Wir wissen ja bereits, dass fast alle Männer täglich ans Römische Reich denken. Und ein paar Frauen auch. Ich zumindest. Es ist ein bisschen wie Heimweh, nur mit dem Unterschied, dass Rom gar nie mein richtiges Zuhause war. Aber mein Geist geht hier ein und aus. Und den euren möchte ich heute auch ganz herzlich dazu einladen.
Hier kommen also 10 Römersachen, an die du mit grosser Wahrscheinlich nicht denkst, wenn du dich in diese untergegangene Welt begibst.
Gegründet wurde Rom der Legende nach am 21. April 753 v. Chr. von Romulus, der über seinen Zwillingsbruder Remus triumphierte.
Die beiden hatten sich partout nicht darüber einigen können, wer der Bauherr und damit der Namensgeber ihrer neuen Stadt werden sollte. Romulus aber gewann mehr Anhänger und begann darum augenblicklich damit, eine Furche zu ziehen, die die Grösse der werdenden Stadt bestimmen sollte. Er legte einen Stadtgraben und eine Mauer an, die in jenen Anfängen allerdings noch sehr niedrig war, weshalb der über ihn spottende Remus mühelos über sie drüberhüpfen konnte. Doch das war nicht einfach ein neckischer Hopser eines gekränkten Bruders. Es bedeutete eine schwere Verletzung von Recht und Gesetz, da die Grenze als heilig galt. Ein bisschen kann man also schon nachvollziehen, dass Romulus sich darüber aufregte. Dass er seinen Zwillingsbruder deswegen gleich erschlagen musste, na ja.
Und nun stellt euch vor, es wäre umgekehrt gelaufen ...
Die frühe Römische Republik war kein so schöner Ort, wenn man ein Plebejer war, also ein Bürger ohne adliges Blut, ein gewöhnlicher Bauer, Handwerker, Händler eben, einer aus dem Pöbel. Die anderen, die Patrizier, die aus der Oberschicht Stammenden, lenkten die Geschicke des Stadtstaates, der sich allmählich die umliegenden Städte einzuverleiben begann und im 4. vorchristlichen Jahrhundert bald ganz Italien unter seine Kontrolle gebracht hatte.
Diese Männer waren es, die die Magistrate dieses aufstrebenden Reiches stellten, sie machten die Gesetze, sprachen Recht und übten es auch gleich selbst aus. Da war nichts mit Gewaltenteilung, das patrizische Machtmonopol ging gar so weit, dass hohe Beamte ihnen unliebsame Bürger einfach hinrichten durften. Ein Privileg, das sie von den Königen übernommen hatten, deren Vollgewalt sie erbten, als sie den siebten und letzten von ihnen, Lucius Tarquinius Superbus, aus der Stadt jagten.
Damit war 300 v. Chr. Schluss: Die Plebejer hatten sich die Lex Valeria erkämpft. Das Recht eines jeden Bürgers, bei Bedrohung seines Lebens durch magistratische Strafgewalt das Volk anzurufen. Niemand hatte fortan das Recht, innerhalb der geheiligten Grenze der Stadt Rom einen Bürger zu töten.
Und damit durfte da auch niemand mehr Waffen mit sich herumschleppen. Sobald man das pomerium überschritt, legte man seine Befehlsgewalt nieder und betrat, Toga tragend und als Privatmann, die Stadt. Was man als hoher Magistrat allerdings weiterhin von einem Liktor – einer Art Leibwächter – vor sich hertragen lassen durfte, waren die Fasces, ein Rutenbündel – schliesslich war so gar keine Machtdemonstration auch keine Option. Und während der Konsul zwölf Rutenbündel führte, waren es beim Prätor (Gerichtsbeamter) nur sechs.
Triumphzüge bildeten die grosse Ausnahme: Hierbei durften der siegreich vom Krieg heimgekehrte Feldherr und sein Heer nach Absprache mit dem Senat – er musste erst brav vor der Grenze lagern, bis das OK kam – unter Waffen die Stadt betreten. Die andere waren Verschwörungen. Wenn es dir gelingt, Dolche und andere Stichwaffen in eine Senatssitzung zu schmuggeln, um Caesar damit hinterrücks zu ermorden.
