An einigen Stellen dieses Planeten leben die Menschen auf einer gigantischen geologischen Zeitbombe: auf einem Supervulkan. Bekannt sind etwa die Yellowstone-Caldera in den USA oder der Toba in Indonesien. Eines dieser gefährlichen Monster ist nicht allzu weit von der Schweiz entfernt – es sind die Phlegräischen Felder («Campi Flegrei») bei Neapel, die zudem in letzter Zeit beunruhigend aktiv waren.
Ganz in deren Nähe befindet sich der bekannte Vesuv, und anhand dieser beiden Vulkane lässt sich der Unterschied zwischen den Vulkantypen gut illustrieren: Während der Vesuv mit seinem Kegel den Golf von Neapel dominiert, sind die Phlegräischen Felder ein enormer, aber insgesamt eher flacher Kessel. Aufgrund ihrer riesigen Magmakammern bilden Supervulkane keine typischen Vulkankegel, sondern hinterlassen nach Ausbrüchen gigantische Einbruchkessel im Boden, sogenannte Calderen.
Und wenn Supervulkane explodieren, jagen sie gewaltige Mengen Asche und Schwefel bis in die Stratosphäre. Dies wäre nicht nur für ihre regionale Umgebung verheerend, sondern würde, wie Wissenschaftler befürchten, in extremen Fällen zu einer massiven Abkühlung des globalen Klimas führen, einem «vulkanischen Winter». Dieser könnte – wie ein sogenannter nuklearer Winter nach einem Atomkrieg – die Menschheit an den Rand des Aussterbens bringen.
Als Beispiel dafür gilt der Ausbruch des Supervulkans Toba auf der indonesischen Insel Sumatra vor 74'000 Jahren – die stärkste Eruption in den letzten zwei Millionen Jahren. Laut der freilich umstrittenen Toba-Katastrophentheorie war die dadurch verursachte globale Abkühlung um 3 bis 5 Grad Celsius dafür verantwortlich, dass die Zahl der Menschen drastisch auf wenige tausend zurückging. Dieser «genetische Flaschenhals» wurde durch Analyse der mitochondrialen menschlichen DNA ermittelt.
Der kühlende Effekt von Schwefel und Aschepartikeln in der Atmosphäre ist bekannt. Vulkanausbrüche in den vergangenen Jahrzehnten, bei denen moderne Messmethoden eingesetzt wurden, belegten dies: So gelangten bei der Eruption des Pinatubo 1991 insgesamt 17 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre, was das einfallende Sonnenlicht temporär um 5 Prozent reduzierte. Daraus resultierte in den folgenden anderthalb Jahren ein weltweiter Temperaturabfall um etwa 0,4 Grad.
Wie stark die globale Abkühlung durch die Eruption eines Supervulkans tatsächlich wäre, ist aber bislang nicht bekannt – es gibt lediglich Simulationen. Bisher publizierte Schätzungen rechnen mit einem Kühleffekt von 2 bis 8 Grad Celsius. Doch eine neue Studie, die im «Journal of Climate» erschienen ist, kommt zu bedeutend niedrigeren Werten.
Die Forscher vom Goddard Institute of Space Studies (GISS) der NASA und der Columbia University in New York kommen zum Schluss, dass der Kühleffekt solcher Supervulkan-Eruptionen nicht mehr als 1,5 Grad Celsius betragen dürfte, was in der Grössenordnung der Ausbrüche «normaler» Vulkane liegt. Dies ist das Ergebnis mehrerer Simulationen, die den Ausbruch eines Supervulkans modellierten, der mit dem Toba vergleichbar ist.
Der an der Studie beteiligte Physiker Zachary McGraw erklärte in einer Mitteilung des GISS:
Mit Supereruption ist ein Ausbruch gemeint, der mindestens 1000 Kubikkilometer Magma ausstösst (siehe Infobox oben). Die letzte solche Supereruption ereignete sich vor mehr als 22'000 Jahren in Neuseeland.
Die Forscher fokussierten in ihrer Simulation auf die Frage, wie stark die in die Atmosphäre verbrachten Partikel die Temperatur beeinflussen. Die Schwefelpartikel kondensieren in der Stratosphäre – dies ist die an die Troposphäre anschliessende zweite Schicht der Erdatmosphäre, die sich von etwa 15 bis 50 Kilometer Höhe erstreckt – zu flüssigen Sulfatpartikeln.
Diese Teilchen beeinflussen die Oberflächentemperatur auf der Erde auf zwei verschiedene Arten: Zum einen reflektieren sie Sonnenlicht, was zu einer Verringerung der Sonneneinstrahlung auf die Erde führt und damit einen abkühlenden Effekt hat. Zum andern aber können sie die Wärmestrahlung, die von der Erde ins All abgestrahlt wird, zurückhalten, was eine Art Treibhauseffekt ist.
Je kleiner und dichter die Schwefelteilchen sind, desto grösser ist ihre Fähigkeit, Sonnenlicht zu blockieren. Die Simulationen mit unterschiedlichen Grössen dieser Schwefelsäure-Tröpfchen führten denn auch zu äusserst unterschiedlichen Effekten auf die Temperatur, die von extremer Kälte bis zu einer globalen Erwärmung reichten. Die Schätzung der Teilchengrösse ist freilich schwierig, denn es gibt keine verlässlichen Daten dazu aus früheren Supereruptionen.
Die Analyse der Simulationen zeigte schliesslich, dass der Effekt der Supereruptionen auf das Klima begrenzt ist. Daher haben sogar die stärksten Ausbrüche von Supervulkanen keine greifbaren Spuren in der Geschichte des Lebens auf dem Planeten hinterlassen.
Dieser Befund könnte auch Auswirkungen auf die Diskussion über den Einsatz von Schwefelpartikeln zur Abkühlung des Erdklimas haben, das sogenannte Solar Radiation Management. Die Befürworter dieser umstrittenen Geoengineering-Methode verweisen auf die Abkühlung des globalen Klimas durch Schwefelpartikel, die durch Vulkaneruptionen in die Atmosphäre gelangt sind, und propagieren den künstlichen Eintrag von grossen Schwefelmengen in die Stratosphäre.
Die Ergebnisse der neuen Studie unterstreichen jedoch, dass in diesem Bereich nach wie vor grosser Forschungsbedarf herrscht. Der Einfluss von Vulkanausbrüchen auf die Erdoberflächen-Temperatur wird noch zu wenig verstanden, und es wäre daher fahrlässig, jetzt bereits massiv mit solchen technischen Grossprojekten in die geochemischen Kreisläufe der Erde einzugreifen. So müsste etwa die Frage, wie gross die Schwefelpartikel bei einer Supereruption tatsächlich waren, zuerst geklärt werden.
Faszinierend bleiben Vulkane auf jeden Fall.