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E-Autos sind für Fussgänger nicht gefährlicher als Verbrenner

Nach Unfall beschädigter Tesla.
Bild: Shutterstock

E-Autos sind für Fussgänger nicht gefährlicher als Verbrenner

Elektroautos sind schwer und leise. Darum stehen sie im Verdacht, dass sie für Fussgänger gefährlicher sind als Verbrenner. Eine neue Studie widerlegt dies.
12.12.2025, 22:2612.12.2025, 22:26

Die Befürchtung, dass E-Autos für Fussgänger gefährlicher sein könnten als Verbrenner, beruht vornehmlich auf zwei Tatsachen:

  • Zum einen geht es um den Geräuschpegel, der bei E-Autos deutlich tiefer ist; Elektromotoren machen bei niedrigen Geschwindigkeiten kaum Geräusche. Fussgänger sind jedoch daran gewöhnt, dass sie Autos kommen hören.
  • Zum andern ist da das Gewicht: E-Autos sind aufgrund ihrer schweren Akkus viel schwerer als vergleichbare Benziner – im Schnitt 300 Kilogramm. Bei einer Kollision könnte dies für schwerere Verletzungen sorgen.

Die Befürchtungen sind jedoch unbegründet, wie eine aktuelle, im Fachjournal Nature Communications veröffentlichte Studie aus Grossbritannien zeigt: Ein Forschungsteam um Zia Wadud von der University of Leeds konnte nachweisen, dass E-Autos nicht häufiger in Unfälle mit Fussgängern verwickelt sind als Verbrenner. Und Passanten verletzen sich demnach nicht schwerer, wenn ein Elektrofahrzeug am Unfall beteiligt ist.

Kein signifikanter Unterschied

Die Wissenschaftler verwendeten Daten aus der britischen STATS19-Datenbank – in der alle polizeilich gemeldeten Verkehrsunfälle erfasst werden – von 2014 bis 2023. Insgesamt waren in diesem Zeitraum mehr als 210'000 Fussgänger in einen Unfall verwickelt. Fast 170'000 von ihnen wurden von PKWs oder Taxis angefahren. 1150 Opfer waren in einen Unfall mit einem vollelektrischen Auto verwickelt und fast 8000 in einen Unfall mit einem Hybridfahrzeug.

Um die Zahlen wirklich vergleichbar zu machen, untersuchte das Team die Anzahl Opfer pro Milliarde gefahrener Meilen (eine Meile entspricht etwa 1,6 Kilometern), da nach wie vor viel mehr Verbrenner als E-Autos auf den Strassen unterwegs sind. Insgesamt werden in Grossbritannien jährlich im Schnitt 400 Milliarden Kilometer mit dem Auto zurückgelegt.

Es zeigte sich, dass die durchschnittlichen Unfallraten für Elektroautos mit verletzten Fussgängern bei 57,8 pro 1,6 Milliarden gefahrenen Kilometer (eine Milliarde Meilen) lagen. Bei Verbrennern lag der Wert mit 58,9 sogar ein wenig höher. Auch die Wahrscheinlichkeit schwerer Verletzungen oder Todesfälle bei Unfällen mit Elektroautos war nicht höher.

Höhere Unfallquote bei Hybriden

Anders sieht es hingegen bei Daten für Hybridfahrzeuge aus, die Verbrennungsmotoren mit Batterieantrieb kombinieren: Dort liegt die Zahl der verletzten Passanten mit 120,14 pro 1,6 Milliarden gefahrene Kilometer deutlich höher als bei Elektro- und herkömmlichen Autos.

Das Forschungsteam führt dies darauf zurück, dass Hybride in Grossbritannien überdurchschnittlich häufig als Mietwagen genutzt werden und überdies bei Taxi- und Uber-Fahrern sehr beliebt sind. Sie legen im Durchschnitt drei- bis viermal so viele Kilometer zurück wie ein normales Privatfahrzeug, – und fast alle diese Kilometer werden in belebten Stadtzentren zurückgelegt, wo sich viele Fussgänger aufhalten. Dort ist das Risiko von Fussgängerunfällen naturgemäss höher.

Unfallrate mit Fussgängerbeteiligung pro eine Milliarde gefahrener Meilen (1,6 Milliarden Kilometer) nach Antriebsart und Jahr. Die gelbe gestrichelte Linie steht für den Gesamtdurchschnitt, die hellb ...
Unfallrate mit Fussgängerbeteiligung pro eine Milliarde gefahrener Meilen (1,6 Milliarden Kilometer) nach Antriebsart und Jahr. Die gelbe gestrichelte Linie steht für den Gesamtdurchschnitt, die hellblaue Linie bildet Hybridfahrzeuge (HEV) ab, die rote Linie steht für Autos mit Verbrennungsmotoren (ICEV) und die grüne Linie für Fahrzeuge mit Elektromotor (EV).Grafik: Zia Wadud, University of Leeds

Während Hybride häufiger in Unfälle mit Fussgängern verwickelt sind, fallen deren Verletzungen jedoch tendenziell weniger schwerwiegend aus als bei Unfällen mit Verbrennern.

Akustisches Warnsystem

Möglicherweise sind die Unfallzahlen für Elektroautos so niedrig, weil alle neuen Elektro- und Hybridautos im Vereinigten Königreich und in der EU seit 2019 mit einem AVAS, einem akustischen Warnsystem, ausgestattet sein müssen. Dabei handelt es sich um ein künstliches Geräusch, das das Auto bei niedrigen Geschwindigkeiten erzeugt, damit Fussgänger und Radfahrer es trotzdem hören können.

Die Daten scheinen zu zeigen, dass dies hilft. Vergleicht man die fünf Jahre vor 2019 mit den fünf Jahren danach, so stellt man fest, dass die Zahl der Unfallopfer pro gefahrenem Kilometer bei Elektroautos deutlich zurückgegangen ist. Dieser Rückgang ist grösser, als es die allgemeine Verbesserung der Verkehrssicherheit im gleichen Zeitraum erklären würde. Es ist kein wasserdichter Beweis, aber es deutet darauf hin, dass obligatorische Warntöne eine Wirkung haben.

Zudem könnte ein weiterer Faktor eine Rolle zugunsten von Elektroautos spielen: Die Flotte der E-Autos auf den Strassen ist im Durchschnitt viel jünger als die Flotte der Benzin- und Dieselautos. Das bedeutet, dass ein grösserer Teil der Elektroautos mit modernen Sicherheitssystemen wie automatischen Notbremssystemen, Fussgängererkennung und mehr ausgestattet ist.

Gefährliche SUVs

Dagegen zeigen die Daten eindeutig, dass SUVs für Fussgänger gefährlicher sind. Das liegt an ihrem höheren Gewicht, vor allem aber an der Form ihrer Frontpartie: Die höhere Motorhaube trifft Passanten an einer anderen, gefährlicheren Stelle als die niedrigere Frontpartie eines normalen Autos.

«Wir sollten uns weniger über die potenziellen Gefahren elektrifizierter Fahrzeuge sorgen und vielmehr über die zunehmende Verbreitung von SUVs auf den Strassen des Landes», kommentierte Wadud diesen Befund. «Ob elektrisch oder herkömmlich angetrieben – diese grösseren, schwereren Fahrzeuge bergen nicht nur höhere Sicherheitsrisiken, sie beanspruchen auch mehr Platz auf den Strassen und verursachen über ihren Lebenszyklus hinweg mehr CO₂.»

(dhr)

SBB und Mobility kooperieren bei E-Autos

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