Danach geriet sowieso alles aus den Fugen, dass der Senat faktisch ausgedient hatte, war nicht mehr zu übersehen, Caesars Ermordung war der letzte verzweifelte Akt zur Beseitigung der Tyrannei, doch es war längst zu spät. Die Republik wurde zum Prinzipat, in dem der Rat der Alten zur reinen Zierde degradiert, von einem Kaiser regiert wurde, der die Alleinherrschaft meist mit militärischer Gewalt an sich riss. Diese sicherte er sich dann auch innerhalb der Stadtgrenzen nicht mehr bloss mit Holzbündel tragenden Liktoren, sondern mit einer bewaffneten Leibgarde, den Prätorianern. Was meist auch nicht viel half, siehe Caligula, der von seiner beseitigt wurde.
Ausserhalb des pomerium sah es noch düsterer aus. Da galten die rauen Regeln des Militärs. Traute sich eine Einheit zu meutern oder zeigte Feigheit vor dem Feind, konnte der Oberbefehlshaber die Dezimation verhängen, eine Kollektivstrafe, bei der ein Zehntel der betroffenen Soldaten sterben musste. Wen es traf, bestimmte das Los in Form einer braunen Saubohne. Wem eine weisse in die Hand gelegt wurde, blieb verschont, wurde aber gezwungen, seinen auserwählten Kameraden mit dem Schwert oder durch Prügel zu töten.
Plutarch überliefert uns die Geschichte eines wütenden Marcus Antonius, der zwei seiner Kohorten dezimieren liess, weil sie dem Feind während des Partherfeldzuges 36. v. Chr. davongestürmt waren.
Mit ganzem Namen hiess der Mann, der unter Augustus' Regentschaft lebte, schrieb und verbannt wurde, Publius Ovidius Naso (43 v. Chr.–17 n. Chr.). Wahrscheinlich wegen seiner sehr geräumigen Nase, aus der aber niemals nur ein einziges Härchen herausragte. Wenn er sich denn selbst strikt an seine Pflegetipps zu halten verstand, die er in seiner «Ars Amatoria» zum Besten gab.
Und:
Und, ganz wichtig:
Ovid kannte schliesslich das göttliche Begehrensverbot noch nicht. Und hätte er es gekannt, hätte es ihn in keiner Weise interessiert.
Die Römer waren nach Vergil die «gens togata», das Toga tragende Volk. Allein den römischen Bürgern war es vorbehalten, dieses halbkreisförmige Stück Stoff um den Körper zu schlingen. Die Toga war also tabu für Fremde, Sklaven oder Frauen. Ausser sie waren Prostituierte.
In der Kaiserzeit wurde sie erheblich viel voluminöser und länger, ein bis zu sieben Meter langes Ungetüm, das an der Längsseite gefaltet wurde, was jegliche Form von körperlicher Bewegung verunmöglichte. Im Alltag war sie daher schon unter Augustus wenig gesehen, zu wenig für den Geschmack dieses sittenstrengen Kaisers, weshalb er ein Gesetz erliess, das zum Tragen der Toga auf dem Forum, vor Gericht und bei den Spielen zwang.
Als Leichentuch tauge es einzig noch, spottete daher der Satirendichter Juvenal hundert Jahre später.
Denn natürlich blieb es nicht dabei, die Römer wären keine Römer, hätten sie nicht alles stilvoll ins Masslose gesteigert.
So wie jeder Kaiser die ausgetragenen Spiele seines Vorgängers in Zahl und Art übertrumpfen musste und das Volk mit immer noch mehr Theateraufführungen, Seeschlachten, Gladiatorenkämpfen, Tierhetzen und Wagenrennen zu zerstreuen suchte, musste also auch jenes Kleidungsstück in seinem Drapierlevel aufsteigen.
Der Schwierigkeitsgrad der repräsentativen toga contabulata (Toga mit Tafel) erforderte die Hilfe von vier Sklaven statt bloss einem, und der u-förmige Bausch (umbo) vor der Brust, der einst als Tasche diente, wurde nun zur völligen Sinnlosigkeit steif gefaltet und häufig auch bestickt. Die ganze Toga lag nun strammer denn je am Körper, aber wer brauchte sich schon zu bewegen, wenn er befehlen konnte.
Schliesslich ging es am Ende immer nur um eines: um die Zurschaustellung von Macht und Grösse.
