Am 13. Oktober 1762 um 15 Uhr erklingt im Spiegelsaal von Schloss Schönbrunn Musik. Ein Sechsjähriger sitzt am Klavier. Ein Wunderknabe, so erzählt man sich, sei dieser Wolferl. Und tatsächlich, er kann auf Wunsch der Kaiserin Maria Theresia auch mit verdeckter Klaviatur spielen. Ja, sogar mit nur einem seiner noch von kindlichem Speck ummantelten Finger vollführt er die grössten Kunststücke an dem Instrumente!
Und mitten durch dieses auch nach Verklingen der letzen Note weiterhin anhaltende erzherzögliche Staunen rast nun ganz wild geworden der kleine Mozart auf die Regentin zu, hopst ihr kurzerhand auf den Schoss und übersät den perlenbehangenen Hals mit Küssen.
Drei Jahre ging nun Leopold Mozart mit seinem Wolfgang und seiner fünf Jahre älteren Schwester Nannerl auf Konzertreise. Auch sie spielte virtuos Klavier, doch sie war ein Mädchen, und so musste sie im Schatten ihres kleinen Bruders unweigerlich untergehen. Er würde mit seinen Werken den Himmel erreichen, ihr aber blies man bloss den Hochzeitsmarsch.
Es war Wolferl, der vom Vater gefördert und von den königlichen Höfen in Frankreich, England und Holland vergöttert wurde. Wolferl, der sagte, nach dem lieben Gott komme gleich der Papa. Wolferl, der mit zehn Jahren seinen ersten bezahlten Kompositionsauftrag erhielt – und dafür das Oratorium «Die Schuldigkeit des ersten Gebots» vertonte.
Ein fröhlicher Junge, dessen kleiner Körper aber immer wieder von unbarmherzigen Krankheiten heimgesucht wurde. Rheumatismus, der seine Gelenke malträtierte, hitziges Fieber, das ihm den Schweiss aus jeder Pore trieb, und rasende Koliken, die ihn bis zur Unkenntlichkeit abmagern liessen.
Als dann die Pocken im Gesicht des zwölfjährigen Wolferls wüteten und seine zarte Haut mit einer solchen Schonungslosigkeit zerfrassen, sprach niemand mehr vom hübschen Jungen, dem Sohn des schönsten Salzburger Paars Leopold und Anna Maria.
Zwischen den harten Sitzen der Kutsche und den Konzertsälen Europas wurde Wolferl gross und immer grösser. Wie ein von seinem Talent Gehetzter komponierte er unaufhörlich Klavierkonzerte und Sinfonien ebenso wie leichte Divertimenti, Notturni und Serenaden. Sein Werk würde bald ins Unermessliche anschwellen.
Vielleicht weil er wusste, dass ihm nicht alle Zeit der Welt bleiben würde. Dass sich in seinem kranken Innern bereits der faulige Tod eingenistet hatte. Und so reihte er rastlos Note an Note, schöpfte, was ging, aus seinem verspielten Wesen, jenem unversiegbaren Quell an Einbildungskraft, sprudelte alles Lebendige hinaus und spülte es bis an die Ohren der Welt.
In diese drang sie schliesslich als vollendete Musik, als die unverkennbare Mischung aus Dramatik und Heiterkeit, die niemals ins unverdaulich Schwere kippte.
Mozart wollte unterhalten, seine Stücke sollten den Menschen Vergnügen bereiten. Dafür lebte er. In ihm finden wir einen jungen Mann, der gern lustig war, der herumalberte, fluchte und nach dem Vertilgen seiner geliebten Knödel mit Sauerkraut lauthals rülpste. Einen hochangesehenen Komponisten, der einen sechsstimmigen Kanon mit dem Titel «Leck mich im Arsch g’schwindi, g’schwindi!» schrieb.
Mozart liebte es, mit der Sprache zu spielen, er reimte und vertauschte, schuf falsche Partizipien und neue Redewendungen, formte Worte zu Witzen zusammen und entliess seine Adressaten gern mit «summa summarum 12345678987654321 Empfehlungen», 100'000'000'000 Küssen oder «333 Complimenten». Und über all diesen Blödeleien waberte der strenge Geruch seines ausgeprägten Fäkalhumors.
Ganz besonders gut riechen kann man diesen in Wolfgangs Briefen ans Bäsle, seine Cousine Maria Anna Thekla Mozart. Im Oktober des Jahres 1777 besuchte der 21-Jährige die zweieinhalb Jahre jüngere Tochter seines Onkels Franz Alois in Augsburg. 15 Tage verbrachten sie gemeinsam. Das sind 15 Tage, dessen wohl vergnüglicher Inhalt uns für immer verborgen bleiben muss. Einzig Wolfgangs Briefe, die er nach seinem Aufenthalt in Bayern an sie schrieb, sind die Zeugen einer dort geknüpften Verbundenheit der beiden jungen Leute. Marias Antworten sind bis heute verschollen.
