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Blaues Licht von Handys & Co. lässt uns schneller altern

Blaulicht vom Handy-Display (Symbolbild)
Blaues Licht könnte den Alterungsprozess beschleunigen – zumindest bei Fruchtfliegen ist das der Fall. Bild: Shutterstock

Blaues Licht von Handys & Co. lässt uns schneller altern

05.09.2022, 20:09
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Ein Leben ohne Bildschirme ist kaum mehr denkbar. Wir schauen regelmässig in Monitore – wenn nicht bei der Arbeit, so zumindest in der Freizeit. Und alle diese Bildschirme, von Smartphones, Laptops und Fernsehern, geben blaues Licht ab; auch der, auf dem du dies hier liest. Leuchtdioden (LEDs), von denen einige grosse Mengen des kurzwelligen blauen Lichts abstrahlen, sind zudem in Lampen oder Leuchtreklamen verbaut. Kurz: Es gibt praktisch kein Entkommen vor dem blauen Licht.

Schon länger gibt es Vermutungen, dass künstliches blaues Licht gesundheitliche Probleme verursachen kann. Meist geht es um Einschlafprobleme, die auf blaues Licht zurückzuführen seien – auch wenn Studien nahelegen, dass jedes Licht den Einschlafrhythmus im selben Ausmass durcheinanderbringen kann. Bekannt ist aber, dass etwa die kleinen LEDs, die den Stand-by-Modus bei Geräten anzeigen und sehr intensiv sein können, die Netzhaut zu schädigen vermögen, wenn man mehrere Sekunden direkt hineinschaut. Das gilt aber nicht nur für die blau leuchtenden LEDs.

Verminderte Lebenserwartung

Eine neue Studie der University of Oregon, die im Fachblatt «Frontiers in Aging» veröffentlicht wurde, zeigt nun, dass bei Fruchtfliegen grundlegende Zellfunktionen durch das künstliche blaue Licht beeinträchtigt werden können. Die Forscher untersuchten die Auswirkungen einer chronischen Belastung durch blaues Licht auf den Stoffwechsel im Gehirn der Fliegen.

Schon eine frühere Studie des Forschungsteams hatte gezeigt, dass blaues Licht die Lebenserwartung von Fruchtfliegen verkürzt. Die Untersuchung hatte zudem Hinweise darauf ergeben, dass zahlreiche Gehirnzellen einen Funktionsverlust erlitten. Dies waren nach Einschätzung der Wissenschaftler klare Anzeichen für einen beschleunigten Alterungsprozess.

In der aktuellen Studie untersuchten die Wissenschaftler nun, wie sich blaues Licht auf Zellen auswirkt, die nicht direkt mit der Wahrnehmung von Licht oder generell mit der Sehfunktion der Insekten zu tun haben. Aus diesem Grund verwendeten sie mutierte Fliegen ohne Augen.

«Um zu verstehen, warum energiereiches blaues Licht die Alterung bei Fliegen beschleunigt, haben wir die Stoffwechselwerte von Fliegen, die zwei Wochen lang blauem Licht ausgesetzt waren, mit denen von Fliegen verglichen, die in völliger Dunkelheit gehalten wurden», erklärt die Hauptautorin der Studie, die Biologin Jadwiga Giebultowicz, in einer Pressemitteilung. Das bei dem Versuch verwendete Licht war stärker als jenes, dem wir vor Bildschirmen üblicherweise ausgesetzt sind.

Veränderte Stoffwechselwerte

Die Ergebnisse der Studie bestätigten den Befund, dass blaues Licht einen Einfluss auf die Lebenserwartung der Fruchtfliegen hat. Jene Fliegen, die in Dunkelheit gehalten wurden, wiesen eine höhere Lebenserwartung auf als ihre Artgenossen, die blauem Licht ausgesetzt waren. Das Forschungsteam stellten zudem fest, dass sich die Stoffwechselwerte in den Fliegengehirnen signifikant zwischen den beiden Testgruppen unterschieden. Bei jenen Fliegen, die blauem Licht ausgesetzt waren, konnten die Forscher einen erhöhten Pegel des Stoffwechselprodukts Succinat messen. Succinat ist ein Signalstoff, der sich auf das Zellwachstum und die Energieproduktion auswirkt.

Die Auswirkungen der Dauer von konstantem Blaulicht auf die Lebensspanne und Neurodegeneration bei Fliegen. DD steht für absolute Dunkelheit, BL für Blaulicht.
Auswirkung von konstantem Blaulicht auf Lebensspanne und Neurodegeneration bei Fruchtfliegen. A) Gemessene Lebenserwartung bei Fliegen, die in konstanter Dunkelheit (DD), konstantem blauem Licht (BL) gehalten wurden oder nach 10, 14 oder 16 Tagen in BL nach DD transferiert wurden. B) Quantifizierung der durchschnittlichen Fläche der Vakuolen in den Fliegenköpfen nach 10, 14 und 16 Tagen BL ausgesetzt waren, und ihrer DD-Kontrollgrppe. C) Bilder von Gehirnschnitten, die Gehirnvakuolen (rote Pfeile) nach der angegebenen Anzahl von Tagen in BL zeigen. Bild: Frontiers/Giebultowicz e. a.