Nur für den Fall, dass ihr es vergessen haben solltet. Nero hat Rom nicht angezündet. Ich weiss, Peter Ustinov ist in seiner Rolle als zündelnder mutter- und christenmordenden Psychopath in «Quo Vadis» grandios überzeugend, aber es ist, wie ganz viel Gutes, am Ende Fiktion.
Ja, leider mussten auch die alten Römer sterben, eine Tatsache, mit der wir alle, die täglich ans Römische Reich denken, auch täglich zu kämpfen haben.
Sie waren dafür aber die Erfinder des Memento mori. Also nicht vom Tod an sich, aber vom Gedanken an ihn. Vom Gemahnen daran, dass er irgendwann jeden holt. Auf dass man sich nicht noch einbildet, man lebe ewig.
Der barocke Totenkopf, der auf der üppigen Tafel neben den Weinbeeren zum Betrachter herunterschielt oder – im Vorschlaghammer-Setting in Gesellschaft von Sanduhr und sich in der Welke begriffener Blume – auftritt, hat sich bloss an seinen römischen Vorgängertotenköpfen orientiert.
Allerdings war für den inzwischen christlich geformten Europäer der Tod nicht mehr das Ende, sondern es folgten ihm das Jüngste Gericht und das ewige Leben in Himmel oder Hölle hinterher. Es galt also, das Leben als Vorbereitung darauf zu leben, sich bussfertig zu zeigen und sich von allem Bösen und Schlechten, dem Unziemlichen und Masslosen möglichst nicht verführen zu lassen, um sich das Seelenheil zu sichern.
Oder eben das Gegenteil davon. Man wendete sich in hedonistischer Manier dem Diesseits zu, pfiff auf alles und gab sich der Völlerei und allem anderen sündhaftem Tun restlos hin.
Carpe diem in extremis quasi. Womit wir wieder bei den Römern wären, mit denen alles begann.
Die Todeserinnerung hat ursprünglich nämlich ein römischer Sklave übernommen. Dieser stand oder ging bei einem Triumphzug hinter dem siegreichen Feldherrn, hielt ihm einen Gold- oder Lorbeerkranz über den Kopf und säuselte ihm ohne Unterlass ins Ohr, dass er sich seiner eigenen Sterblichkeit bitte immer schön bewusst bleiben solle. «Memento mori!» (Bedenke, dass du sterben wirst), sagte er, und: «Memento te hominem esse!» (Bedenke, dass du ein Mensch bist!)
Denn es konnte schon vorkommen, dass so ein mächtiger Mann – ein hoher Beamter oder später der Kaiser selbst –, umjubelt vom Volk und mit Ruhmesrufen bedeckt, sich für einen Gott hielt, dass er der Hybris verfiel, der Ursünde griechischer Helden, die darob in den Tragödien auf pädagogisch wertvolle Weise leiden oder gar sterben mussten. Auf dass die natürliche Ordnung wiederhergestellt wird: Das Gottsein ist den Göttern vorbehalten.
Und manchen geliebten Kaisern, die sich nach ihrem Tod der Apotheose (Vergöttlichung), erfreuen durften. Die verhassten hingegen wurden mit der damnatio memoriae (Verfluchung des Andenkens) bestraft.
Und:
Und, ganz wichtig:
Und Paris hätte Helena dem Menelaos zurückgegeben und der Trojanische Krieg wäre niemals ausgebrochen! Also vielleicht doch besser gierig essen, auf dass Frauenraube nicht mehr geschehen ...
Die Römer definierten sich unter anderem über die Grösse ihres Reiches, sie waren ein kriegstüchtiges und hoch militarisiertes Volk und begrüssten es, dass ihr Reich immer weiter wuchs und bald zu jenem weltumspannenden Imperium wurde, das im Jahre 117 unter Kaiser Trajan seine grösste Ausdehnung erreichte.
Doch je grösser das Reich wurde, umso grösser wurde auch die Wahrscheinlichkeit, dass an irgendeiner Stelle seiner langen Grenzen ein Aufstand ausbrach, dass ein Volk sich partout nicht unterwerfen liess, dass rebellische Germanen-, Gallier-, Britannier-, Thraker-, Skythen- oder Partherstämme ins römische Herrschaftsgebiet einfielen und niedergeschlagen werden mussten. Sprich, es herrschte fast dauernd Krieg. Und als Kaiser galt es, den Ruhm des Imperiums zu mehren, ein Feldzüglein hier, ein Strafzüglein da, aber wehe dem, der nicht siegreich nach Hause kehrte.
