Heute Nacht war es wieder soweit: Es blieb eine Stunde weniger Schlaf – die Nacht vom Samstag auf den Sonntag war eine Stunde kürzer. Die Umstellung von Normalzeit auf Sommerzeit erfolgte am Sonntag, dem 27. März 2016: Um 02.00 Uhr wurden die Uhren um eine Stunde auf 03.00 Uhr vorgestellt.
Die Zeitumstellung – die streng genommen nur eine Uhrumstellung ist – bringt manche Menschen jedes Mal, zweimal im Jahr, durcheinander. Grund genug, wieder einmal ein paar Fakten dazu in Erinnerung zu rufen.
Beim Wechsel von der Normalzeit zur Sommerzeit, der in Mitteleuropa stets am letzten Sonntag im März erfolgt, müssen die Uhren um eine Stunde vorgestellt werden – man verliert eine Stunde (die man im Herbst dann gewissermassen zurückerhält).
Die Sommerzeit, offiziell als «Mitteleuropäische Sommerzeit» bezeichnet (MESZ), ist eine Abweichung von der Normalzeit (die manchmal auch als «Winterzeit» bezeichnet wird, was aber zumindest offiziell nicht korrekt ist).
Wenn ein Zug in der Nacht über die Stunde der Zeitumstellung hinweg unterwegs ist, kommt der Fahrplan durcheinander. In Deutschland halten die betroffenen Züge deshalb an einem Bahnhof auf der Strecke und warten eine Stunde – um dann pünktlich anzukommen. Wenn im Fahrplan eine Abfahrt zwischen 02.00 und 03.00 Uhr vorgesehen ist, müssen zwei Züge starten – jeweils einer nach neuer und alter Zeit.
Dies geschieht auch in der Schweiz, zumindest im Grossraum Zürich, wo die Nachtzüge in der betreffenden Stunde ebenfalls doppelt geführt werden. Auch das ZVV-Nachtnetz passt sich der Zeitumstellung an. Die Nachtbusse und Nacht-S-Bahnen verkehren bis nach 4.00 Uhr Sommerzeit nach einem Spezialfahrplan. Dagegen kommt es nicht vor, dass Züge eine Stunde am Bahnhof warten müssen, wie SBB-Mediensprecher Reto Schärli sagt. Um diese Zeit ist in der Schweiz kein Fernverkehr auf den Schienen.
Beim Flugverkehr hat die Zeitumstellung kaum Auswirkungen: Die Flugzeuge richten sich generell nach der koordinierten Weltzeit (UTC), die 1972 eingeführt wurde.
Als Erfinder der Sommerzeit, der «Daylight Saving Time», gilt der Brite William Willett. Die Idee kam ihm angeblich bei einem frühmorgendlichen Ausritt, als er bemerkte, dass an sämtlichen Häusern noch die Rollläden geschlossen waren. Er schlug darauf 1907 in seiner Schrift «The Waste of Daylight» vor, die Uhren jeweils im Sommer um 80 Minuten vorzustellen. Auf diese Weise sollte man das Tageslicht am Abend noch besser nutzen und Beleuchtungskosten sparen können.
Erstmals eingeführt wurde die Sommerzeit mitten im Ersten Weltkrieg, wenn auch nur vorübergehend: 1916 gingen das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn zur Sommerzeit über, um durch die Nutzung des natürlichen Tageslichts Energie zu sparen. Die Schweiz führte die Sommerzeit vorübergehend im Zweiten Weltkrieg ein: 1941 und 1942 galt sie von Anfang Mai bis Anfang Oktober.
Als Reaktion auf die Ölkrise 1973 entschieden sich die Länder der Europäischen Gemeinschaft zur Einführung der Sommerzeit. Um keine Zeitinsel zu werden, beschloss die Schweiz 1977, ab 1980 ebenfalls zur Sommerzeit überzugehen. Doch dagegen wurde das Referendum ergriffen, und am 29. Mai 1978 schickte das Stimmvolk die Sommerzeit klar bachab. Besonders die Bauern waren gegen die Einführung; sie fürchteten um die Milchleistung ihrer Kühe.
1980 kam die Quittung: Die Schweiz war im Sommer dieses Jahres eine Zeitinsel mit Normalzeit in einem Meer von Nachbarstaaten mit Sommerzeit. Die SBB mussten nach einem Notfahrplan verkehren, viele Betriebe arbeiteten nach deutscher Zeit. Ein neues Zeitgesetz beendete den unhaltbaren Zustand. Diesmal kam das Referendum gegen das «Zeitdiktat aus Brüssel» nicht zustande. Im Sommer 1981 gingen die Schweizer Uhren wieder im Gleichklang mit denen der Nachbarländer.
Daran vermochte auch eine vom jungen Zürcher Nationalrat Christoph Blocher 1982 lancierte Volksinitiative nichts mehr zu ändern – sie kam mangels Unterschriften nicht zustande.
