Während tausenden von Jahren lebten Menschen in Jäger- und Sammlergesellschaften. Die Arbeitsteilung war dabei vorwiegend so, jedenfalls in jenen Gemeinschaften, die heute noch so leben, dass die Männer die Jäger und die Frauen die Sammlerinnen waren. Dies führte dazu, dass die Männer in der Regel weiter liefen als die Frauen. In bäuerlichen Gesellschaften aber sieht es anders aus, wie eine neue Studie zeigt, die im Fachblatt «Current Biology» erschienen ist: Dort machen die Frauen mehr Schritte.
Ein Team von Anthropologen um Yuan Chen und Ruth Mace vom University College London reiste in die Grenzregion zwischen der Region Tibet und China, wo die Forscher Gruppen von Bauern und Hirten untersuchten. Es ging ihnen dabei um die Frage, welche Faktoren bestimmen, wer in einem Haushalt am härtesten arbeitet und warum.
Die grosse Mehrheit der Erwachsenen weltweit sei verheiratet, stellen die Studienautoren in einem Beitrag auf dem Online-Wissensportal realclearscience.com fest. Da es sich bei der Ehe um einen Vertrag handle, könnte man eigentlich davon ausgehen, dass Kosten und Nutzen für beide Parteien etwa gleich hoch sein müssten. Doch die Verhandlungsposition in einem Haushalt ist nicht immer für beide Parteien gleich, sodass es vorkommen kann, dass der eine mehr beiträgt als der andere.
Eine Form der Ungleichheit liegt darin, dass einer der beiden Partner in einer Ehe seine Familie verlassen muss. Die Forscher gingen davon aus, dass derjenige mehr arbeiten muss, der seine Familie und allenfalls auch sein Heimatdorf verlässt, um bei seinem Partner und dessen Familie zu leben. Diese Personen, die ihr angestammtes Umfeld aufgeben müssen, haben weder die gleichen Gene noch die gleiche Geschichte wie die aufnehmende Familie – sie können daher weniger Hilfe erwarten. Wie die Forscher feststellten, verfügt man ohne Blutsverwandte in der Nähe über weniger Verhandlungsmacht.
Weltweit sind es nach wie vor die Frauen, die ihre Familie verlassen, um mit ihrem Mann und dessen Familie zusammenzuleben (patrilokale Variante). Mittlerweile kommt es auch immer häufiger vor, dass beide Partner von zu Hause wegziehen und gemeinsam an einem neuen Ort leben (neolokale Variante). Viel seltener ist hingegen der Fall, dass der Mann zur Familie seiner Frau zieht (uxorilokale Variante). Und noch sehr viel seltener ist das Modell, bei dem beide Partner in ihrer Familie bleiben und getrennt leben (duolokale Variante). Alle vier Varianten kommen in der tibetischen Grenzregion vor – einer der Gründe, warum sie für die Anthropologen ein interessantes Forschungsgebiet ist.
Die Wissenschaftler befragten mithilfe chinesischer Forscher rund 500 Personen in Dörfern mit sechs verschiedenen Ethnien und Kulturen, wo sie nach ihrer Eheschliessung lebten. Zudem baten sie diese Personen, einen Aktivitätsmesser zu tragen, um so Rückschlüsse auf ihr Arbeitspensum zu ermöglichen. Das Resultat der Auswertung war eindeutig: Frauen arbeiteten durchwegs härter als Männer und leisteten einen grösseren Beitrag an ihre Familie. Dies ergab sich sowohl durch die Berichte der Frauen selbst als auch durch die Daten ihrer Aktivitätsmesser.
Diese zeigten, dass Frauen im Schnitt etwas mehr als 12'000 Schritte pro Tag machten, während Männer im Mittel nur auf 9000 Schritte kamen. Da es sich um Gemeinschaften in einer zutiefst bäuerlichen Gesellschaft handelt, in denen jeder Hirte oder Bauer ist, kann die Anzahl der Schritte durchaus als Indikator für die geleistete Arbeit dienen. Männer machten nicht nur etwa ein Viertel weniger Schritte als Frauen, sie hatten auch mehr Zeit für soziale Aktivitäten oder um sich auszuruhen.
Die Anthropologen führen den grossen Unterschied in der erbrachten Arbeitsleistung zum Teil darauf zurück, dass Frauen im Durchschnitt körperlich schwächer sind als Männer und daher eine schlechtere Verhandlungsposition haben. Es zeigte sich aber auch, dass jene Personen – und zwar Frauen wie Männer –, die ihre eigene Familie verliessen und zu ihrem Partner zogen, härter arbeiten mussten als jene, die in ihrem Umfeld bleiben konnten.
Frauen, die wegen ihrer Heirat zur Familie ihres Mannes ziehen, was weltweit nach wie vor die mit Abstand häufigste Variante ist, müssen also härter arbeiten. Verlassen beide Partner ihre Familie, müsse beide härter arbeiten, weil sie keine Hilfe von ihren Familien erhalten. Die Frauen arbeiten aber auch in diesen Fällen härter als die Männer. Nur dann, wenn der Mann zur Familie der Frau zieht, arbeiten beide Partner gleich hart.
Für die Anthropologen liefern diese Resultate eine Erklärung dafür, warum die patrilokale Variante, bei der die Frau zur Familie des Mannes zieht, weitaus am häufigsten ist. Wenn Männer ihre Familie verlassen, müssen sie nämlich ihre Schrittzahl um etwa 2000 pro Tag erhöhen, während es im umgekehrten Fall bei den Frauen nur 1000 sind.
Allerdings kommt langsam Bewegung in dieses Muster. Da Frauen immer häufiger ausserhalb der Familie ihres Partners und ihrer eigenen Familie leben, nimmt ihre Verhandlungsmacht zu. Die umso mehr, als sie zunehmend über Bildung und Autonomie sowie selbst erwirtschafteten Wohlstand verfügen. In vielen städtischen, industriellen und postindustriellen Gesellschaften übernehmen Männer allmählich eine höhere Arbeitslast – auch wenn es etwa im reichen Westen, wo sitzende Tätigkeiten weitverbreitet sind, immer noch die Frauen sind, die den grössten Teil der Hausarbeit leisten. (dhr)
Sprich, dass Proteinen einen höheren Stellenwert als den „einfach“ verfügbaren Kohlenhydraten, weswegen es bspw. Männern vietnamnesischer Stammesvölker nicht krimm genommen wird, wenn sie ggü. ihren Frauen praktisch nur auf der faulen Haut liegen und dafür abends Fisch oder Insekten beisteuern…
Aber viel wichtiger: Bin ich der einzige der 9 - 12k Schritte extrem wenig für eine solche Tätigkeit findet?