Dennoch galt auch der Friede als etwas Erstrebenswertes, besonders der innere, also die Abwesenheit von Bürgerkriegen, aber auch jener an den Grenzen des Reiches. Ruhten überall im Reich die Waffen, wurden die Tore des Janustempels geschlossen. Herrschte Krieg, standen sie offen.
Jener kleine, bronzene Tempel nun stand auf dem Forum Romanum und war dem doppelgesichtigen Gott Janus geweiht, einem der wenigen urrömischen Götter, die nicht dem griechischen Kosmos entstammten. Janus ist der Gott allen Ursprungs, des Anfangs und des Endes, der Wächter aller Türen und Pforten, der Ein- und Ausgänge, ein zwiespältiges Wesen schliesslich, das die Dualität der ewigen Gesetze symbolisiert – dass Licht nicht ohne Dunkelheit, dass Leben nicht ohne Tod und die Schöpfung nicht ohne Zerstörung existieren kann. Janus ist weder gut noch schlecht, er entzieht sich durch seine Doppelgesichtigkeit jedweder Wertung.
Ebenso zwiespältig muss das Verhältnis der Römer in Bezug auf Krieg und Frieden gewesen sein. Beides galt ihnen als heilig, ihr Krieg war ein Bellum iustum (gerechter Krieg), es waren göttlich legitimierte Eroberungszüge, die den Ruhm des Reiches mehrten, während der Frieden ein Zustand war, den sie nur akzeptierten, wenn der vorangegangene Konflikt gewonnen wurde. Der Sieg war auch Voraussetzung dafür, dass die Tore des Janustempels geschlossen werden durften.
Augustus wollte sich als Friedenskaiser erinnert wissen. In den Res Gestae Divi Augusti, dem Tatenbericht des Kaisers, heisst es deshalb stolz:
«Der Janus Quirinus, den unsere Vorfahren immer dann zu schliessen wünschten, wenn der Frieden durch Siege im gesamten Römischen Reich zu Lande und zur See gesichert war, wurde nachweislich vor meiner Geburt insgesamt zweimal seit der Gründung der Stadt geschlossen, aber der Senat verfügte, dass er dreimal geschlossen werden sollte, während ich princeps war.»
Und auch Nero schmückte sich mit der Schliessung jener bedeutsamen Tore. Allerdings musste dafür sein gescheiterter Armenienfeldzug (85–63) in einen grossen Sieg umgedichtet werden.
Im Grunde will ausser Dentalhygienikern und Zahnärztinnen überhaupt niemand an Zahnpflege denken. Aber man muss, sonst drohen Fäulnis und schlechter Atem. Das war auch schon im alten Rom so.
Die Römer haben deshalb ihre ganz eigenen und von den Griechen und Ägyptern zusammengeklauten Techniken entwickelt: Octavia, die Schwester Kaiser Augustus' beispielsweise, habe eine Zahncreme verwendet, die aus der Kohle von verschiedenen Zutaten bestand, darunter verbranntes Hirschgeweih, Salz oder Glas in Puderform, vermischt mit wohlschmeckenden Pflanzen.
Auch Bimsstein, Marmorstaub und Knochenmehl, Austern- oder Eierschalen kamen zum Einsatz, nicht auf einer Zahnbürste natürlich, sondern direkt auf den Finger gegeben oder mit Hilfe eines Kauholzes an den Ort seiner Bestimmung gebracht. Auf dass der ganze Zahn ordentlich abgerieben wurde. Und während Minze, Myrrhe, Salbei und Alraune Entzündungen hemmten und den Atem erfrischten, sorgte Urin – zumindest der abgestandene, aus dem die Bakterien bereits Ammoniak gezaubert hatten – für strahlend weisse Zähne. Allerdings nur bei denen, die sich nicht schämten, jenen barbarischem Brauch der Spanier anzuwenden:
Fürs Wäschewaschen war der Urin – auch hier die abgestandene Version – dann aber wieder gut genug.
Im klassischen Latein gibt es kein Wort für Selbstmord. Das heisst natürlich nicht, dass es ihn nicht gegeben hat, es gab ihn sogar in rauen Mengen, er war im Alten Rom aber kein strafrechtlicher Tatbestand.
