Wer die Bahnhof-Apotheke in bayerischen Weilheim betritt und nach homöopathischen Mitteln fragt, wird erstmal vertröstet. Iris Hundertmark, der die Apotheke gehört, hat sich zu einem drastischen Schritt entschieden. Sie hat Homöopathie aus ihren Regalen verbannt.
Frau Hundertmark, warum haben Sie sich dazu entschieden, homöopathische Medikamente nicht mehr anzubieten?
Iris Hundertmark: Aus Gewissensgründen – ich möchte absolut ehrlich zu
meinen Kunden sein. Ich habe Pharmazie studiert, bin Pharmazeutin und habe die Aufgabe, die Bevölkerung zu informieren nach dem Stand der Wissenschaft. Über homöopathische Mittel kann ich meine Kunden aber nicht umfassend beraten, weil ich keine Beweise habe, dass sie überhaupt wirken.
Worin sehen Sie Probleme mit homöopathischen Mitteln?
Ich stelle sie infrage. Wir sind von unserer
Apothekerkammer dazu angehalten, leitliniengerecht zu beraten. Die Hersteller müssen Beweise über die Wirkung ihres Medikamentes erbringen und die nutze ich dann, um meine Kunden zu beraten.
Wenn Sie zum Beispiel in meine Apotheke kommen und Sie wollen eine Packung Aspirin, werde ich Ihnen gezielt Fragen stellen und Sie darüber aufklären, was passieren kann, wenn Sie das Medikament einnehmen, wofür das Mittel ist oder ob Sie einen Arzt aufsuchen müssen. Ich schiebe die Tabletten nicht einfach über die Theke.
Im Fall der Homöopathie sieht das anders aus, Leitlinien gibt es in dem Sinne nicht. Würden Sie mich um eine Flasche Arnika bitten, müsste ich sie abgeben, ohne etwas dazu sagen zu können. Denn uns fehlen wissenschaftliche, evidenzbasierte Beweise, dass homöopathische Mittel wirklich wirken.
Does homeopathy work? pic.twitter.com/KGGXYlXcu2
— Dr. Christian Lübbers (@drluebbers) 26. Januar 2018
Was machen Sie, wenn Kunden kommen, die nach homöopathischen Mitteln fragen?
Ich frage sie, was sie haben – das ist sowieso meine Pflicht. Dann schlage ich ihnen schulmedizinische Medikamente vor und merke an, dass wir die homöopathischen Mittel nicht vorrätig haben.
Wenn jemand trotzdem unbedingt eine homöopathische Arznei haben möchte, bestelle ich die. Ich schreibe niemandem vor, was er tun oder lassen soll. Ich sage den Kunden dann, dass es einen Tag oder länger dauern kann, bis die Mittel ankommen. Oder sie müssen es eben bei anderen Kollegen versuchen, die das Mittel vielleicht in der Schublade haben.
Ich kann dem Kunden nur sagen: Ich bestelle Ihnen das Medikament, wenn Sie es wollen, aber Sie sollten wissen, dass es keine nachgewiesene Wirksamkeit hat. Dann hat er die Wahl. Er kann sich etwas anderes empfehlen lassen oder er sagt: «Das weiss ich, aber mir hilft das trotzdem.» Das ist dann okay für mich, aber ich will wenigstens auf den Stand der Wissenschaft hingewiesen haben.
Ist das nicht schlecht fürs Geschäft?
Ich riskiere Verluste. Aber meine Kunden wissen, dass sie von
mir Ehrlichkeit erwarten können. Das ist mir wichtig.
Für die allererste (!!!) #ApothekeOhneHomöopathie werden gerade die Regale geleert. Da wird nicht mehr viel übrig bleiben... pic.twitter.com/mc2TS6J85r
— Dr. Christian Lübbers (@drluebbers) 15. August 2018
Wie finden die Kunden das?
Die Kunden reagieren positiv, weil ich ihnen ja die Wahl
lasse. Ich sage niemandem: Kaufen Sie das nicht. Ich möchte nur vernünftig
aufklären, dass Homöopathie ein Risiko darstellen kann, wenn man akut krank
ist. Wenn Sie sich zum Beispiel in den Finger schneiden und Sie behandeln die
Wunde nur mit Arnika-Globuli, ist die Gefahr für Infektionen höher als mit
einer schulmedizinischen Behandlung. Ich kann Ihnen nicht die Globuli geben und
mit Sicherheit behaupten, dass sie wirken.
Homöopathie ist sehr umstritten, die Diskussion darum wird hitzig geführt. Da ist es erstaunlich ist, dass
sich noch keine andere Apotheke dazu entschieden hat, die Mittel
aus dem Regal zu nehmen. Warum glauben Sie, ist das so?
Als Apothekerin bin ich ja nicht nur Pharmazeutin,
sondern auch Kauffrau. Ich muss meine Angestellten bezahlen und das Geschäft
muss laufen. Eine solche Entscheidung muss gut überlegt sein. Ich persönlich habe den Entschluss als
Naturwissenschaftlerin gefasst und es war für mich eine ethische Entscheidung.
Ich beziehe damit eine ehrliche Haltung und ich bin überzeugt, dass Ehrlichkeit
am Längsten währt. Aber damit geht man natürlich ein Risiko ein.
Menschen, die sagen, dass Homoöpathie ihnen hilft, profitieren aus wissenschaftlicher Sicht vom Placeboeffekt. Das ist ja schon eine erstaunliche Sache und teils sogar wünschenswert, bei harmlosen Erkältungen zum
Beispiel. Wie denken Sie darüber?
Der Placebo-Effekt ist unbestritten und anerkannt. Er
ist Teil klinischer Studien, in denen Patienten nicht wissen, ob sie ein echtes
Medikament oder ein Placebo bekommen. Und wir sehen, dass sich auch unter
wirkungslosen Tabletten eine Wirkung zeigen kann.
Ich finde das grossartig und freue mich, wenn es
funktioniert. Deshalb will ich die Homöopathie auch nicht grundsätzlich
verteufeln. Aber im echten Krankheitsfall kann es riskant sein, sich nur darauf
zu verlassen. Ich will das Gespräch darüber führen, sonst unterscheide ich
mich nicht von irgendeiner Online-Apotheke, die nur eine Plattform für
Bestellungen ist.