Das Coronavirus ist insbesondere für ältere Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Atemkrankheiten gefährlich. Das zeigen die Zahlen aus allen Ländern. Doch das sind Durchschnittswerte. Denn klar ist auch: Es kann auch junge Menschen ohne Vorerkrankung schwer treffen oder in seltenen Fällen zum Tod führen.
Mike Ryan, Exekutivdirektor der WHO-Programme für gesundheitliche Notfälle, nannte kürzlich einige Zahlen. In Südkorea ist einer von sechs Betroffenen unter 60 Jahre alt, in Italien sind 10 bis 15 Prozent auf der Intensivstation unter 50. Auch aus den USA gab es in den letzten Tagen vermehrt Berichte, dass auch Junge schwer erkranken und sterben. Rund die Hälfte der Spitaleinlieferungen wegen des Coronavirus in Nordamerika ist unter 50 Jahre alt, rund 800 Personen unter 50 starben.
Und schliesslich betonte auch Daniel Koch an der Pressekonferenz am 17. März erneut: «Es ist eine gefährliche Krankheit – nicht nur für Risikopatienten. Es werden auch immer wieder jüngere Patienten krank und müssen beatmet werden, die keine Vorerkrankungen haben.» In der Schweiz hatten 23 Prozent der Infizierten zwischen 15 und 64 Jahren keine Vorerkrankungen.
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Warum dem so ist, daran wird fleissig geforscht. Wissenschaftler versuchen, dem Virus auf die Spur zu kommen. Mit verschiedenen Tests und dem Sammeln von DNA von Covid-19-Patienten versucht man, die Risikogruppe zu bestimmen. Aktuell stehen unter anderem diese fünf Punkte im Fokus:
In Italien sind schon über 50 Ärzte und weiteres medizinisches Personal in Spitälern an Covid-19 verstorben, rund 10'000 wurden infiziert. Untersucht wird deshalb, ob hohe virale Belastung das Immunsystem überfordert.
Ein gesundes Immunsystem reagiert zwar auf das Virus und bekämpft dieses. Doch durch den häufigen Kontakt mit Covid-19-Patienten kommt man immer wieder in Kontakt mit neuen Viren, noch bevor der Körper die ersten besiegen konnte. Irgendwann ist das Abwehrsystem nicht mehr fähig, alle Viren zu bekämpfen.
Es kann auch vorkommen, dass ein Immunsystem eigentlich «zu gut» funktioniert, wie das vom Deutschen Ärzteverlag herausgegebene «MTA Dialog» berichtet. Wird das Virus im Körper entdeckt, produzieren Zytokine ein ungeeignetes Umfeld für die Infektion – im besten Fall bleibt der Mensch gesund. Allerdings können sie auch überreagieren, was zu einem Entzündungssturm führen kann.
Das Immunsystem kann sich vereinfacht gesagt nicht mehr selbst abstellen, die Lunge und andere Organe werden überfordert, Flüssigkeit gelangt in die Lunge und es kommt zu einer Lungenentzündung. Dies stellten Ärzte in einigen Fällen von Covid-19-Patienten auf der Intensivstation fest.
Eine weitere Möglichkeit, warum das Coronavirus sich in einigen Menschen besser ausbreiten kann als in anderen, könnte an den Genen liegen. «Wir sehen grosse Unterschiede in verschiedenen Ländern. Wie viel das mit unterschiedlichen Genen zusammenhängt, ist noch offen», sagt Andrea Ganna vom Institut für Molekulare Medizin an der Universität Helsinki (FIMM). Zusammen mit einigen Kollegen sammelt er genetische Informationen.
Verdächtigt wird dabei ein Gen, das für «das Zelloberflächenprotein Angiotensin-konvertierendes Enzym 2 (ACE2) kodiert, mit welchem das Coronavirus in die Atemzellen kommt. Variationen von ACE2 könnten es dem Virus erschweren oder vereinfachen, um in die Zellen zu kommen», wie Immunologe Philip Murphy vom National Institute of Health (NIH) erklärt.
Eine weitere Möglichkeit ist gemäss CNN, dass das Coronavirus dafür sorgt, dass ein Surfactant, welches dafür sorgt, dass die Lunge weich und beweglich bleibt, bei einigen Menschen verschwindet.
Stellt man sich die Lunge als Schwamm vor, bedeutet dies, dass das Surfactant die Lunge weich und beweglich macht. Fehlt dieser körpereigene Schutzfilm, wird die Lunge dagegen steif und härter. Die Atmung fällt dadurch schwerer, was auch am Beatmungsgerät nicht sofort behoben werden kann.
Kann auch die Blutgruppe eine Rolle spielen, wie eine Coronainfektion verläuft? Chinesische Forscher haben mit Proben aus Wuhan und Shenzen genau dies Ende März herausgefunden. So sollen Menschen mit Blutgruppe A besonders anfällig, solche mit Blutgruppe 0 weniger betroffen sein. Die Studie wurde mit 2000 Covid-19-Patienten durchgeführt.
Allerdings schreiben die Forscher selbst, dass der Zusammenhang zwischen Covid-19 und den Blutgruppen «nur vorläufig und noch unbestätigt» sei. Weitere Abklärungen sind auch hier nötig.
Noch ist zu wenig über das Coronavirus bekannt, um sagen zu können, was schwere Verläufe auch bei jüngeren Patienten beeinflusst. Die oben erwähnten Möglichkeiten könnten einen Teil zur Lösung beitragen. In allen Bereichen braucht es aber mehr Forschung, um dem SARS-CoV-2-Virus auf die Spuren zu kommen.