Es sah nicht gut aus für Alyssa. Bei dem damals 12-jährigen Mädchen wurde 2021 eine aggressive Form von Blutkrebs diagnostiziert: eine akute lymphoblastische Leukämie mit T-Zellen. Diese häufigste Krebsart bei Kindern befällt die T-Lymphozyten des Immunsystems, die Viren bekämpfen. Alyssa reagierte nicht auf die herkömmliche Behandlung, die auch Chemotherapie und Knochenmarktransplantation umfasste. Die Ärzte sahen nur noch die Möglichkeit einer palliativen Behandlung – also Alyssas Sterben zu lindern.
Doch heute geht es dem britischen Teenager aus Leicester gut. Eine bahnbrechende Behandlung am Londoner Great Ormond Street Hospital for Children (GOSH) drängte die Krankheit zurück; nach 28 Tagen war Alyssas Krebs in kompletter Remission. Das ermöglichte ihr, eine zweite Knochenmarktransplantation zu erhalten, die ihr Immunsystem wiederherstellte. Diese Genesung sei «ziemlich bemerkenswert», bemerkte ein Arzt des Spitals, doch die Ergebnisse müssten in den kommenden Monaten noch überwacht und bestätigt werden.
Alyssa war am GOSH in eine klinische Phase-1-Studie aufgenommen worden, bei der sie im Mai des vergangenen Jahres gentechnisch veränderte Immunzellen eines gesunden Freiwilligen erhielt. Gemäss einer Mitteilung des GOSH ist Alyssa die erste Patientin, die T-Zellen mit Basen-Editierung erhalten hat. Die Ergebnisse wurden zudem auf dem Kongress der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH) vorgestellt.
6 months ago, after all other treatments for T-cell acute lymphoblastic leukaemia had failed, Alyssa became the first person in the world to receive base-edited cell therapy as part of a clinical trial at GOSH & @UCLchildhealth. Meet Alyssa & the research team behind the trial 👇 pic.twitter.com/YwCQfnCJux
— Great Ormond Street Hospital (@GreatOrmondSt) December 11, 2022
Wie die CRISPR/Cas-Methode («Gen-Schere»), die gezielt Gene in die DNA einfügen oder aus ihr ausschneiden kann, ist die Basen-Editierung (engl. «Base Editing») eine Gen-Technik. Sie tauscht jedoch nicht ganze Gene, sondern nur einzelne Basen in der DNA aus. Das menschliche Erbgut ist in der DNA in den vier Nukleotidbasen Adenin (A), Guanin (G), Cytosin (C) und Thymin (T) kodiert, die sich in der DNA-Doppelhelix stets in AT- beziehungsweise GC-Paaren verbinden. Ein Basen-Editor kann ein GC-Basenpaar chemisch durch ein Enzym in ein AT-Paar oder umgekehrt ein AT-Paar in ein GC-Paar umwandeln.
Basen-Editoren enthalten eine Guide RNA (gRNA), mit der sie zur Zielsequenz im Genom gelangen, die sie verändern sollen. Mittels eines modifizierten Cas9-Enzyms spalten sie die DNA-Stränge auf, trennen sie indes nicht durch. Das hat den Vorteil, dass Base Editing keine Brüche in der DNA verursacht und daher mit weniger ungewollten Effekten einhergeht als CRISPR/Cas. Bei dieser «Gen-Schere» kann es bei der Reparatur des Doppelstrangbruchs geschehen, dass DNA-Bausteine zufällig eingefügt werden oder verloren gehen.
Base Editing ist bisher besonders in der Medizin von Bedeutung, da viele Krankheiten auf Punktmutationen im Genom zurückzuführen sind, an denen diese Gen-Technik gezielt ansetzt. Zur Behandlung von B-Zell-Leukämie entwickelten Forscher des GOSH und des University College London bereits seit 2015 genom-editierte T-Zellen. Bei der T-Zell-Leukämie kam jedoch die Herausforderung dazu, dass die T-Zellen, die die Krebszellen erkennen und vernichten sollten, sich während des Herstellungsprozesses gegenseitig abtöteten. Die Basen-Editoren mussten daher zuerst modifiziert werden.
Im Fall von Alyssa modifizierten die Forscher T-Lymphozyten eines Spenders zu sogenannten chimären Antigenrezeptor-T-Zellen (CAR-T-Zellen), damit diese die Krebszellen in Alyssas Körper erkennen und zerstören konnten. Die Modifizierung der T-Zellen erfolgte in vier Schritten:
«Base Editing ist die aktuell ausgefeilteste Zelltechnik und ebnet den Weg für andere neue Behandlungen und letztlich eine bessere Zukunft für kranke Kinder», erklärt der Immunologe Waseem Qasim, Studienleiter und Professor am University College London, in der Mitteilung des Spitals. Alyssa selber sagt, sie habe nicht nur für sich selbst an der klinischen Studie teilgenommen, sondern auch für andere Kinder. Und ihre Mutter Kiona fügte hinzu: «Hoffentlich beweist dies, dass die Forschung funktioniert, und sie können sie mehr Kindern anbieten.»
Das britischste Statement, das ich seit langem gelesen habe😂
Weiter so ..