Ausser man war eines Kapitalverbrechens angeklagt oder ein Sklave. In beiden Fällen bedeutete der Freitod wirtschaftliche Einbussen: Der Staat konnte nur dein Vermögen einstreichen, wenn du am Prozess teilnahmst, entkamst du ihm durch Suizid, blieb dein Besitz in der Familie. Erst Domitian verfügte im ersten Jahrhundert, dass jene Selbstmörder keine gesetzlichen Erben mehr hatten.
Tötete sich ein Sklave innerhalb von sechs Monaten nach dem Kauf, konnte sein Herr vom früheren Besitzer eine volle Rückerstattung verlangen.
Für alle anderen galt der Selbstmord als ein Zeichen grossen Mutes, den man aufzubringen hatte, um einem Leben in Schande zu entgehen und die verloren gegangene Ehre wiederherzustellen. Aber auch prosaischere Gründe sah die römische Gesellschaft als legitim an, sich selbst das Leben zu nehmen: unerträgliche Schmerzen und Qualen, die das Alter oder eine Krankheit mit sich brachten sowie ein sonstiges, unabänderliches Unglück.
Platon und Aristoteles verwiesen zwar auf den staatsfeindlichen Charakter einer Selbsttötung, doch wer dem Gemeinwesen nicht mehr von Nutzen sein konnte, war für dieses wohl auch entbehrlich.
Der Philosoph Seneca (1–65 n. Chr.), der den Freitod als einen Akt der freien Willensäusserung ansah, schrieb:
«Warten müsse man auf das Ende, das die Natur bestimmt hat. Wer das sagt, sieht nicht, dass er den Weg zur Freiheit verschliesst. Ich soll warten auf einer Krankheit Grausamkeit oder eines Menschen, obwohl ich in der Lage bin, mitten durch die Qualen ins Freie zu gehen und Widerwärtiges beiseite zu stossen? Das ist das einzige, weswegen wir über das Leben nicht klagen können: niemand hält es. Es gefällt – lebe; es gefällt nicht – du kannst dorthin zurückkehren, woher du gekommen bist.»
Seneca, «Epistulae morales ad Lucilium»
Ganz so locker sah es aber nur der Philosoph selbst. Dass sich Marcus Antonius ins Schwert stürzte, nicht etwa, nachdem er die Schlacht bei Actium und damit den Bürgerkrieg gegen Octavian verloren hatte, sondern erst nachdem er die falsche Nachricht von Kleopatras Tod erhalten hatte, kam bei den Römern gar nicht gut an. Dass er sich dann, über die Fehlinformation aufgeklärt, tödlich verletzt und röchelnd ins Mausoleum schleppen liess, wo sich die ägyptische Königin verschanzt hatte, um sich mit Seilen in ihre Kammer hochziehen zu lassen und dann so furchtbar melodramatisch in ihren Armen hinzuscheiden, noch weniger.
Möglicherweise hat Plutarch bei der Beschreibung des Tatherganges auch ein wenig übertrieben. Sicher aber ist: Sterben im Namen der Liebe galt nicht als heroisch.
Überdies war auch die Art und Weise des Suizids entscheidend: Sich zu erhängen oder zu springen brachte keine Ehr, sich ins Schwert zu stürzen oder die Adern zu öffnen dagegen sehr.
Und zuletzt gab es in diesem Reich, in dem nichts unmöglich schien, noch den nicht ganz freien Freitod.
Dieser war allerdings den Aristokraten vorbehalten. Wurde ein alter Grieche oder Römer den Herrschenden unliebsam, erhielt er nicht einfach die Todesstrafe und wurde hingerichtet, sondern bekam den Befehl zum Selbstmord.
Sokrates musste einen Schierlingsbecher trinken, weil er angeblich die athenische Jugend verdorben hatte. Er nahm das ihm ungerecht erscheinende Urteil ohne Widerrede hin, schluckte das Gift und entschwand mit den Worten: «Kriton, wir sind dem Asklepios einen Hahn schuldig. Entrichte ihm den. Versäume es nicht.»
Und Seneca, der den Suizid als letzten Akt der Freiheit pries, musste ihn nun auf Geheiss seines Schülers und Kaisers Nero begehen, gegen den er sich angeblich mitverschworen hatte.
