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Supervulkane sind gar nicht so gefährlich wie gedacht

Vulkan Stromboli, Eruption bei Nacht aufgenommen.
Vulkan-Eruption bei Nacht: Der Stromboli mit seinem typischen Kegel ist allerdings kein Supervulkan. Bild: Shutterstock

Sind Supervulkane nicht so gefährlich wie gedacht?

17.03.2024, 14:24
Daniel Huber
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An einigen Stellen dieses Planeten leben die Menschen auf einer gigantischen geologischen Zeitbombe: auf einem Supervulkan. Bekannt sind etwa die Yellowstone-Caldera in den USA oder der Toba in Indonesien. Eines dieser gefährlichen Monster ist nicht allzu weit von der Schweiz entfernt – es sind die Phlegräischen Felder («Campi Flegrei») bei Neapel, die zudem in letzter Zeit beunruhigend aktiv waren.

Ganz in deren Nähe befindet sich der bekannte Vesuv, und anhand dieser beiden Vulkane lässt sich der Unterschied zwischen den Vulkantypen gut illustrieren: Während der Vesuv mit seinem Kegel den Golf von Neapel dominiert, sind die Phlegräischen Felder ein enormer, aber insgesamt eher flacher Kessel. Aufgrund ihrer riesigen Magmakammern bilden Supervulkane keine typischen Vulkankegel, sondern hinterlassen nach Ausbrüchen gigantische Einbruchkessel im Boden, sogenannte Calderen.

epa10885412 The closed Solfatara crater in Pozzuoli, Italy, 27 September 2023. A magnitude 4.2 earthquake occurred overnight in the Phlegraean Fields area near Naples, the biggest quake to hit the are ...
Der Solfatara-Krater ist Teil der Campi Flegrei. Bild: EPA ANSA
Yellowstone Vulkan.
Auch der Supervulkan unter dem Yellowstone-Nationalpark weist keinen typischen Vulkankegel auf. Bild: Shutterstock
Supervulkane
Der Begriff «Supervulkan» bezeichnet einen Vulkan, der einen Ausbruch der Stärke 8 auf dem Vulkanexplosivitätsindex (VEI) erlebt hat. VEI 8 gilt ab einem Volumen von gemessenen Ablagerungen für diesen Ausbruch, die grösser als 1000 km3 sind. Die VEI-Skala ist ein allgemeines Mass für die Explosivität eines Ausbruchs. Alle Eruptionen der Stufe VEI 8 ereigneten sich vor Zehntausenden bis Millionen von Jahren, deshalb stellt das Volumen des Auswurfs oder der Ablagerungen die beste Methode zur Klassifizierung dar.
Weltweit sind etwa 40 Supervulkane bekannt, von denen einige schon vollständig erloschen sind. Etwa 10 bis 15 Vulkane sind in letzter Zeit immer wieder vulkanisch aktiv gewesen. Nach neuesten Forschungen findet der Ausbruch eines Supervulkans weltweit nur alle 5000 bis 50'000 Jahre statt. Aktuell geben die beiden schlummernden Supervulkane im Yellowstone-Nationalpark (USA) und in den Phlegräischen Feldern (Italien) am meisten Anlass zur Sorge.

«Vulkanischer Winter»

Und wenn Supervulkane explodieren, jagen sie gewaltige Mengen Asche und Schwefel bis in die Stratosphäre. Dies wäre nicht nur für ihre regionale Umgebung verheerend, sondern würde, wie Wissenschaftler befürchten, in extremen Fällen zu einer massiven Abkühlung des globalen Klimas führen, einem «vulkanischen Winter». Dieser könnte – wie ein sogenannter nuklearer Winter nach einem Atomkrieg – die Menschheit an den Rand des Aussterbens bringen.

