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Liquid Biopsy: Bluttest soll Vielzahl von Krebsarten erkennen

Liquid Biopsy – ein Bluttest soll Vielzahl von Krebsarten erkennen

20.08.2021, 08:4020.08.2021, 13:13
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Je früher der Krebs erkennt wird, desto besser.Bild: KEYSTONE

Zerfallen Krebszellen, dann gelangen tumortypische Proteine oder Erbgut-Bruchstücke ins Blut. Spezielle Tests können das nachweisen – und bei der Früherkennung helfen. Wie gut funktioniert das schon?

Der Kampf gegen Krebs bedeutet einen Wettlauf gegen die Zeit. Je früher die Erkrankung erkannt wird, umso grösser sind die Überlebenschancen. Bereits seit geraumer Zeit wird an Bluttests geforscht, die eine schnelle Früherkennung versprechen. Einer dieser Tests soll nun mithilfe einer einzigen Probe in der Lage sein, mehr als 50 verschiedene Krebsarten zu erkennen – und das mit einer Genauigkeit, die eine Markteinführung erlaube. Experten sehen allerdings noch offene Fragen.

Schon länger arbeiten Wissenschaftler daran, Hinweise auf Tumore im Blut zu finden. Derartige Verfahren werden auch als «Liquid Biopsy» bezeichnet. Damit können Blutproben auf sogenannte zirkulierende freie DNA (cfDNA) analysiert werden: Tumortypische Proteine oder Erbgut-Bruchstücke, die ins Blut gelangen, wenn Krebszellen zerfallen. Im Rahmen der Flüssigbiopsie wird Genomsequenzierung genutzt, um krebstypische Methylierungssignaturen – das sind Anlagerungsmuster an dieser DNA – aufzuspüren.

4000 Testpersonen – 50 Krebsarten

Auch der kürzlich im Fachblatt «Annals of Oncology» vorgestellte «Galleri»-Test basiert auf diesem Verfahren. Dabei sind die US-Wissenschaftler äusserst systematisch vorgegangen: Sie haben zunächst drei verschiedene Sequenzierungsmethoden verglichen und dann diejenige identifiziert, die deutlich empfindlicher war als die anderen.

Im zweiten Schritt wurden alle Gene sequenziert und jene zusammengestellt, die eine hohe Assoziation mit Krebserkrankungen haben. Daraus entwickelten die Autoren im dritten Schritt ein sogenanntes Panel, das sie mit einer grösseren Gruppe von Patienten sowie einer Vergleichskohorte getestet haben.

Insgesamt umfasste die Studie 2823 Menschen, bei denen bereits Krebs diagnostiziert wurde, sowie eine Kontrollgruppe von 1254 Menschen ohne Krebs aus mehr als 140 medizinischen Zentren in den USA. Dabei war der «Galleri»-Test in der Lage, Krebssignale von mehr als 50 verschiedenen Krebsarten zu erfassen und in fast 90 Prozent der Fälle auch dem entsprechenden Gewebe zuzuordnen.

Niedrige Trefferquote im Frühstadium

Die Trefferquote variierte allerdings je nach Erkrankungsstadium erheblich. So lag etwa die Sensitivität auf alle Krebsarten gesehen bei 16,8 Prozent im frühen Stadium I, 40,4 Prozent im Stadium II, 77 Prozent im Stadium III und 90,1 Prozent im Stadium IV. Im Schnitt erkannte der Test in 51,5 Prozent der Fälle korrekt, wenn Krebs vorhanden war.

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Video: watson

Eine weitere Varianz zeigte sich bei den unterschiedlichen Krebsarten. So war der Test besonders zuverlässig für einige Erkrankungen, für die es bislang keine Screening-Optionen gibt. Für solide Tumoren aus diesem Bereich, etwa Speiseröhren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, lag die Gesamtempfindlichkeit bei 65,6 Prozent. Die Sensitivität bei Krebserkrankungen des Blutes ergab 55,1 Prozent. Im Vergleich dazu betrug diese bei soliden Tumoren infolge von Brust-, Darm-, Gebärmutterhals- und Prostatakrebs nur 33,7 Prozent.

Bereits auf dem Markt

Die Autoren kündigen ein breit angelegtes Pilotprojekt in Kooperation mit dem Staatlichen Gesundheitsdienst von Grossbritannien (NHS England) sowie drei weitere US-Studien an. Unabhängig davon bietet das Unternehmen, welches den Test entwickelt und die Studien finanziert hat, «Galleri» bereits auf seiner Website in den USA an – ein Schritt, den Experten für verfrüht halten.

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Video: srf/SDA SRF

Holger Sültmann, Leiter der Abteilung Krebsgenomforschung am Deutschen Krebsforschungszentrum, sieht beispielsweise die Gefahr, eine falsche Sicherheit zu suggerieren: «So gut und fortschrittlich die Studie gemacht ist, bedeutet solch ein Test natürlich immer nur eine Momentaufnahme. Das berührt ein grundsätzliches Problem: Wann ist der beste Zeitpunkt für ein solches Screening und wie oft muss es durchgeführt werden?» Wolle man ein solches Testverfahren bevölkerungsweit anbieten, stelle sich zudem die Kostenfrage.

(aeg/sda/dpa)

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