Beim Stichwort «Saurier» denken wir oft an wahre Giganten. Tatsächlich waren einige der bekanntesten Dinosaurier-Spezies riesig, etwa der Brachiosaurus, der zu den grössten Landtieren gehört, die jemals über den Erdboden stampften. Doch längst nicht alle Saurier waren Riesen, und das gilt auch für die Flugsauriergattung Pterodactylus. Diese Flugsaurier – die übrigens nicht zu den Dinosauriern zählen – erreichten lediglich eine Flügelspannweite von 50 bis 75 Zentimetern.
In der Gegend um das bayrische Solnhofen finden sich besonders viele Überreste von Pterosauriern. Zwei besonders gut erhaltene Fossilien stammen von Exemplaren, die vor rund 150 Millionen Jahren lebten und eine Flügelspannweite von weniger als 20 Zentimetern aufweisen. Die Paläontologen, die den beiden Flugsauriern die ironisch gemeinten Spitznamen «Lucky» und «Lucky II» gaben, gehen davon aus, dass es sich wahrscheinlich um wenige Tage oder höchstens wenige Wochen alte Tiere handelte. Sie waren zierlicher und kleiner als eine Hausmaus.
Eine auffällige Besonderheit zog die Aufmerksamkeit des Forschungsteams auf sich: Beide Pterodactylus-Skelette weisen einen schrägen Bruch im Oberarmknochen auf. Bei Lucky war es der rechte Arm, bei Lucky II der linke. Bei beiden Brüchen deuten jedoch die Ausrichtung und Schärfe des Bruchs auf eine starke Drehbelastung hin – genau das, was man erwarten würde, wenn junge, unerfahrene Flieger von starken Windböen erfasst werden.
In seiner im Fachmagazin Current Biology veröffentlichten Studie hat das Forschungsteam der Universität Leicester um den Paläontologen Rab Smyth das folgende Szenario aus den Daten destilliert: Die beiden Flugsaurierbabys wurden vermutlich während eines tropischen Sturms in der Luft herumgeschleudert, brachen sich dabei einen Flügel, stürzten dann auf die Wasseroberfläche der nahen Lagune und ertranken in den hohen Wellen. Danach sanken sie schnell auf den Grund, wo sie nahezu sofort von feinem Kalkschlamm bedeckt wurden, der zuvor durch den Sturm aufgewirbelt worden war.
Diese ungewöhnlich schnelle Bedeckung der Kadaver erklärt laut der Studie die aussergewöhnlich gute Konservierung der Fossilien, die aus vollständigen, anatomisch zusammenhängenden Skeletten bestehen: Weder Aasfresser noch die Strömung in der Lagune hatten dadurch Gelegenheit, Teile der Pterodactylus-Überreste zu verschieben.
Die Untersuchung der beiden Fossilien könnte womöglich ein grösseres Rätsel aufklären. Es fällt nämlich auf, dass es sich bei den häufig in der Solnhofner Fossillagerstätte gefundenen Flugsaurierfossilien fast immer um die vollständig erhaltenen Überreste von kleinen, jungen Exemplaren handelt. Ausgewachsene Tiere finden sich eher selten, und dann handelt es sich oft um einzelne Fragmente, etwa einen Schädel.
Dies widerspricht der gängigen These, dass grössere, robuste Skelette eher versteinern und so erhalten bleiben. Smyth erklärt in einer Mitteilung der Universität Leicester: «Pterosaurier hatten unglaublich leichte Skelette. Hohle, dünnwandige Knochen sind ideal für den Flug, aber schlecht für die Fossilisierung. Die Chancen, dass eines erhalten bleibt, sind ohnehin gering, und ein Fossil zu finden, das Aufschluss darüber gibt, wie das Tier gestorben ist, ist noch seltener.»
Gemäss der Studie waren die jungen Flugsaurier besonders anfällig für Stürme. Sie wurden von der Wucht der Luftmassen über die Lagune getrieben, wo sie oft nicht überlebten und ins Wasser stürzten. Grössere und stärkere Pterosaurier überstanden das Unwetter hingegen meistens. Wenn sie starben, trieben ihre Kadaver oft tage- oder gar wochenlang auf dem wieder ruhigen Wasser der Solnhofner Lagune, wobei sich Teile vom Rest lösten und auf den Grund sanken. Deshalb finden sich von ihnen eher lose Schädel, Gliedmassen oder andere Fragmente als vollständige Skelette.
Damit zeigt die Studie nicht nur, wie zwei individuelle Flugsaurier zu Tode kamen, sondern schärft auch unser allgemeines Bild der Pterosaurier. Und sie zeigt, dass extremes Wetter nicht nur Ökosysteme prägt, sondern auch den Fossilienbestand. Es müssen daher auch die Umstände in Betracht gezogen werden, die darüber entscheiden, was erhalten bleibt und was nicht. (dhr)