Während es in Deutschland noch bis Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene lokale Zeiten gab, die sich am Stand der Sonne orientierten, führte die Schweiz schon mit der Gründung des Bundesstaates 1848 eine einheitliche Zeit ein. Dabei handelte es sich um die Berner Zeit, die bis 1894 massgeblich blieb. Dann führte der Berner Regierungsrat die Mitteleuropäische Zeit ein (die Berner mussten die Uhren dafür um eine halbe Stunde vorstellen), die ebenfalls gesamtschweizerisch galt.
Ja. Na gut, da gibt es zwar noch diesen Weiler im Welschland, La Forclaz in der Gemeinde Ormont-Dessous am Fuss der Waadtländer Alpen. Dort sollen die Bauern stur an der Winterzeit festhalten, so heisst es in verschiedenen Medienbeiträgen. Vor 16 Jahren berichtete sogar die «Tagesschau» über die unbeugsamen Waadtländer. Doch bei genauer Nachfrage stellt sich heraus: Nur ein paar Bauern lieferten ihre Milch zur gewohnten Winterzeit in der örtlichen Käserei ab – das Ganze Getue um die Sommerzeit sei nichts als eine «polémique». Mittlerweile ist die Käserei ohnehin geschlossen worden, und damit ist der Widerstand obsolet.
Zwischen 1947 und 1949 gab es in Deutschland eine sogenannte «Hochsommerzeit». Vom 11. Mai bis zum 29. Juni wurden damals die Uhren um eine weitere Stunde vorgestellt.
Die Zeitumstellung bringt unseren Biorhythmus durcheinander. Das liegt am Hormon Melatonin, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert: Seine Ausschüttung passt sich der Zeitumstellung mit einer gewissen Verzögerung an. Die jetzt anstehende Zeitumstellung wird uns körperlich leider stärker fordern als jene im Herbst, weil wir plötzlich früher aufstehen müssen.
Unser Körper gewöhnt sich allerdings in der Regel schnell an die Umstellung. Innerhalb von drei Tagen verkraftet ein gesunder Mensch auch bedeutend längere Zeitverschiebungen, wie sie zum Beispiel bei Fernreisen vorkommen. Dennoch sind wir in diesem Zeitraum anfälliger für Infekte und Erkältungen, denn die Immunabwehr leidet unter der Störung des Rhythmus.
Während der Umstellung besteht ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko: In deutschen Ambulanzen werden laut der Krankenkasse DAK in den ersten drei Tagen nach der Zeitumstellung rund 25 Prozent mehr Patienten mit Herzbeschwerden verzeichnet, besonders Frauen und Ältere.
Zusätzlich soll es gemäss der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin zu rund acht Prozent mehr Verkehrsunfällen kommen. Der Auto Club Europa (ACE) errechnete für den Monat nach der Umstellung sogar ein Unfallplus von über 20 Prozent gegenüber dem Vormonat. Grund für die Zunahme der Unfälle: Müdigkeit und nachlassende Aufmerksamkeit.
Der Anstieg dürfte auch mit der erhöhten Gefahr von Wildunfällen zu tun haben. Wildtiere wie Wildschweine oder Rehe gehen vornehmlich in der Morgendämmerung auf Nahrungssuche, wobei sie oft Strassen kreuzen, auf denen durch die Umstellung plötzlich in der Frühe mehr Autos unterwegs sind.
Ja. Kühe geben etwa zehn Prozent weniger Milch. Nach rund einer Woche haben sie sich an die neue Situation gewöhnt und die Milchleistung ist wie zuvor.
Die meisten europäischen Länder und beinahe alle US-Bundesstaaten kennen die Sommerzeit. Russland schaffte die Zeitumstellung 2011 ab und handhabte bis zum Oktober 2014 die permanente Sommerzeit. Dann wurde auf – ebenfalls permanente – Normalzeit umgestellt.
Heute kennt kaum ein Land in Äquatornähe die Sommerzeit. Der Grund dafür ist, dass es dort keinen Sinn hat, die Uhr umzustellen, denn die jahreszeitlichen Schwankungen der Dauer des Tageslichts werden Richtung Äquator immer kleiner. In Norddeutschland dagegen schwankt die Länge eines Tages – von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang – im Laufe eines Jahres um nicht weniger als zehn Stunden.
Auch an den Polen hat eine Zeitumstellung im Frühling und Herbst keinen Sinn, denn im Sommer geht die Sonne jenseits der Polarkreise gar nicht unter.
Das Argument für die Einführung der Sommerzeit war ursprünglich die Einsparung von Energie. Es ist jedoch umstritten, ob die Veschiebung der Tageslichtphase wirklich diesen Effekt hat. Eine Untersuchung des Energieverbrauchs in privaten Haushalten im US-Bundesstaat Indiana ergab 2008 sogar einen leichten Anstieg nach Umstellung auf Sommerzeit. Schuld daran waren ein erhöhter Heizbedarf in den Morgenstunden und ein Mehrverbrauch durch Klimaanlagen in den Abendstunden.
Auch in Deutschland wurde kein Energiespar-Effekt festgestellt, wie das Umweltbundesamt schon in den Neunzigerjahren feststellte.