
Sag das doch deinen Freunden!
Wenn seine Parteisoldaten und Fans seine Taten rühmen, huscht ein verklärtes Lächeln über ihr Gesicht und ihre Augen glänzen. Für sie ist er ein Heilsbringer, der das Böse abwenden und die Erlösung erzwingen soll.
Der hemdsärmlige Polterer und empathielose Volkstribun geniesst bei einem beträchtlichen Teil der Schweizer Bevölkerung nahezu einen Heiligenstatus: Christoph Blocher, der (angebliche) Kämpfer der Armen und Entrechteten. Die Verehrung hat pseudoreligiösen Charakter angenommen. Und wie immer, wenn religiöse Attribute im Spiel sind, sollten die Alarmglocken schrillen.
Blocher ist der Personenkult um seine Person nicht unangenehm. Er geniesst den Sonderstatus des Säulenheiligen, der ihm das Gefühl vermittelt, unantastbar zu sein. Ausserdem ist ihm das Religiöse nicht fremd. Er ist in einer Pfarrersfamilie aufgewachsen, sein engster Berater ist sein Bruder Gerhard, seines Zeichens ebenfalls Pfarrer, der noch hemdsärmliger poltert als Christoph selbst.
Blocher der Grosse ist aber nicht nur ein Heilsbringer, er gebärdet sich auch als Führer, der seine Ideologie mit einem Absolutheitsanspruch vertritt: Es gibt nur eine Wahrheit und nur einen Weg zum Heil. Den Weg durch ihn.
Der SVP-Übervater spricht denn auch von einer Aufgabe zur Rettung der Schweiz, die er zu erfüllen habe. Man könnte es auch Berufung nennen. Oder Mission.
Auch das Prinzip ist bekannt: Es gibt (fast) nur Freunde oder Feinde: Entweder du bist für uns oder gegen uns. Die Guten drinnen, die Bösen draussen. Grautöne? Fehlanzeige.
Blocher und seine Partei unterscheiden streng nach weissen und schwarzen Schafen. Die weissen kicken die schwarzen aus dem heiligen Territorium. Die Farbe entscheidet, menschliche Kriterien haben im Kampf um die einzig gültige Wahrheit keinen Platz.
Dieses System wendet Blocher auch nach innen an. Wer in der SVP nicht spurt, wird diszipliniert und an die Kandare genommen. Als Zuchtmeister hat er Roger Köppel engagiert und ihm die Weltwoche als potentes Vehikel zur Verfügung gestellt: Parteisoldaten, die von der Linie abweichen, nicht die nötigen Opfer erbringen oder sich zu wenig hart kasteien, werden öffentlich an den Pranger gestellt. Sie gehören zum Beispiel der Weissweinfraktion an, die sich schon mal am Stammtisch zuprosten, statt Unterlagen zu studieren oder Unterschriften zu sammeln.
Früher wagten Berner SVP-Kämpen gelegentlich einen kleinen Aufstand gegen das Diktat aus der Hochburg in Herrliberg. Die Zeiten sind längst vorbei. Heute stehen sie stramm und salutieren devot Richtung Zürich.
Das Prinzip Blocher funktioniert nicht ohne Sand. Diesen streut er seinen Wählerinnen und Wählern in vielen Vorträgen, Reden und Interviews mantramässig in die Augen. So wettert er bei jeder Gelegenheit gegen die «classe politique», also die da oben, die Mächtigen, Reichen und Privilegierten.
Dabei lenkt er geschickt von der Tatsache ab, dass Blocher der vielleicht Mächtigste im Land ist, zu den Reichsten gehört und Privilegien geniesst wie kaum ein zweiter. Er kämpft für Steuererleichterungen der Reichen und Unternehmen. In beiden Fällen profitiert er tüchtig. Zahlen müssen dann die Rechnung die Unterprivilegierten, die seiner Partei wieder die Stimme geben.
Kürzlich packte Blocher in populistischer Manier die ganz grosse Propaganda-Keule aus. Die Schweiz sei auf dem Weg zur Diktatur, verkündete er. Die versteckte Botschaft dahinter: Ohne mich ist Helvetia verloren. Schart euch hinter mich, ich zerschlage als Robin Hood das dämonische Kartell. Seine messianische Pose garniert er geschickt mit Anker-Helgen aus seiner millionenschweren Bildersammlung. Der PR-Trick funktioniert, die SVP reiht Wahlsieg an Wahlsieg.
Doch wie ist das wirklich mit der drohenden Diktatur? Er unterstellt seinen Gegnern diktatorisch Tendenzen und lenkt davon ab, wo das Diktat tatsächlich ausgeübt wird: In Herrliberg.
Apropos Diktatur: Eigentlich müssten die Hühner selbst im entlegensten Bauernhof über Blochers Drohgebärde lachen. Wenn es ein Land auf der Welt gibt, das sich mit seiner Staatsform gegen diktatorische Allüren machtsüchtiger Politiker gewappnet hat, ist es die Schweiz. Die Konkordanz-Regierung aus allen grossen Parteien und die direkte Demokratie sorgen dafür, dass extreme politische Strömungen bei uns kaum eine Chance haben. Es sei denn, ein Mann aus dem Holz eines Blochers setze alles daran, die Schweiz umzupflügen.
Den anderen Politikern und Parteien diktatorische Gelüste zu unterstellen, ist die beste Methode, von den eigenen Allüren abzulenken. Erstaunlich nur, dass die 30 Prozent der SVP-Wähler das Ablenkungsmanöver nicht erkennen. Wenn die Gefahr einer Diktatur in der Schweiz besteht, so geht sie auch vom Stimmvolk aus, das die aktuelle politische Grosswetterlage nicht richtig zu analysieren vermag.
Blocher scheint endlich am Ziel seiner politischen Träume angekommen zu sein: Bei der Spaltung der Schweiz. Alle seien gegen die SVP, frohlockte er. Nämlich bei der Durchsetzungsinitiative. Er träumt natürlich davon, dass er und seine auserwählten Gläubigen gegen den Rest der Schweiz gewinnen.
Dass dieses Freund-Feind-Denken eine Zerreissprobe für die viel beschworene direkte Demokratie werden könnte, kümmert den Superpatrioten wenig.
Für ihn als neuen Messias besteht kein Zweifel, wer auf der rechten Seite steht, wer moralisch im Recht ist. Hauptsache, er gewinnt und baut seinen Machtbereich aus.
Dass sich Patriot Blocher darüber freut, gegen den Rest der Schweiz zu kämpfen, zeigt seine ideologische Verhärtung und seine politische Geisteshaltung. Es ist Zeit, den Volkstribun an der Urne zu stoppen.