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Bern

Berns Polizeidirektor will mehr Überwachungsmassnahmen

Will mehr Kompetenzen zur Überwachung von autonomen Randalierern: Sicherheitsdirektor Reto Nause, CVP (Bild 2014).
Will mehr Kompetenzen zur Überwachung von autonomen Randalierern: Sicherheitsdirektor Reto Nause, CVP (Bild 2014).Bild: Urs Lindt/freshfocus

Berner Polizeidirektor Nause will die totale Überwachung – «Sicherheitsesoterik», findet IT-Experte Steiger

Die Forderung des Stadtberner Polizeidirektors Reto Nause nach den Krawallen am Wochenende wirft Wellen auf. Nause verlangt einen massiven Ausbau von Überwachungsmassnahmen, um der Gewalt von autonomen Kreisen einen Riegel zu schieben. Rechtsanwalt und IT-Aktivist Martin Steiger kritisiert den Ruf nach mehr Überwachungskompetenzen.
23.05.2016, 16:0623.05.2016, 18:14

Der Berner städtische Sicherheitsdirektor Reto Nause fordert ein härteres Vorgehen gegen Krawallmacher. Nach den Ausschreitungen im Anschluss an eine illegale Party in der Nacht auf Sonntag appellierte der CVP-Gemeinderat an den Bund, härtere Massnahmen gegen die Randalierer anzuwenden. Gegenüber der Nachrichtenagentur SDA sagte Nause, es handle sich bei den Chaoten um organisierte, gewaltextremistische Kriminelle. Das Problem beschränke sich nicht auf die Hauptstadt, sondern sei auch in anderen Städten zu beobachten. Deshalb sei es angezeigt, dass der Bund sich des Problems annehme.

Sachbeschädigung entlang der Umzugsroute in Bern.
Sachbeschädigung entlang der Umzugsroute in Bern.
Bild: zvg/kapo bern
«Das BÜPF brauchen wir auf jeden Fall, aber es reicht nicht aus.»
Reto Nause, Polizeidirektor Stadt Bern

Konkret sollen Telefone und der E-Mail-Verkehr von gewaltbereiten Autonomen überwacht werden, auch DNA-Tests gehören zu den nachrichtendienstlichen Möglichkeiten, die Nause ausschöpfen will: Es seien alle Fahndungsmethoden zuzulassen, die es gibt und braucht, um die Täter überführen zu können, so Nause im Bund.

«Nauses Wunschprogramm soll den Bürgern absolute Sicherheit vorgaukeln, aber das ist ein Ding der Unmöglichkeit.»
Rechtsanwalt Martin Steiger

Die Forderungen des Sicherheitsdirektors gehen über die geltenden rechtlichen Bestimmungen hinaus. Auch das BÜPF, das die Überwachung in Zukunft regeln soll und über das voraussichtlich abgestimmt werden wird, geht für Nause nicht weit genug: «Das BÜPF brauchen wir auf jeden Fall, aber es reicht nicht aus.»

«Absolute Sicherheit gibt es nicht»

Martin Steiger, Rechtsanwalt und Mediensprecher der Digitalen Gesellschaft, die das Referendum gegen das BÜPF mitträgt, kritisiert das Vorpreschen des städtischen Polizeidirektors. «Nur weil etwas technisch möglich ist, heisst das noch nicht, dass es auch erforderlich und geeignet ist, geschweige denn, dass es den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit entspricht.» Die Möglichkeiten der Polizei bei der Strafverfolgung seien heute schon ausreichend. «Nauses Wunschprogramm soll den Bürgern absolute Sicherheit vorgaukeln, aber das ist ein Ding der Unmöglichkeit». Was Nause und andere Strafverfolgungsbehörden forderten, sei reine «Sicherheitsesoterik», so der Spezialist für IT-Recht.

Den Saubannerzug vom vergangenen Wochenende verurteile man selbstverständlich in jeder Hinsicht, und die Teilnehmer sollten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, so Steiger. «Aber das muss innerhalb des rechtsstaatlichen Rahmens geschehen.»

Steiger vermutet, dass die unverhältnismässigen Forderungen des Sicherheitsdirektors eine gewisse Hilflosigkeit innerhalb der Polizei widerspiegelt, weil das Gewaltmonopol des Staates in Frage gestellt wird. Gleichzeitig sei der Ruf nach zusätzlichen Kompetenzen, ob berechtigt oder nicht, nicht ungewöhnlich für die Strafverfolgungsbehörden: «Die Polizei wird immer auf mehr Möglichkeiten pochen, das liegt in der Natur der Sache.»

Martin Steiger ist Mediensprecher der Digitalen Gesellschaft und Anwalt für Recht im digitalen Raum.
Martin Steiger ist Mediensprecher der Digitalen Gesellschaft und Anwalt für Recht im digitalen Raum.
Bild: zvg

Schaden in sechsstelliger Höhe

Die Ausschreitungen geschahen im Anschluss an eine illegale Party auf dem sogenannten Warmbächli-Areal. Nach Mitternacht setzte sich ein Umzug mit mehreren 100 Teilnehmern in Richtung Innenstadt in Bewegung. Dabei kam es zu Sprayereien und weiteren Sachbeschädigungen. Laut einer Mitteilung der Polizei wurden Einsatzkräfte von Blaulichtorganisationen, welche sich dem Umzug näherten, «unvermittelt und mit hoher Gewaltbereitschaft» angegriffen.

Laut Nause soll es bei dem Demonstrationszug zu Sachschäden in sechsstelliger Höhe gekommen sein. Anfang März wurden elf Polizisten verletzt, als eine Patrouille während eines Einsatzes von Vermummten aus dem Umfeld der Reitschule attackiert worden war. Die Polizei sprach damals von einem gezielten «Hinterhalt»

Mit Material der Nachrichtenagentur SDA

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fabio74
23.05.2016 16:58registriert März 2016
Herr Nause treten Sie zurück. Wenn die Polizei mit den heutigen Möglichkeiten nicht fähig ist gegen diese Idioten vorzugehen,ist was falsch
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Walter Sahli
23.05.2016 16:46registriert März 2014
Ja aber Herr Nause, wenn Sie schon nicht wissen, um wen es sich bei den Sachbeschädigern handelt, weil die einen alten Socken auf dem Kopf tragen, wie wollen Sie dann an deren e-mail Adressen und Telefonnummern rankommen?
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23.05.2016 16:52registriert März 2014
Sicherheitsesoterik ist ein sehr treffender Begriff.
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