Australien hatte dieses Jahr besonders viele glasige Augen und hustende Kehlen: Die Grippe breitete sich heftig aus. Nun erwartet man deswegen auch in Europa eine starke Grippewelle – prognostizierter Höhepunkt ist der Dezember.
Gewöhnlich lassen sich in der Schweiz nicht sehr viele Menschen gegen die Grippe impfen: Im vergangenen Jahr waren es 18 Prozent. Dabei werden jährlich 109 000 bis 273 000 Arztbesuche infolge Grippeverdachts registriert, 5000 Personen müssen hospitalisiert werden.
An den Folgen der Grippe sterben mehrere hundert Menschen. Besonders gefährdet sind Personen mit einem geschwächten Immunsystem. Die Risikogruppen sind Personen ab 65 Jahren, Menschen mit chronischen Herzerkrankungen, schwangere Frauen und Säuglinge. Ihnen wird eine Grippeimpfung sehr empfohlen.
Ob sich nun dieses Jahr mehr Leute impfen lassen? Über die Durchimpfquote wird schon länger diskutiert. Ein Kritikpunkt ist die Wirksamkeit der Impfung. In der Grippesaison 2014/15 lag sie bei 23 Prozent. Ein Jahr später bei 65 Prozent.
Zum Vergleich: Eine Impfung gegen Masern schützt zu 98 Prozent. Diese extremen Schwankungen kommen zustande, weil der Impfstoff gegen das Grippevirus jeweils im Februar zusammengestellt wird. Das Virus kann aber später noch mutieren. Ist dies der Fall, wirkt der Impfstoff nur bedingt.
Dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist es vor allem ein Anliegen, dass sich die Fachpersonen im Gesundheitswesen impfen lassen. Denn sie haben mit Menschen zu tun, deren Immunsystem empfindlich geschwächt ist. In der diesjährigen Broschüre wendet sich das BAG deshalb ausdrücklich an Gesundheitsfachleute. Noch immer liegt die Impfrate in den Krankenhäusern nicht über dem Durchschnitt in der Bevölkerung.
In den drei Standorten der Solothurner Spitäler AG ist die Impfrate 2016 im Vergleich zum Vorjahr von 20 auf 18 Prozent gesunken. Eine noch tiefere Quote weist das Kantonsspital Aarau (KSA) aus. Nur gerade 17 Prozent des Pflegepersonals haben sich im vergangenen Jahr gegen die Influenzaviren impfen lassen. Auffällig ist, dass Ärzte der Methodik merklich positiver gesinnt sind. 2016 liessen sich im KSA 60 Prozent der Ärzte impfen.
Warum diese grosse Diskrepanz zwischen den Berufsgruppen? Gemäss BAG-Direktor Pascal Strupler sind die Gründe für eine abgeneigte Haltung vielschichtig und oft nicht nur rational. «Hilfreich ist sicher nicht, dass man sich jedes Jahr wieder impfen lassen muss und dass der Impfstoff eine beschränkte Wirksamkeit aufweist», sagt er. Trotzdem sei es der beste Schutz, den man sich und den Patienten gegenüber bieten könne.
Immer wieder wird über ein Impf-Obligatorium für Angestellte im Gesundheitswesen diskutiert. Bei der Solothurner Spitäler AG hält man nicht viel von einem Zwang, da nicht jeder Mitarbeiter mit Patienten in Kontakt ist. Und ein Teilobligatorium mache wenig Sinn, sagt Mediensprecher Hannes Trionfini.
Anders sieht es Christoph Fux, Chefarzt Infektiologie und Spitalhygiene beim Kantonsspital Aarau. «Ich würde ein nationales Obligatorium begrüssen, weil so die Aufmerksamkeit auf das Problem deutlich erhöht und die Präventionsarbeit innerhalb der Spitäler erleichtert werden würde.»
Auch die Wirtschaft beschäftigt die Frage der Grippeimpfung. Eine Umfrage dieser Zeitung bei mehreren Unternehmen ergab, dass die grosse Mehrheit ihre Mitarbeiter auf die Grippeimpfung aufmerksam macht.
Auch die Schweizer Fussball- und Eishockeyvereine sowie der Schweizerische Skiverband Swiss Ski bieten ihren Spielern respektive Athleten die Impfung kostenlos an. Denn die Vereine haben ein grosses Interesse daran, mit kompletten Mannschaften antreten zu können.