In der Nacht auf Mittwoch zog ein helles Objekt mit langem Schweif über den Schweizer Nachthimmel. Bei dem Phänomen, das viele Leute beobachteten, handelte es sich nicht um eine Sternschnuppe, sondern höchstwahrscheinlich um den Starlink-Satelliten 2382, der beim Wiedereintritt in die Atmosphäre verglühte.
In aller Regel verglühen solche Objekte beim Wiedereintritt, ohne dass eine Gefahr für Menschen besteht. Dennoch wirft das nächtliche Spektakel Licht auf ein Problem, das sich zusehends verschärft und noch böse Folgen haben könnte: Immer mehr Objekte tummeln sich im erdnahen Orbit und immer mehr Weltraumschrott umkreist die Erde. Solche Feuerschweife könnten daher in naher Zukunft viel häufiger zu beibachten sein.
Was fliegt da eigentlich hoch über unseren Köpfen herum? Warum gibt es immer mehr davon – und wie gefährlich ist dieser Schrott im All überhaupt?
Eine ganze Menge. Da sind etwa Tausende von Satelliten, die eine Vielzahl von Funktionen erfüllen: Navigation, Wettervorhersagen und Flugverkehr bis zu Finanzmärkten und Telekommunikation. Derzeit befinden sich laut Angaben der Europäischen Weltraumorganisation ESA mehr als 13'000 Satelliten im Orbit, von denen etwa 10'100 noch in Betrieb sind. Diese Objekte umkreisen die Erde in unterschiedlicher Höhe. Die wichtigsten Orbits sind:
Neben all diesen Satelliten gibt es aber noch eine enorme Menge von Objekten, die unter dem Begriff «Weltraumschrott» laufen. Dies sind vornehmlich Trümmerstücke aus der Fragmentierung von grösseren Objekten, etwa infolge einer Kollision. Beinahe 36'000 grössere Trümmerstücke werden permanent verfolgt und katalogisiert. Nach Schätzungen beträgt die Anzahl der Trümmer aktuell:
Insgesamt beträgt die Masse aller derzeit im Orbit befindlichen Objekte mehr als 12'900 Tonnen.
Seit dem Beginn des Weltraumzeitalters mit dem Start des sowjetischen Satelliten Sputnik 1957 sind mehr als 6700 Raketen ins All geschossen worden – Fehlstarts nicht mitgerechnet. Insgesamt beförderten diese Raketen gut 19'000 Satelliten in eine Erdumlaufbahn. Der Löwenanteil von ihnen ist erst seit relativ kurzer Zeit im Weltraum: In nur gerade den letzten vier Jahren hat sich ihre Anzahl verdoppelt. Und im vergangenen Jahr wurden mehr Satelliten ins All geschossen als in jedem Jahr zuvor.
Dies ist auf den Eintritt neuer Akteure – meist Privatunternehmen wie SpaceX, Blue Origin, OneWeb und Virgin Galactic – ins Weltraumgeschäft zurückzuführen. Sie bieten Satellitentechnologien an, die viel einfacher und kurzfristiger sind als die herkömmlichen; sie beruhen auf Netzwerken («Konstellationen») von Mini-Satelliten, die massenweise auf sehr niedrige Umlaufbahnen gebracht werden.
So hat die von Tech-Milliardär Elon Musk kontrollierte Firma SpaceX mittlerweile fast 7000 Satelliten für ihre Starlink-Konstellation ins All geschossen, von denen momentan 4762 noch aktiv sind und unseren Planeten in einer Höhe von 500 Kilometern fast vollständig umkreisen. Mehr als 530 dieser Starlink-Satelliten sind bereits wieder verglüht.
Da sich diese Satelliten in einer niedrigen Umlaufbahn bewegen, die nur wenig höher liegt als jene der ISS, werden sehr viel mehr von ihnen benötigt, um denselben Bereich der Erdoberfläche abzudecken als bei höheren Umlaufbahnen, etwa im GEO-Orbit. Dafür sind die Startkosten niedriger, und die Konstellationen sorgen dank der Redundanz der zahlreichen Satelliten für ein breiteres und stabileres Telekommunikationssignal.
Die Zahl der Satelliten wächst unablässig. 2020 schätzte das European Southern Observatory (ESO) die Zahl der im Jahr 2030 voraussichtlich im All befindlichen Satelliten auf 75'000. Mehr als die Hälfte davon, 40'000, sollen auf die Starlink-Konstellation von SpaceX entfallen. Auch China schiesst derzeit zahlreiche Satelliten in den Orbit; bis 2030 sollen es 14'000 werden, die ähnlich wie jene von Starlink ein erdumspannendes Netz für Breitband-Internetverbindungen schaffen sollen.
Was raufgeht, muss auch wieder runterkommen – dies gilt auch für fast alle Objekte, die wir in den Weltraum schiessen. Je nach Entfernung von der Erdoberfläche und der davon abhängigen Dichte der Atmosphäre werden Satelliten im Orbit abgebremst und verglühen dann in den dichteren Schichten der Lufthülle. Laut Holger Krag, ESA-Esperte für Weltraumschrott, verschwindet ein typisches Weltraumobjekt ohne Antrieb in 400 Kilometer Höhe etwa innerhalb eines Jahres, während es in 600 Kilometer Höhe bereits 25 Jahre lang bleibt. In 800 Kilometer Höhe ist die Atmosphäre so dünn, dass das Objekt 200 Jahre lang im Orbit bleibt. Und in 1000 Kilometer Höhe ist keine Atmosphäre mehr vorhanden, sodass es im All bleibt.
