Erdrutsche, Schlammlawinen, Überschwemmungen: Es ist schlimm, was die Schweiz dieses Jahr bisher erleben musste nach extremen Niederschlägen. Dennoch hat sie Glück im Unglück gehabt: Es hätte leicht schlimmer kommen können. Es hätte nur einer dieser Extremregen nicht über einer ländlichen Gemeinde niedergehen müssen, sondern über einer der grösseren Städte.
In der Schweiz denkt man bei Naturkatastrophen meist an Tragödien wie in Misox oder in Brienz, sagt Erich Fischer, Klimaforscher an der ETH Zürich. Dabei könnte ein Extremregen über einer Stadt ungleich mehr Unheil anrichten – aus dem simplen Grund, dass es dort viel mehr Menschen hat, mehr Autos, Strassen oder Gebäude.
Wie schnell das gehen kann, hat die Schweiz vor sechs Jahren vorgeführt bekommen, hatte aber dabei noch Glück gehabt. Ein «Rekordregen» ging am Abend des 11. Juni 2018 über Lausanne nieder, wie Meteo Schweiz berichtete: Pro Quadratmeter stürzten in nur 10 Minuten unglaubliche 40 Liter Wasser auf Lausanne hinab.
In den asphaltierten Strassen von Lausanne versickert das Wasser nicht im Boden, wie es dies in ländlichen Regionen tun würde. Innerhalb von Minuten floss es auf den versiegelten Böden wie ein Wasserfall die Treppe zu einer Bahnhofsunterführung hinab – und hätte diese in eine tödliche Falle verwandeln können. Es lief in Hauskeller hinein, quoll aus Schächten hervor, überschwemmte Strassen, Läden, Schulen, den Bahnhof.
Lausanne hatte damals Glück, wie Fischer sagt. Die Wolken zogen recht schnell weiter, der sintflutartige Regen endete, ehe es schlimmer werden konnte. Andere Städte in Europa kamen weniger glimpflich davon.
Über Kopenhagen zum Beispiel entluden die Wolken im Sommer 2011 während zweier Stunden bis zu 200 Liter pro Quadratmeter und verursachten einen Schaden von ungefähr 1 Milliarde Euro. Über Genua gingen ebenfalls 2011 über mehrere Stunden bis zu 500 Liter pro Quadratmeter hinunter, mehrere Menschen starben und über 100 mussten ihre Wohnungen verlassen.
Solche Starkniederschläge sind mit dem Klimawandel bisher häufiger und extremer geworden in den letzten 120 Jahren. Das haben verschiedene Studien aufgezeigt, zuletzt eine Studie von Meteo Schweiz. Diese zeigte zudem, dass in den letzten 40 Jahren auch die Regenmenge zugenommen hat, die innerhalb von bloss 10 Minuten herunterkommt – nämlich um 20 Prozent.
Diesen Trends ist die Schweiz natürlich nicht wehrlos ausgeliefert, und die Schäden müssen nicht unweigerlich immer weiter ansteigen. Die Schweiz kann sich schützen und tut dies auch – aber auch das kostet natürlich Geld. 2,9 Milliarden Franken gibt die Schweiz jährlich für den Schutz gegen Naturkatastrophen aus. Das ist gut investiertes Geld, wenn man auf die Schäden blickt, die man sich erspart – aber wenn man könnte, würde man es lieber für anderes ausgeben.
Extremregen ist nur eine von vielen Folgen der Erderwärmung und die Schweiz nur ein Schauplatz in diesem globalen Wandel. Wobei die Geschehnisse in anderen Ländern auf die Schweiz zurückfallen werden, etwa in Form von Klimaflüchtlingen. Wie gross die wirtschaftlichen Folgen sein könnten – dazu sind kürzlich aufsehenerregende neue Zahlen und Studien erschienen, welche auch eine besonders fiese Eigenschaft des Klimawandels herausstreichen.
Es ist ein vermeintliches Paradox, das eine neue Studie von der US-Eliteuniversität Harvard angeht. Der Klimawandel werde oft als existenzielle Bedrohung beschrieben, sagen die Studienautoren. Im krassen Gegensatz dazu würden jedoch empirische Schätzungen zeigen, dass eine Erderwärmung um 1 Grad lediglich 1 bis 3 Prozent der weltweiten Wertschöpfung kosten werde. Das sei alles andere als katastrophal.
