Alles ist eine Frage des Vergleichs: Unser Sonnensystem ist nur ein Stäubchen in der riesigen Ansammlung von Sternen, die man Milchstrassse nennt. Und diese wiederum fällt ins Nichts, wenn man sie mit dem sogenannten beobachtbaren Universum vergleicht. Gemessen an den uns vertrauten irdischen Dimensionen aber ist das Sonnensystem unfassbar gross – so gross, dass selbst ein Gasriese wie der Neptun von blossem Auge nicht sichtbar ist.
Lange galt der erst 1930 entdeckte Pluto als äusserster Planet, bis er 2006 zum Zwergplaneten degradiert wurde. Dieser Himmelskörper von etwa einem Drittel Erdmond-Grösse ist auf seiner exzentrischen Umlaufbahn im Schnitt 39-mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. Und deren durchschnittliche Distanz zum Zentralgestirn beträgt auch schon knappe 150 Millionen Kilometer (dies entspricht einer sogenannten astronomischen Einheit, AE). In der Entfernung, in der Pluto die Sonne umkreist, erscheint die Sonne nur noch als heller Punkt am Himmel.
Doch mit Pluto ist noch lange nicht Schluss. Jenseits dieses Zwergplaneten gibt es noch eine ganze Reihe von Himmelskörpern, die ebenfalls um unsere Sonne kreisen und damit zum Sonnensystem gehören. Seit Pluto entthront wurde und Neptun als äusserster Planet gilt, werden sie transneptunische Objekte genannt, zu denen auch der Pluto zählt.
Diese Objekte sind meist nicht sehr gross und dunkel, was ihre Entdeckung und Beobachtung erschwert. Dank neuerer und grösserer Teleskope macht ihre Erforschung gleichwohl grosse Fortschritte – in schneller Folge wurden in den letzten Jahren mehrere Himmelskörper neu entdeckt. Darunter Objekt 2018 VG18, auf das ein Astronomenteam um Scott Sheppard von der Carnegie Institution for Science im November 2018 auf der Suche nach dem ominösen Planeten 9 stiess. Sie gaben ihrem Fund provisorisch den Spitznamen «Farout», was neben «weit draussen» sinngemäss auch «schräg» oder «toll» bedeuten kann.
Farout ist in der Tat weit draussen: Es ist das erste Objekt, das in einer Entfernung von über 100 AE entdeckt wurde. Seine Distanz zur Sonne beträgt 120 AE – das war klarer Rekord. Allerdings konnte Farout diesen Titel nur kurze Zeit halten: Sheppard und seine Kollegen hatten bereits im Januar 2018 mit dem 8,2-m-Subaru-Teleskop am Mauna-Kea-Observatorium auf Hawaii ein weiteres transneptunisches Objekt abgelichtet, das bis zum Januar 2019 unbemerkt blieb: 2018 AG37.
Zu Beginn war nur klar, dass dieses neue Objekt sich sehr weit draussen befinden musste. «Zu diesem Zeitpunkt kannten wir die Bahn des Objekts nicht, da wir nur die Subaru-Entdeckungsbeobachtungen über 24 Stunden hatten», bemerkte Sheppard später in einer Pressemitteilung.
Erst weitere Beobachtungen im März 2019 mit dem 6,5-m-Magellan-Baade-Teleskop des Las-Campanas-Observatoriums in Chile sowie dem Gemini-North-Teleskop und Subaru-Teleskop auf Hawaii im Januar 2020 schufen Klarheit: Das nunmehr provisorisch «Farfarout» genannte Objekt ist mit derzeit 132 AE noch weiter von der Sonne entfernt als Farout – und fast viermal weiter als Pluto. Seine stark elliptische Umlaufbahn führt Farfarout in bis zu 175 AE Entfernung von der Sonne, während der sonnennächste Punkt seines Orbits bei 27 AE liegt – also noch innerhalb der Neptunbahn.
Der lange Beobachtungszeitraum war notwendig, um die Bahn des Objekts sicher zu bestimmen, wie der an der
Entdeckung beteiligte Astronom David Tholen in einer Pressemitteilung erklärte. Farfarout, der mit einem Durchmesser von gut 400 Kilometern gerade noch ein Anwärter auf den Status eines Zwergplaneten ist, bewegt sich am Himmel nur sehr langsam: Etwa 1000 Jahre dauert ein Umlauf um die Sonne.
Dabei kreuzt Farfarout jedes Mal den Orbit des Neptun. Die Anziehungskraft des Eisriesen könnte der Grund dafür sein, dass Farfarout eine dermassen langgestreckte Bahn beschreibt: «Farfarout wurde vermutlich in das äussere Sonnensystem geschleudert, als er vor langer Zeit dem Neptun zu nahe kam», stellte der Mit-Entdecker Chad Trujillo fest. «Farfarout dürfte in der Zukunft wieder mit dem Neptun interagieren, da ihre Umlaufbahnen sich nach wie vor kreuzen.»
Möglicherweise wird Farfarout sich dann noch weiter von der Sonne entfernen als auf seinem heutigen Orbit. Allerdings wird sein aktueller Rekord ohnehin nicht Bestand haben: Andere transneptunische Objekte, die sich derzeit näher zur Sonne befinden, werden ihn brechen. Dazu gehört etwa Sedna, die der Sonne nie näher als gut 76 AE kommt. In einigen tausend Jahren wird Sedna den sonnenfernsten Punkt ihrer extrem elliptischen Bahn erreichen und dann gut 888 AE von ihr entfernt sein.
Aber Sednas Orbit ist bescheiden im Vergleich zur Umlaufbahn des transneptunischen Objekts mit dem kryptischen Namen «(308933) 2006 SQ372». Es wird den Rekord von Farfarout sogar regelrecht pulversieren: Während seiner mehr als 20'000 Jahre dauernden Umkreisung der Sonne wird es sich bis auf beinahe 1500 AE von ihr entfernen. Es wird dann so weit entfernt sein, dass das Licht der Sonne mehr als acht Tage benötigt, um diesen Himmelskörper zu erreichen. Bis zur Erde sind es gerade mal acht Minuten.
paeuli.weischno
Sälüzäme
Ich finde solche Artikel toll und faszinierend, vermutlich weil sie etwas beschreiben das der Mensch nie haben wird und ihm nichts anderes als die Sehnsucht, Fantasie, Bewunderung und Neugierde bleibt.
Bynaus