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Forschungsteam entdeckt 18'000 Jahre alte Kannibalismus-Spuren

Menschliche Überreste aus der Maszycka-Höhle.
Menschliche Überreste aus der Maszycka-Höhle.Bild: Antonio Rodríguez-Hidalgo IAM (CSIC-Junta de Extremadura)

Prähistorische Europäer assen vor 18'000 Jahren die Hirne ihrer Feinde

14.02.2025, 15:3714.02.2025, 15:37
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Menschen in der späten Eiszeit haben Teile von Verstorbenen verspeist. Forscher fanden an menschlichen Knochen aus Mitteleuropa aus der Zeit vor 18'000 Jahren Spuren von Kannibalismus, wie die Universität Göttingen (Deutschland) am Montag berichtete.

Schnittstellen und andere Spuren an Überresten aus der sogenannten Maszycka-Höhle in Südpolen deuten demnach auf eine systematische Zerlegung von Verstorbenen und Kannibalismus hin.

Die Maszycka-Höhle ist eine bedeutende Fundstätte aus der späten Altsteinzeit. Bereits vor mehr als hundert Jahren entdeckten Forscher dort zwischen Steingeräten, Knochenspitzen und Jagdbeuteresten eiszeitlicher Tiere auch Menschenknochen. Grabungen in den 60er Jahren lieferten weitere menschliche Überreste, so dass insgesamt 63 Knochen von zehn Individuen aus der späten Eiszeit für die Untersuchung zur Verfügung standen.

Der Eingang zur Maszycka-Höhle. Die Maszycka-Höhle in Polen ist eine bedeutende Fundstätte aus der späten Altsteinzeit.
Der Eingang zur Maszycka-Höhle.Bild: Darek Bobak

Unmittelbar nach dem Tod zerlegt

Ein internationales Forschungsteam identifizierte mit modernen Methoden in 36 Fällen Spuren, die auf eine Zerlegung der Menschen unmittelbar nach ihrem Tod hindeuten, noch bevor sie zu verwesen begannen. Schnittspuren an Schädelfragmenten zeugen demnach von einer Abtrennung von Muskelansätzen und Kopfhaut, während lange Knochen zerschlagen wurden, um an das Knochenmark zu gelangen.

Schnitt- und Schlagspuren, die auf Kannibalismus hindeuten, finden sich an verschiedenen menschlichen Skelettteilen aus der Maszycka-Höhle.
Schnitt- und Schlagspuren, die auf Kannibalismus hindeuten, finden sich an verschiedenen menschlichen Skelettteilen aus der Maszycka-Höhle.Bild: Antonio Rodríguez-Hidalgo IAM (CSIC-Junta de Extremadura)

Mehrere Frakturen deuten darauf hin, dass unsere entfernten Vorfahren nicht nur versuchten, an das Knochenmark zu kommen, sondern auch an das nährstoffreiche Gehirn. Dies legt nahe, dass diese prähistorischen Europäer auch Gehirne assen. Wahrscheinlich wurden die Überreste sogar vollständig verzehrt.

Diese Funde wurden mit dem sogenannten Magdalénien in Frankreich in Verbindung gebracht, einer späteiszeitlichen Gesellschaft, die vor etwa 20'000 bis 14'500 Jahren existierte und bekannt ist für ihre eindrucksvollen Kunstwerke – wie zum Beispiel die berühmten Höhlenmalereien von Lascaux.

Unter den 18.000 Jahre alten Funden aus der Maszycka Höhle sind auch einige, teilweise verzierte Geschoss-Spitzen aus Knochen und Geweih erhalten.
Unter den 18'000 Jahre alten Funden aus der Maszycka Höhle sind auch einige, teilweise verzierte Geschoss-Spitzen aus Knochen und Geweih erhalten.Bild: Darek Bobak

Erstautor Francesc Marginedas hält eine Art Gewaltkannibalismus für möglich. Nach dem Kältemaximum der letzten Eiszeit kam es zu einem Bevölkerungswachstum, was zu Konflikten um Ressourcen und Territorien geführt haben könnte. Zudem seien in der Maszycka-Höhle menschliche Überreste mit Siedlungsabfall vermischt, was auf keinen respektvollen Umgang mit den Toten hindeute.

Einen Kannibalismus aus Not halten die Forscher hingegen für unwahrscheinlich, weil die vielfältigen künstlerischen Zeugnisse auf günstige Lebensbedingungen in dieser Zeit hinweisen. Die Ergebnisse erschienen in der Fachzeitschrift «Scientific Reports». (sda/afp)

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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Holzkopf
14.02.2025 17:10registriert November 2017
Irgendwie scheint mir das noch logisch (Ressourcen waren knapp) und erschreckt mich so wenig, dass ich statt Funde sogar Fondue gelesen habe 🤣
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Dörfu
14.02.2025 16:19registriert Januar 2019
"Kannibalismus aus Not"?
Heute wurde mann sagen nachhaltiger Kannibalisnus um Ressourcen zu schonen.
Ökologischer-Kannibalismus um nichts zu verschwenden.
🍗🍖🥩🍽
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