Doch diese bisherigen Schätzungen würden allesamt die Folgen unterschätzen, weil sie nur nationale Temperaturschwankungen angeschaut hätten, welche nicht einhergehen würden mit einer starken Häufung von extremen klimatischen Ereignissen wie Hitze, Dürre, Stürmen oder Starkregen. Die Harvard-Studie betrachtet deshalb globale Temperaturschwankungen, die infolge von Vulkanausbrüchen oder Solarzyklen aufgetreten sind – und dies über 120 Jahre und in über 170 Ländern.
So gelangen die Forscher zum Schluss, dass eine weitere Erwärmung um 2 Grad die Weltwirtschaft so schwächt, dass am Ende ein Verlust von 29 Prozent entsteht – vor allem als Folge davon, dass extreme Klimaereignisse häufiger vorkommen. Und das Fiese daran wäre, dass der wirtschaftliche Verlust nicht umkehrbar wäre.
Es gäbe kein Comeback wie nach der Coronakrise, weil das CO2 über Jahrhunderte in der Atmosphäre bleibt. Es wäre, wie wenn man in den USA während der grossen Depression leben müsste – «für immer».
Das Potsdamer Klimainstitut hat angeschaut, ob es wirtschaftliche Folgen hatte, wenn es in verschiedenen Regionen unterschiedlich heiss oder regnerisch war. Dafür analysierten die Forscher die Daten aus 1600 Regionen über einen Zeitraum von 40 Jahren. Aus den dabei festgestellten Effekten leiteten sie eine Vorhersage bis 2050 ab.
Demnach wird allein schon die Erderwärmung sehr teuer, die heute schon nicht mehr vermeidbar zu sein scheint. Es werde einen globalen Einkommensrückgang von 19 Prozent geben – Kosten von jährlich 38'000 Milliarden Dollar. Das sei sechsmal mehr als das Geld, das die Welt ausgeben müsste, um den globalen Temperaturanstieg auf 2 Grad zu beschränken. Die Bekämpfung des Klimawandels wäre demnach ein verdammt gutes Geschäft.
Der Klimawandel galt lange Zeit auch für die Börsen als Non-Event. So rechnete einer der weltweit grössten Fondsmanager stolz vor, auch eine Erderwärmung um 5 Grad bis 2080 bringe ihn nicht ins Schwitzen. Sein Aktienportfolio werde bloss um gerade einmal 4 Prozent an Wert verlieren.
Das Narrativ von den cool bleibenden Aktien wurde kürzlich als «lachhaft» bezeichnet in einer Studie der EDHEC Wirtschaftshochschule in London. Angeführt von Riccardo Rebonato, Physiker und früher Topmanager bei der Investmentfirma Pimco, kritisieren die Forscher frühere Schätzungen.
Sie seien vor allem die Folge davon, dass man bloss darauf geschaut habe, was die Umstellung auf eine CO2-freie Wirtschaft kosten werde. Bei den Klimawandel-Kosten hingegen habe man getan, als würden diese erst in einer fernen Zukunft anfallen und als seien diese für gegenwärtige Aktienbewertungen vernachlässigbar.
Tue man das nicht und berücksichtige die Klimakosten korrekt, sei mit gewaltigen Folgen für die Börsen zu rechnen. Wenn die CO2-Emissionen nicht stärker eingeschränkt würden als bisher, könne es eine Korrektur der globalen Aktienbewertungen um bis zu 40 Prozent geben – und das sei sehr vorsichtig gerechnet, mit konservativen Annahmen. Wenn es jedoch gelingt, die Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, würden es nur 5 bis 10 Prozent sein.
Diese Verluste werden sich laut Rebonato voraussichtlich nicht nach einzelnen dramatischen Katastrophen einstellen. Es werde schleichend geschehen und verteilt über viele Jahre, in denen die Wirtschaft allmählich weniger produktiv wird und die Unternehmen enttäuschende Ergebnisse abliefern. Einen Ausbruch aus dieser Misere werde es nicht geben, die Verluste seien von Dauer. Rebonato kommentierte seine Studie darum so: «Es könnte eine verlorene Klima-Generation bei den Aktien geben.» (aargauerzeitung.ch)
Nun gut - man kann Menschen, die ihr Haus, ihren gesamten Besitz und vielleicht sogar Familienmitglieder verloren haben, beruhigen:
„Hey, zum Glück habt ihr nicht in Aktien investiert. Der Börsencrash wäre weitaus schwerwiegender als "nur" das Haus zu verlieren ... oder das Leben ...“
Kann eine anhaltende Wolke der Ironie enthalten
Die Zukunft ist da- und was machen wir?
Abwarten, beobachten, hoffen, dasses doch nicht so schlimm wird
Für die SVP gibt es kein Klimawandel, darum muss man sich auch nicht nach Lösungen bemühen.