«Succinat ist unerlässlich für die Produktion des Treibstoffs, den es für die Funktion und das Wachstum jeder Zelle braucht. Ein hoher Succinatspiegel nach der Exposition mit blauem Licht ist vergleichbar mit Benzin, das zwar in der Pumpe ist, aber nicht ins Auto gelangt», erklärt Giebultowicz in «Frontiers Science News». Das Succinat reichert sich also in den Fliegen an, ohne wie sonst verwertet zu werden.

«Eine weitere beunruhigende Entdeckung», so Giebultowicz, sei zudem, dass Moleküle wie etwa Glutamat bei den Fliegen, die dem blauen Licht ausgesetzt waren, ein deutlich niedrigeres Niveau aufwiesen. Botenstoffe wie das Hormon Glutamat sind wichtig für die Kommunikation zwischen Neuronen. All diese Befunde weisen darauf hin, dass die Zellen der Fliegen unter dem Einfluss von blauem Licht auf einem suboptimalen Niveau funktionieren – was ein Grund dafür sein kann, dass sie vorzeitig absterben. Zumindest bei Fruchtfliegen dürfte Blaulicht also den Alterungsprozess beschleunigen.

Und beim Menschen?

Warum blaues Licht solche negative Effekte in den Zellen auslöst, ist jedoch noch weitgehend unklar. Auch die Frage, ob diese Effekte beim Menschen ebenfalls auftreten, kann derzeit noch nicht beantwortet werden – dazu seien weitere Untersuchungen notwendig, stellt das Forschungsteam fest. Es liege allerdings nahe, betont Giebultowicz, dass blaues Licht sich ebenso auf menschliche Zellen auswirke wie auf jene von Fruchtfliegen. «Die chemischen Signalstoffe in den Zellen von Fliegen und Menschen sind die gleichen, sodass es potenziell negative Auswirkungen von blauem Licht auf den Menschen gibt», erklärt die Biologin.

Allerdings wurden die Fruchtfliegen ziemlich starkem blauen Licht exponiert, und dies ohne Pause über zwei Wochen hinweg. Menschen sind in ihrem Alltag viel weniger starkem Licht ausgesetzt; mögliche Zellschäden dürften daher weniger dramatisch sein. Gleichwohl könnte eine übermässige Blaulichtexposition sich schädlich auf eine Vielzahl von Zellen auswirken, wie Giebultowicz warnt. Betroffen könnten etwa Haut- und Fettzellen bis hin zu sensorischen Neuronen sein.

Blaues Licht meiden

Im Alltag einer stark technisierten Gesellschaft wie unserer gibt es freilich, wie eingangs erwähnt, kaum ein Entkommen – blaues Licht ist quasi omnipräsent. Dennoch kann man künstliches Licht meiden, so gut es eben geht: So ist es bereits hilfreich, die tägliche Verweildauer vor Bildschirmen zu reduzieren. Daneben gibt es auch Hilfsmittel wie Blaulichtfilter, die auf Bildschirmen oder auf Brillengläsern angebracht werden können.

Weitere Möglichkeiten, der übermässigen Bestrahlung durch Blaulicht vorzubeugen, bestehen etwa darin, für die Beleuchtung warm-weisse LEDS zu verwenden, die einen geringeren Blaulichtanteil aufweisen, und Lichtquellen während des Schlafs auszuschalten. Auch ist es von Vorteil, kurz vor dem Einschlafen nicht noch fernzusehen oder aufs Smartphone-Display zu schauen. (dhr)

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39 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Weltbürger
05.09.2022 20:53registriert März 2019
Als polizist würd ich jetzt tätsch eine risikozulage vom chef verlangen...

Scherz beiseite.
Der Effekt des Blaulichts verglichen mit dem Effekt welche all die wild kombinierten Pflanzenschutzmitteln in unseren Böden und Gewässern ausmachen.
Wird da die Fruchtfliege nicht zum Elefanten?
Resp. Sollten wir uns nicht erst um den elefanten kümmern?
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Elke Wolke
05.09.2022 20:49registriert Oktober 2018
Diesen Artikel hättet ihr auch besser am morgen publiziert und nicht am Abend.
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PlusUltra
05.09.2022 20:47registriert Juni 2019
Bilder von Gehirnschnitten.

Von Fliegen!


Unsere Welt ist furchteinflössend, aber auch genial.
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