Als Beispiel dafür gilt der Ausbruch des Supervulkans Toba auf der indonesischen Insel Sumatra vor 74'000 Jahren – die stärkste Eruption in den letzten zwei Millionen Jahren. Laut der freilich umstrittenen Toba-Katastrophentheorie war die dadurch verursachte globale Abkühlung um 3 bis 5 Grad Celsius dafür verantwortlich, dass die Zahl der Menschen drastisch auf wenige tausend zurückging. Dieser «genetische Flaschenhals» wurde durch Analyse der mitochondrialen menschlichen DNA ermittelt.

Der kühlende Effekt von Schwefel und Aschepartikeln in der Atmosphäre ist bekannt. Vulkanausbrüche in den vergangenen Jahrzehnten, bei denen moderne Messmethoden eingesetzt wurden, belegten dies: So gelangten bei der Eruption des Pinatubo 1991 insgesamt 17 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre, was das einfallende Sonnenlicht temporär um 5 Prozent reduzierte. Daraus resultierte in den folgenden anderthalb Jahren ein weltweiter Temperaturabfall um etwa 0,4 Grad.

Doch keine massive Abkühlung?

Wie stark die globale Abkühlung durch die Eruption eines Supervulkans tatsächlich wäre, ist aber bislang nicht bekannt – es gibt lediglich Simulationen. Bisher publizierte Schätzungen rechnen mit einem Kühleffekt von 2 bis 8 Grad Celsius. Doch eine neue Studie, die im «Journal of Climate» erschienen ist, kommt zu bedeutend niedrigeren Werten.

Die Forscher vom Goddard Institute of Space Studies (GISS) der NASA und der Columbia University in New York kommen zum Schluss, dass der Kühleffekt solcher Supervulkan-Eruptionen nicht mehr als 1,5 Grad Celsius betragen dürfte, was in der Grössenordnung der Ausbrüche «normaler» Vulkane liegt. Dies ist das Ergebnis mehrerer Simulationen, die den Ausbruch eines Supervulkans modellierten, der mit dem Toba vergleichbar ist.

Der an der Studie beteiligte Physiker Zachary McGraw erklärte in einer Mitteilung des GISS:

«Die relativ geringen Temperaturänderungen, die unserer Meinung nach am ehesten mit den Indizien vereinbar sind, könnten erklären, warum keine einzige Supereruption eindeutige Beweise für eine globale Katastrophe für Menschen oder Ökosysteme erbracht hat.»

Mit Supereruption ist ein Ausbruch gemeint, der mindestens 1000 Kubikkilometer Magma ausstösst (siehe Infobox oben). Die letzte solche Supereruption ereignete sich vor mehr als 22'000 Jahren in Neuseeland.

Comparison of volcanic eruption in terms of ejected material.
Vergleich der bei einer Eruption ausgeworfenen Menge an Material. Die unterschiedlich dichten Ablagerungsprodukte werden dabei auf das blasenfreie Ausgangsmagma zurückgeführt (Dense Rock Equivalent, DRE).Grafik: Usgs.gov

Grösse der Schwefelpartikel ist entscheidend

Die Forscher fokussierten in ihrer Simulation auf die Frage, wie stark die in die Atmosphäre verbrachten Partikel die Temperatur beeinflussen. Die Schwefelpartikel kondensieren in der Stratosphäre – dies ist die an die Troposphäre anschliessende zweite Schicht der Erdatmosphäre, die sich von etwa 15 bis 50 Kilometer Höhe erstreckt – zu flüssigen Sulfatpartikeln.

Diese Teilchen beeinflussen die Oberflächentemperatur auf der Erde auf zwei verschiedene Arten: Zum einen reflektieren sie Sonnenlicht, was zu einer Verringerung der Sonneneinstrahlung auf die Erde führt und damit einen abkühlenden Effekt hat. Zum andern aber können sie die Wärmestrahlung, die von der Erde ins All abgestrahlt wird, zurückhalten, was eine Art Treibhauseffekt ist.