Immerhin ging er als Stoiker seinem Ende top vorbereitet entgegen, öffnete sich die Pulsadern und weitere Arterien an den Beinen, versuchte es dann nach seinem griechischen Vorbild mit Schierling, um schliesslich im Dampfbad zu ersticken.
«Es gibt nur eine Kette, die uns gefesselt hält, nämlich die Liebe zum Leben. Wir dürfen sie nicht von uns weisen, aber wir müssen ihren Druck mindern, damit uns unter dem Druck der Umstände nichts zurückhalte und hindere bereit zu sein, unverzüglich das zu tun, was einmal doch geschehen muss.»
Seneca, «Epistulae morales ad Lucilium»
Dani Huber nennt die Steigbügel eine der meistunterschätzten Erfindungen. Und Dani Huber reitet nicht einmal. Aber er hat fast immer recht. In diesem Fall sogar ganz sicher.
Denkt an all die armen römischen Kavalleristen, die ohne Steigbügel aufs Pferd hüpfen und darauf Halt finden und Schlachten bestreiten mussten! Und wie diese metallenen Stützen dann im Jahr 560 plötzlich von den Satteln awarischer Steppenreiter baumelten und den Oströmern zeigten, wie unterschätzt die Erfindung tatsächlich war.
Publius Licinius Valerianus, so hiess er mit vollem Namen, war einer der Soldatenkaiser, die sich im 3. Jahrhundert n. Chr. auf dem Thron des Römischen Imperiums ablösten. Im Reichsinneren verfolgte er die Christen, an der östlichen Grenze versuchte er, der Sassaniden Herr zu werden. Diese nämlich waren im Begriff, ein zweites persisches Grossreich zu errichten. Ihre Reiter überfielen immer wieder Kleinasien und Syrien und schienen keineswegs gewillt, Roms Anspruch auf Weltherrschaft zu akzeptieren.
Im Frühsommer 260 geschah es, das bis anhin für jeden Römer Undenkbare: Der Kaiser wurde nach seiner vernichtenden Niederlage in der Schlacht von Edessa vom persischen König Schapur I. gefangengenommen.
Und als wäre dies nicht schon genug der Demütigung, soll ihn der Sassanidenherrscher – in besagter Ermangelung eines Steigbügels? – als lebenden Fusstritt beim Besteigen seines Pferdes benutzt haben. Valerian starb in Feindeshand, in jener fremden Stadt namens Gundischapur. Seinem toten Körper zog man die Haut ab, färbte sie mit Zinnober und hängte sie als unverhohlene Warnung an Rom in einem Tempel auf.
So hat es uns Laktanz (ca. 250–ca. 325) überliefert, seines Zeichens christlicher Apologet und Kirchenvater. Möglich also, dass er alles erfunden hat, dass er gedacht hat, ha, ich lass den Christenverfolger gleich auch häuten, schliesslich widerfuhr das auch dem armen Bartholomäus, da schliesst sich der Kreis, da wird Gleiches mit Gleichem vergolten, wobei der Christ naturgemäss noch ein bisschen mehr leiden muss, sprich die Häutung geschieht bei lebendigem Leib, auf dass das Martyrium des Rechtgläubigen den Todesschatten des Heiden zweifellos überstrahlt.
Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Häutungs-Geschichte bleibt uns am Ende bloss die traurige Tatsache, dass der vom Feind gefangen gesetzte Valerian dem Niedergang Roms in seiner Person ein unheilvolles Beispiel bot.
Eine Frage hätte ich aber noch:
Fehlt auf der Karte des römischen Reiches nicht noch ein weisses Fleckchen in Gallien?
All right, but apart from the sanitation, the medicine, education, wine, public order, irrigation, roads, a fresh water system, and public health, what have the Romans ever done for us?
Das mit dem römischen Reich kam zuerst in altright Foren auf, um die Parallelen zum jetzigen Niedergang der westlichen Kultur aufzuzeigen. Anstelle der Vandalen, ist es in dieser Erzählung der Islam, welcher hierfür verantwortlich gemacht wird.
Will keine Spassbremse sein, aber diesen Kontext find ich noch wichtig. zu erwähnen.
Gruss
Chorche, kann nicht EINMAL seine Klappe halten