht ständig zu Runs?
Man hat zwei Gegenmittel gefunden, die lange gewirkt haben. Der Staat versicherte die Ersparnisse aller Kleinkunden, womit Meier nicht länger Müller und Rossi zuvorkommen muss, sobald es Gerüchte über eine Bank gibt.
Das zweite Gegenmittel ist, dass Zentralbanken zum «Lender of last Resort» werden, zu Kreditgebern der letzten Instanz. Bei ihnen erhalten Banken jederzeit Kredit, wenn sie Assets als Sicherheiten geben können.
In Panik-Zeiten tut dies sonst niemand - auch nicht gegen Assets, die in guten Zeiten jeder nimmt. Gibt es «Lender of last Resort», können Banken die Kunden auszahlen, ohne dafür ihre Assets verramschen zu müssen. Doch warum kommt es jetzt wieder zu Runs?
Die Kundschaft, welche die Banken gestürmt hat, war so gut wie gar nicht durch Einlagensicherungen gedeckt. Denn diese sind für Kleinkunden gedacht, die vergleichsweise wenig auf der Bank haben. In der Schweiz sind Beträge bis zu 100'000 Franken pro Kunde und Bank versichert, in den USA bis 250'000 Dollar.
Die Kunden, die ihr Geld bei der Silicon Valley Bank abzogen, waren jedoch mehrheitlich Grosskunden. Nur 12 Prozent der Einlagen waren dort versichert. Ebenso dürfte es bei der Credit Suisse gewesen sein mit ihren «Ultra-high-net-worth-Individuals,» im Jargon UHNWI.
Solche UHNWI-Smiths oder al-Khalifa müssen tatsächlich um den Grossteil ihres Geldes fürchten, wenn andere Superreiche die CS stürmen. In den USA wird nun diskutiert, die Einlagensicherungen zu erhöhen.
Finanzhistoriker Gary Gorton von der Universität Yale sagt, «das Problem der Bank-Runs ist nicht dauerhaft gelöst worden». Einlagensicherungen helfen zwar, wenn Banken vorwiegend Kleinkunden haben. Doch in den letzten gut 40 Jahren hätten sie vermehrt zu Grosskunden gewechselt, weshalb nun gut die Hälfte aller Bankeinlagen nicht versichert ist – und damit wieder anfällig für einen Run. (aargauerzeitung.ch)