Je kleiner und dichter die Schwefelteilchen sind, desto grösser ist ihre Fähigkeit, Sonnenlicht zu blockieren. Die Simulationen mit unterschiedlichen Grössen dieser Schwefelsäure-Tröpfchen führten denn auch zu äusserst unterschiedlichen Effekten auf die Temperatur, die von extremer Kälte bis zu einer globalen Erwärmung reichten. Die Schätzung der Teilchengrösse ist freilich schwierig, denn es gibt keine verlässlichen Daten dazu aus früheren Supereruptionen.

Supervulkane

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Supervulkane
Horizontale Magmakammern unterhalb des Toba-Kraters: Vor der Supereruption vor 74'000 Jahren lagen die flachen Magmapfannkuchen auch in den oberen sieben Kilometern, meinen Forscher. «Crust» bezeichnet auf der Grafik die Erdkruste, «Mantle den Erdmantel.
quelle: ivan koulakov
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Begrenzter Einfluss auf das Klima

Die Analyse der Simulationen zeigte schliesslich, dass der Effekt der Supereruptionen auf das Klima begrenzt ist. Daher haben sogar die stärksten Ausbrüche von Supervulkanen keine greifbaren Spuren in der Geschichte des Lebens auf dem Planeten hinterlassen.

Dieser Befund könnte auch Auswirkungen auf die Diskussion über den Einsatz von Schwefelpartikeln zur Abkühlung des Erdklimas haben, das sogenannte Solar Radiation Management. Die Befürworter dieser umstrittenen Geoengineering-Methode verweisen auf die Abkühlung des globalen Klimas durch Schwefelpartikel, die durch Vulkaneruptionen in die Atmosphäre gelangt sind, und propagieren den künstlichen Eintrag von grossen Schwefelmengen in die Stratosphäre.

Die Ergebnisse der neuen Studie unterstreichen jedoch, dass in diesem Bereich nach wie vor grosser Forschungsbedarf herrscht. Der Einfluss von Vulkanausbrüchen auf die Erdoberflächen-Temperatur wird noch zu wenig verstanden, und es wäre daher fahrlässig, jetzt bereits massiv mit solchen technischen Grossprojekten in die geochemischen Kreisläufe der Erde einzugreifen. So müsste etwa die Frage, wie gross die Schwefelpartikel bei einer Supereruption tatsächlich waren, zuerst geklärt werden.

«Supervolcanoes 101 | National Geographic.»Video: YouTube/National Geographic
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Die grössten Vulkanausbrüche der letzten 20 Jahren.
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Die grössten Vulkanausbrüche der letzten 20 Jahren.
Vulkan: Hunga-Tonga
Standort: Tonga
Letzter Ausbruch: 14. Januar 2022
quelle: youtube
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Drohne filmt Vulkanausbruch und schmilzt
Video: watson
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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Macca_the_Alpacca
17.03.2024 16:08registriert Oktober 2021
Die Pest Epidemie 1665 und 1666 in London waren die Folge einer verheerenden Hungersnot. Diese war ausgelöste worden durch den kompletten Ausfall von 2 Ernten in den Jahren davor. Damals regnete es und der ganze Sommer kalt. Das waren die direkten Folgen eines oder mehrere verheerenden Vulkanausbrüchen. Sowohl Hungersnot und Pest sind sehr gute schriftlich dokumentiert. Die Vulkanausbrüche ebenfalls belegt.
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Sälüzäme
17.03.2024 15:10registriert März 2020
Was aus meiner Sicht fehlt sind die Auswirkungen des Schwefelsäure auf die Flora. Ich habe noch die toten Wälder vor Augen damals in der Tschechoslowakei und auch bei uns war der saure Regen ein Thema und erst durch die Entschwefelung der Brennstoffe wurde es besser. Ob es eine gute Idee ist die Klimaerwärmung temporär mit Schwefel aufhalten zu wollen wage ich zu bezweifeln. Ob, wie und welche Schäden ein Supervulkan anrichtet ist mMn eine reine Hypothese und wir dürfen froh sein es nicht herausfinden zu müssen.
Faszinierend bleiben Vulkane auf jeden Fall.
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