Moderna testet eine mRNA-Impfung, die Multiple Sklerose verhindern soll
Epstein, da war doch was. Doch hier geht es nicht um den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, sondern um den Pathologen Anthony Epstein und die Virologin Yvonne Barr. Die beiden isolierten vor 60 Jahren aus den Herpesviren einen Erreger aus Tumorgewebe und bewiesen dabei das krebserregende Potenzial dieses Virus. Dieses erhielt den Namen Epstein-Barr-Virus (EBV).
Über 90 Prozent der Erwachsenen sind mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert, das zu den Herpesviren gehört, und die allermeisten wissen nichts davon, weil sie deswegen nicht stark erkranken. Die Hälfte der Betroffenen infiziert sich bereits vor dem fünften Lebensjahr, viele dann noch als Jugendliche.
EBV-Infektionen sind der hauptsächliche Auslöser des Pfeifferschen Drüsenfiebers, im Fachjargon infektiöse Mononukleose genannt. Sie wird oft als Kusskrankheit bezeichnet, weil das Drüsenfieber hauptsächlich über den Speichel übertragen wird. Diese Entzündung der Lymphknoten und des Rachenraums heilt spontan wieder aus, legt Betroffene oftmals über Wochen lahm.
Das Virus EBV ist aber nicht nur die Ursache von Drüsenfieber, sondern auch bei der Entstehung von Krebs und Autoimmunerkrankungen beteiligt ist – von Lupus und vor allem von Multiple Sklerose (MS), an der zum Beispiel der «Züri West»-Sänger Kuno Lauener erkrankt ist.
2023 gelang es einem Team, um den US-Forscher Alberto Ascherio, das Epstein-Barr-Virus als Hauptursache für MS zu identifizieren. Jene Menschen, welche keine Antikörper gegen EBV im Blut haben, erkranken nämlich nicht an MS. Nach einer Infektion aber steigt das Risiko zu erkranken um das 32-fache an und Blutwerte, die auf Nervenschädigung hindeuten, erhöhen sich. Es gibt aber auch noch andere Auslöser als EBV.
Impfstoffe gegen das Epstein-Barr-Virus
Das schlummernde Epstein-Barr-Virus hat in unserem Körper somit ein gefährliches Potenzial. Deshalb wird nach Impfstoffen gegen das Virus gesucht. Die Firma Moderna hat zwei Impfstoffe in der Pipeline: Erstens schon länger den vorbeugenden Impfstoff mRNA-1189, der besonders relevant für Jugendliche ist, die noch nicht infiziert sind. Zweitens neu den Impfstoff mRNA-1195 für Menschen, die bereits infiziert sind. Dieser wird nun in Schottland in der Phase 2 mit 180 Multiple-Sklerose-Patienten getestet.
Der prophylaktische Impfstoff mRNA-1189 verhindere die schnelle Virusvermehrung und zeige gute Verträglichkeit sowie starke Antikörperreaktionen, schreibt Moderna. Der therapeutische Impfstoff mRNA-1195 ziele zusätzlich auf latent infizierte B-Zellen, also die Gedächtniszellen, und werde vor allem für Menschen mit MS entwickelt.
«Diese Studie wird mit MS-Patienten gemacht, da man vermutet, dass diese ein erhöhtes Reservoir EBV-infizierter B-Zellen in verschiedenen Geweben haben, welche die Erkrankung weiter vorantreiben», erklärt Professor Christian Münz von der Universität Zürich. Diese Gedächtnis-Zellen möchte man durch die therapeutische Impfung reduzieren. Ziel ist es, dem Körper beizubringen, wie man ein bestimmtes Protein herstellt, welches das Immunsystem dann erinnert, EBV nicht zu aktivieren und auf andere Zellen auszubreiten.
Dieser Impfstoff verhindert, dass EBV aktiviert wird, das schliesslich Multiple Sklerose auslösen könnte. Bei der prophylaktischen EBV-Impfung mRNA-1189 werden von Moderna mRNAs verwendet, die Proteine des Viruspartikels verschlüsseln. Damit soll nach Münz die Virusmenge während der primären EBV-Infektion massgeblich durch Antikörper so weit reduziert werden, dass kein Pfeiffersches Drüsenfieber auftritt.
Bei der Impfung zur Eindämmung von Multiple Sklerose mRNA-1195 werden vermutlich auch latente EBV-Antigene eingeschlossen. Das sind Antigene, die in ruhenden, aber infizierten Gedächtnis-B-Zellen vorkommen und deren Vermehrung fördern. Durch diese zusätzlichen Antigene könnten die dadurch aktivierten T-Zellen das Reservoir an EBV-infizierten Gedächtnis-B-Zellen verringern, die Multiple Sklerose auslösen, sagt Münz.
Prozess über zweieinhalb Jahre
«Dies ist eine wichtige und innovative Studie zur Behandlung der Multiplen Sklerose, indem eine EBV-Infektion mit einem Impfstoff gezielt behandelt wird», sagt Professor David Hunt, nationaler Chefforscher der Studie und Direktor des MS- und Neuroimmunologie-Zentrums der University of Edinburgh in der Zeitschrift «Independent». Die Studienphase an zehn Standorten in Schottland wird etwa zweieinhalb Jahre dauern.
Über die Behandlung hinaus werden die Forscher auch prüfen, ob eine weitverbreitete Impfung gegen EBV, also auch bei Personen, die keine Multiple Sklerose haben, zur Verhinderung dieser Erkrankung beitragen könnte. Dafür seien dann noch weitere Untersuchungen notwendig.
Für Lupus werden B-Zellen umprogrammiert
EBV kann auch die Autoimmunkrankheit Systemischer Lupus auslösen, bei der das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Gewebe angreift und Entzündungen in vielen Organen wie Haut, Gelenken, Nieren, Herz, Lunge und Gehirn verursacht.
Nun haben Wissenschafter um Shady Younis von der Stanford University entdeckt, dass das Virus Lupus auslöst, indem es selbst B-Zellen umprogrammiert. Die meisten infizierten Zellen waren solche Gedächtnis-B-Zellen, die sich an frühere Infektionen erinnern. Das Virus verändert die B-Zellen so, dass diese körpereigenen Stoffe als fremd erkennen.
So lösen sie einen Teufelskreis der Selbstabwehr aus. Die Studie zeigte erstmals, wie ein virales Protein namens EBNA2 diese Umprogrammierung vorantreibt. Diese Forschungsresultate liefern eine Erklärung, warum Lupus-Therapien erfolgreich sind, wenn diese die B-Zellen ausschalten. (aargauerzeitung.ch)
