Die Plejaden haben tausende «Geschwister»
Sie sind von Anfang Juli bis Ende April am nördlichen Abendhimmel als Ansammlung von Sternen sichtbar: die Plejaden, die auch unter den Bezeichnungen «Atlantiden», «Atlantiaden», «Siebengestirn», «Taube», «Sieben Schwestern» oder «Gluckhenne» bekannt sind. Der rund 440 Lichtjahre entfernte offene Sternhaufen liegt im Sternbild Stier und ist Teil der Milchstrasse. Von blossem Auge sind nur sechs bis neun, meist aber sieben Sterne sichtbar, die auch nach einzelnen Plejaden in der griechischen Mythologie benannt sind.

Die Plejaden werden nicht nur im Alten Testament und im Talmud erwähnt, sie sind auch auf der Himmelsscheibe von Nebra zu erkennen. Bei den Maori auf Neuseeland ist der Name Matariki für die Plejaden zugleich die Bezeichnung eines Feiertags. Und als Referenz neueren Datums sind die Plejaden auch im Logo des japanischen Autoherstellers Subaru vertreten – «Subaru» ist der japanische Name für diesen Sternhaufen.
20-mal grösser als angenommen
Dass der Plejaden-Sternhaufen nicht nur aus sieben hellen Sternen, sondern aus hunderten weiteren Sternen besteht, war längst bekannt. Neue Beobachtungen mithilfe zweier leistungsstarker Teleskope haben nun aber gezeigt, dass die «sieben Schwestern» Teil eines grossen Komplexes sind, der tausende von Sternen umfasst und 20-mal grösser ist als bisher angenommen.
Ein Team von Astronomen der University of North Carolina in Chapel Hill hat die weitläufige Struktur durch die Kombination von Archivdaten des Nasa-Weltraumteleskops Tess (Transiting Exoplanet Survey Satellite) und des Gaia-Weltraumteleskops der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) entdeckt. Seine Ergebnisse sind im Fachmagazin The Astrophysical Journal erschienen.
«Diese Studie verändert unsere Sichtweise auf die Plejaden – sie sind nicht nur sieben helle Sterne, sondern Tausende längst verlorener Geschwister, die über den gesamten Himmel verstreut sind», kommentiert Andrew Boyle, Hauptautor und Doktorand in Physik und Astronomie in einer Mitteilung der Universität.
Rotation der Sterne als «kosmische Uhr»
«Die meisten Sternhaufen lösen sich im Verlauf von vielen zehn bis hundert Millionen Jahren auf», erklärt Boyle. Das gilt auch für die Plejaden, die vor etwa 100 Millionen Jahren gemeinsam aus einer grossen Gaswolke entstanden sind. Astronomen vermuteten schon länger, dass verstreute Sternengruppen am Himmel ursprünglich zu den Plejaden gehörten, da sie sich auf ähnlichen Bahnen durch die Galaxis bewegen.
Eine ähnliche Bahn reicht jedoch als Beweis nicht. Die Sterne müssten auch das gleiche Alter aufweisen. Die Bestimmung des Alters war freilich schwierig. Boyle und sein Team entwickelten daher eine neue Methode der Altersbestimmung: Da sich Sterne bei ihrer Entstehung schnell drehen und mit zunehmendem Alter langsamer rotieren, nutzten die Astronomen die Rotation der Sterne als eine Art «kosmische Uhr». «Indem wir messen, wie schnell Sterne sich drehen, können wir Sternengruppen identifizieren, die für traditionelle Methoden zu weit verstreut sind», erklärt Boyle.
Riesiger «Grosser Plejadenkomplex»
Mithilfe dieser Methode gelang es dem Team, fünf grosse Sternengruppen und hunderte einzelne Sterne zu identifizieren, die nicht nur zeitgleich mit den Plejaden entstanden sind, sondern tatsächlich ursprünglich zu diesem Sternhaufen gehörten. Diese weitläufige Struktur – das Team nennt sie den «Grossen Plejadenkomplex» (Greater Pleiades Complex) – erstreckt sich über etwa 1500 Lichtjahre.
Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Methode auch den Ursprung unserer Sonne aufzudecken vermag. Denn auch unser Zentralgestirn dürfte Teil einer grösseren Sternfamilie sein und aus einem gemeinsam entstandenen Sternhaufen stammen. (dhr)
