Wenn dich ein Tattoo vor K.-o.-Tropfen warnt
Ein Abend im Klub oder in der Bar – und im Hinterkopf die Angst, dass jemand Drogen ins Getränk mischt, ohne dass man es merkt: Berichte über sogenannte Date Rapes, bei denen vornehmlich Frauen durch K.-o.-Tropfen wehrlos gemacht und dann sexuell missbraucht werden, verunsichern viele Partygänger. Gegen diese allgegenwärtige Gefahr, selbst in geselliger Runde unter Freunden und Bekannten, gibt es zwar Schnelltests, die gängige Substanzen in K.-o.-Tropfen erkennen können. Doch die meisten Tests sind umständlich und man muss minutenlang auf das Ergebnis warten. Und sie sind auffällig.
Wesentlich diskreter und schneller ist da eine Lösung, die südkoreanische Fachleute entwickelt haben: Es handelt sich um ein ultradünnes, selbstklebendes temporäres Tattoo, das man etwa auf der Hand oder auf dem Handgelenk anbringen kann. Es vermag schon geringe Mengen (0,01 Mikrogramm pro Milliliter Getränk) von Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB), den klassischen K.-o.-Tropfen, nachzuweisen (siehe Box). Dies ist weit weniger als die wirksamen Konzentrationen der Droge.
10 bis 20 Minuten nach der Einnahme von K.-o.-Tropfen, die farblos sind und kaum Eigengeschmack aufweisen, fühlen sich die Betroffenen erst euphorisch, dann müde und willenlos. Es können Symptome wie Übelkeit, Benommenheit, tiefe Bewusstlosigkeit und Atemnot auftreten. Nach dem Aufwachen können sich die Personen an nichts mehr erinnern.
Fingerspitze eintauchen
Um ein Getränk zu testen, genügt es, eine Fingerspitze kurz darin einzutauchen und dann den Aufkleber zu benetzen. Falls GHB im Getränk vorhanden ist, wechselt er seine Farbe in Sekundenschnelle zu Rot. Die Verfärbung bleibt bis zu 30 Tage sichtbar – was ein Vorteil sein kann, da dies das Tattoo möglicherweise auch nachträglich als Beweismittel geeignet macht. Wird es nicht mehr gebraucht, lässt es sich einfach entfernen.
Das Forschungsteam um Gyeong-Ji Kim von der Sungkyunkwan University, das seine Studie im Fachmagazin ACS Sensors veröffentlicht hat, testete das selbstklebende Tattoo mit einer Reihe von beliebten Getränken wie Bier, Whisky, Wodka, dem koreanischen Reiswein Soju und sogar Kaffee. Der Aufkleber funktionierte in allen Fällen zuverlässig, das Ergebnis war jeweils korrekt und lag blitzschnell vor. Überdies ist das Selbstklebe-Tattoo wasserfest und widerstandsfähig gegen mechanische Beanspruchung.
«Diese Technologie ist effektiv und kostengünstig, und die Aufkleber sind einfach herzustellen», schreiben die Forscher. «Wir sind überzeugt, dass diese neue Erfindung einen grossen Beitrag zur Prävention von Missbrauch leisten kann.»
Diskret und schnell
Um den Aufkleber herzustellen, legten die Wissenschaftler eine Form über eine dünne, mit Tattoo-Motiven verzierte Kunststofffolie. In diese Form gossen sie eine Gel-Mischung, die einen chemischen Rezeptor enthält, der auf GHB anschlägt und sich bei Kontakt damit rot verfärbt. Die Rückseite der Folie wurde dann mit einer verdünnten Klebstofflösung beschichtet, damit sie auf der Haut haften bleibt. Der Aufkleber kann daher alle möglichen Formen aufweisen und sieht wie ein harmloses Tattoo aus.
Dies ist auch einer der Hauptvorteile des Tattoos: Es zieht in einem Klub oder auf einer belebten Party keine misstrauischen Blicke auf sich und erlaubt es, einen Test vorzunehmen, ohne dass jemand es bemerkt. Besonders geeignet ist es daher in Situationen, in denen man sein Getränk nicht ständig im Auge behalten kann. Die einfache und diskrete Anwendung erlaubt es, regelmässig den Inhalt seines Getränks zu überprüfen.
Noch im Versuchsstadium
Noch gibt es das Tattoo nicht im Handel; es befindet sich noch im Versuchsstadium und wird derzeit noch ausschliesslich im Labor hergestellt. Es dürfte freilich nur eine Frage der Zeit sein, bis es kommerziell erhältlich ist – seine simple Machart und die niedrigen Produktionskosten machen es leicht skalierbar, wie die Forscher betonen. «Das temporäre Tattoo der Zukunft ist stilvoll und rettet Ihnen im Nachtklub das Leben», schreiben sie.
Falls das Produkt auf den Markt kommt, könnten es etwa Barbetreiber oder Klubbesitzer ihren Gästen zur Verfügung stellen. Oder Personen könnten es sich kaufen, bevor sie sich in potenziell gefährliche Situationen begeben. (dhr)