Doch welcher Natur war diese Verbundenheit? War es stürmische Verliebtheit? Ungezwungene körperliche Anziehung? Oder vielmehr eine hoch geschätzte Freundschaft, geknüpft durch eine Stil-Verwandtschaft, eine geteilte Vorliebe für die Witzigkeit menschlicher Verdauungsäusserungen jedweder Art?
An dieser Stelle mag der Leser selbst urteilen. Klingen diese Zeilen nach einem Liebesbrief, nach einem scharrenden Jüngling, der um seine Herzensdame wirbt?
«iezt muss ich ihnen eine tauerige geschichte erzehlen, die isch jetzt en augenblick ereignet hat. wie ich an besten an dem brief schreibe, so höre ich etwas auf der gasse. ich höre auf zu schreiben – stehe auf, gehe zum fenster – und – höre nicht mehr – ich setze mich wieder, fange abermahl an zu schreiben – ich schreibe kaum 10 worte so höre ich wieder etwas – ich stehe wieder auf – wie ich aufstehe, so höre ih nur noch etwas ganz schwach – aber ich schmecke sowas angebrandtes – wo ich hingehe so stinckt es. wenn ich zum fenster hinaus sehe so verliert sich der geruch wieder zu – endlich sagt Meine Mama zu mir: was wette ich, du hast einen gehen lassen? – ich glaube nicht Mama. ja, ja es ist gewis so. ich mache die Probe, thue den ersten finger im arsch, und dann zur Nase, und – Ecce Provatum est; die Mama hatte recht. Nun leben sie recht wohl, ich küsse sie 1000mahl und bin wie allzeit der alte junge Sauschwanz Wolfgang Amadé Rosenkranz.»
Oder:
«... leben sie wohl unterdessen, mein arsch brennt mich wie feüer! was muss das nicht bedeüten ! – vielleicht will dreck heraus? – ja, ja, dreck, ich kenne dich, sehe dich, und schmecke dich – und – was ist das? – ists möglich? – ihr götter! – mein ohr, betrügst du mich nicht? – nein, es ist schon so – welch langer, trauriger ton!»
Mozart ans Bäsle aus Mannheim am 5.11.1777.
Auch wenn wir nicht wissen, wie viel Intimität die beiden tatsächlich teilten, so wollen wir doch zumindest vermuten, dass Wolfgang das Bäsle mit seinen Briefen prächtig zu unterhalten pflegte. So viel Feingefühl mögen wir vorbehaltlos in ihn hineininterpretieren, in einen Künstler, der es verstand, in seinen Kompositionen auf den jeweiligen Interpreten einzugehen, und der fähig war, alle Arten und Stile musikalischer Werke anzunehmen, nachzuahmen, zu kombinieren und zu verfeinern.
Überhaupt schien nicht nur Mozart, sondern das gesamte 18. Jahrhundert wie besessen von seinem Stuhlgang und besonders seiner unschätzbaren Bedeutung für die Gesundheit. Die Sorge um sie galt seinem Vater als Gebot Gottes. Und so schrieb er seinem von einer Postkutschen-Fahrt wundgeriebenen Sohn voller Teilnahme die folgenden Zeilen:
«dass der Postwagen den armen Arsch erschröcklich zerstösst hab auch ich in meinem Leben nur ein einziges mahl erfahren, mich erwischt er auch nicht mehr ... mit dem Postwagen komme ich gewiss nicht, meine zween zwetschkenkern sind mir lieber.»
Leopold Mozart an seinen Sohn Wolfgang am 11.11.1780.
Doch zu Mozarts schwieligem Hintern gesellten sich bald immer ernstere Gebrechen.
Er habe vor Schmerzen nicht schlafen können, schreibt er 1790 an Leopold. Es ist das letze Mal, dass Mozart seinen Vater von einer seiner Krankheiten unterrichtet. Vielleicht weil sie ihm schon so zur Gewohnheit geworden sind, dass er sie nicht mehr für erwähnenswert hielt. Er ahnte seinen nahen Tod voraus, der ihn bei mildem und trockenem Wetter, am Montag dem 5. Dezember 1791 gegen ein Uhr früh in seinem Haus in Wien ereilte.
Mozart war 35 Jahre alt. Und noch bevor er ganz auf die andere Seite hinüberglitt, im fiebrigen Todesschlummer liegend gab er den Einsatz der Pauken in seinem unvollendet bleibenden Requiem bekannt.
Der hier ist von EAV:
Wer riecht so streng
durch Nacht und Wind?
Die Windel ist's vom Findelkind!
Du hält'st es fest,
du hält'st es warm
doch es riecht,
dass Gott erbarm!
Von Kopf bis Fuss
mit Kot beschmiert
das wär' mit Pampers nie passiert!