Die Objekte, die in der Atmosphäre verglühen, sind nicht einfach rückstandslos weg. Während sie verglühen, werden grosse Mengen an Metallnanopartikeln freigesetzt, insbesondere Aluminiumoxid. Dieses sinkt sehr langsam nach unten und trifft dann in etwa 40 Kilometer Höhe auf die Ozonschicht, die sie massiv schädigt. Leben ist auf der Erde ohne schützende Ozonschicht kaum möglich.
Gefahr droht aber auch durch den Schrott, der sich noch im All befindet. Mittlerweile müssen ESA-Satelliten mehrmals im Jahr Kurskorrekturen vornehmen, um solchen Schrottteilen zu entgehen, die mit Differenzgeschwindigkeiten von bis zu 56'000 km/h auf ihnen einschlagen können. Bei solchen Geschwindigkeiten wird auch ein winziges Trümmerstück zu einer tödlichen Gefahr für einen Satelliten oder gar ein Raumfahrzeug.
Eine derartige Kollision würde überdies eine Vielzahl von Bruchstücken erzeugen. So rasen seit dem Zusammenstoss des amerikanischen Satelliten Iridium-33 mit dem russischen Kosmos-2251 im Jahr 2009 mehr als hunderttausend Trümmerteile unterschiedlicher Grösse um die Erde. Solche Fragmente können dann wiederum neue Kollisionen verursachen. Eine Kaskade von Kollisionen könnte schliesslich ganze Orbitalbereiche unbenutzbar machen – und zwar ausgerechnet jene, die unsere technische Zivilisation am meisten benötigt. Dieses Alptraum-Szenario hat einen Namen: Kessler-Syndrom.
Dieses Katastrophenszenario ist nach dem NASA-Mitarbeiter Donald J. Kessler benannt, der 1978 erstmals davor warnte. In einer Studie aus dem Jahr 1991 schätzte er, die Kollisionsrate könne sich alle fünf Jahre verdoppeln. Im Grunde ist das Kessler-Syndrom längst eingetreten, wenn auch nicht genau mit dieser Rate: 1993 waren rund 7000 Trümmerstücke von mehr als 10 Zentimeter Grösse registriert, 2017 bereits mehr als 18'000. Heute sind es mehr als 40'000. Schreitet dieser Prozess ungebremst fort, werden davon nicht nur die extrem wichtigen Satelliten im erdnahen Orbit betroffen sein, sondern es wird am Ende auch jede bemannte Raumfahrt auf Jahrzehnte hinaus verunmöglicht, weil das Kollisionsrisiko zu hoch wäre.
Da die Gefahren durch Weltraumschrott stetig zunehmen, haben die führenden Weltraumnationen spezielle Richtlinien erlassen: So sollen ausgediente Satelliten entweder gezielt zum Absturz gebracht oder in weit entfernte Umlaufbahnen transferiert werden. Die US-Behörde Federal Communications Commission (FCC) verabschiedete etwa 2022 neue Vorschriften, die die Satellitenbetreiber verpflichten, ihre Satelliten für den US-Markt innerhalb von fünf Jahren nach ihrem Einsatz aus dem Orbit zu entfernen, anstatt wie bisher 25 Jahre. Ein kürzlich ergangenes Urteil des Obersten US-Gerichts könnte allerdings das Ende dieser Vorschriften bedeuten, noch bevor sie in Kraft treten.
Neben der Prävention, also der Müllvermeidung, gibt es auch Pläne, den Schrott wenigstens zum Teil wieder einzusammeln und zu entsorgen (Active Debris Removal). Laut Studien von ESA und NASA könnte die Lage im erdnahen Orbit zwischen 600 und 1000 Kilometer Höhe entschärft werden, wenn jedes Jahr fünf bis zehn grössere und besonders kritische Bruchstücke entfernt würden.
Die Technologien für solche Aufräumaktionen sind noch nicht ausgereift, doch an Ideen mangelt es nicht: So könnte eine Art Aufräumsatellit einzelne grössere Objekte im All einfangen oder durch Abbremsen zum kontrollierten Wiedereintritt und Verglühen in der Atmosphäre bringen. Ein Hochleistungslaser könnte Trümmer im Orbit bestrahlen, dadurch abbremsen und kontrolliert abstürzen lassen. Eine japanische Firma will eine drei Tonnen schwere und elf Meter lange Raketenstufe mit einem Roboterarm einfangen und ebenfalls in der Atmosphäre zum Verglühen bringen.
Ein derzeit laufendes, von der ESA initiiertes Projekt mit Schweizer Beteiligung ist ClearSpace-1. Die Firma Clearspace im waadtländischen Renens soll zusammen mit dem leitenden deutschen Unternehmen OHB eine Raumfahrtmission ausführen, bei der ein Raumschlepper mit vier Greifarmen einen ausgedienten Satelliten zurück in die Atmosphäre befördern soll.
Bis jedoch eine vorzugsweise internationale Müllabfuhr im All ihre Arbeit aufnehmen kann, müsste die Überwachung der Trümmerteile verbessert werden. Es gibt verschiedene Weltraumüberwachungssysteme (Space Surveillance System), die von Raumfahrtnationen vorangetrieben werden, etwa das US-Netzwerk SSN, das grössere Objekte im All verfolgt und katalogisiert. Die ESA betreibt das Space-Safety-Programm, Frankreich das militärische Radarsystem GRAVES.
Der directed Orbit gehört niemanden,die Folgen tragen aber alle.
Bin nicht sicher ob das Vermögen von Musk reicht.