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Jetzt kommen die netten Faschisten

Die Identitäre Bewegung in Aktion. Rechts der Wortführer Martin Sellner. 
Die Identitäre Bewegung in Aktion. Rechts der Wortführer Martin Sellner. 
Analyse

Jetzt kommen die netten Faschisten

Die Identitäre-Bewegung ist die deutsche Antwort auf die amerikanische Alt-Right-Bewegung. Der Wahlsieg von Donald Trump ist Wasser auf ihre Mühlen.
15.11.2016, 13:5416.11.2016, 02:28
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Rechtsextreme Gruppierungen werden gemeinhin mit grölenden Neo-Nazis, Glatzköpfen und Hardrock-Konzerten in abgelegenen Turnhallen in Verbindung gebracht. Es gibt jedoch eine zivilisierte Variante davon, und niemand repräsentiert diese Variante besser als Martin Sellner. Der 27-jährige Wiener ist ein Normalo ohne Auffälligkeiten. Er ist auch so etwas wie der Kopf einer Gruppierung, die sich «Identitäre Bewegung» nennt, die nationalistisches Gedankengut verbreitet – und die sich seit Trumps Wahlerfolg in einem Hoch befindet.  

Lauter anständige junge Menschen präsentiert die Identitäre Bewegung auf YouTube.Video: YouTube/Identitäre Bewegung Deutschland

Die Identitäre Bewegung ist eine Mischung aus Pfadfinder und Greenpeace. Sie steigen auf öffentliche Gebäude wie das Brandenburgertor in Berlin und hängen dort ihre Parolen auf. Sie bekämpfen die Globalisten, die Elite, die Mainstream-Medien, McDonalds und Multikulti. Umgekehrt wollen sie ein Europa der Völker, ein Anrecht auf Identität (die selbstredend weiss ist) und schwärmen für Heimat und Freiheit.  

«Die rassistische und faschistische extreme Rechte ist nur Schritte entfernt vom Oval Office.»
John Weaver

Martin Sellner ist im rechtsextremen Lager angekommen. So war er kürzlich Stargast der «Compact»-Konferenz. «Compact» ist eine Art «Spiegel» der Rechtsextremen, Chefredaktor Jürgen Elsässer einer der wichtigsten Vordenker der Neuen Rechten in Europa. An der «Compact»-Konferenz ist übrigens auch der Walliser Regierungsrat und SVP-Politiker Oskar Freysinger ein gern gesehener Gast.  

Der Wahlsieg von Donald Trump hat diese Szene elektrisiert. Sie wissen nun, dass sie mit Steve Bannon einen der ihren im Zentrum der Macht haben. Bannon war bis vor kurzem Chef des rechtsextremen Onlineportals Breitbart, wurde von Trump zuerst zum Wahlkampfmanager und jetzt zu seinem Chefstrategen ernannt. Er steht der so genannten Alt-Right-Bewegung nahe. Breitbart hat angekündigt, ein deutsches Portal zu lancieren.

Martin Sellner bei seinem Auftritt an der Compact-Konferenz.Video: YouTube/COMPACTTV

Die Alt-Right-Bewegung und die Identitäre Bewegung sind geistige Zwillinge. Beide setzen darauf, dass die Völker wieder entmischt und die Identität der Weissen bewahrt werden muss. Dank Bannon im Weissen Haus sind sie überzeugt, dass ihre Ziele auch umgesetzt werden. Richard Spencer, Kopf der amerikanischen Alt-Right-Bewegung und das US-Gegenstück zu Martin Sellner, erklärt denn auch: «Wir haben uns stets gefürchtet, dass Trump normalisiert werden – oder dass er seine ‹Trumpiness› verlieren könnte. Mit Bannon als Chefstratege ist das unwahrscheinlich geworden.»  

Das Zeitalter des Nationalismus

Identitäre- und Alt-Right-Bewegung unterscheiden sich klar von den konservativen Rechten. Sie lehnen Globalisierung, Freihandel und reine Marktwirtschaft ab. Steve Bannon gilt als Feind von Paul Ryan, dem Fraktionschef der Republikaner, der sich für einen Abbau des Sozialstaates und Deregulierung stark macht. «Die Zeichen der Geschichte stehen derzeit nicht für Paul Ryan oder Ayn Rand», spottet Spencer. «Wir betreten das Zeitalter des amerikanischen Nationalismus.»  

Alt Right und Identitäre Bewegung gleichen sich wie ein Ei dem anderen.Video: YouTube/Libertarian Realist

Das Zeitalter des europäischen Nationalismus will auch die Identitäre Bewegung einläuten. Bei seinem Auftritt an der «Compact»-Konferenz bezieht sich Sellner auf Alain de Benoist. Der französische Philosoph hat einst freimütig bekannt, in seiner Jugend ein Rechtsextremer gewesen zu sein. Heute ist er einer der Vordenker der Neuen Rechten.

Alain de Benoist und der internationale Faschismus

Benoist will die traditionelle Feindschaft zwischen links und rechts überwinden und plädiert für einen internationalen Faschismus. «Auf internationaler Ebene besteht der Gegensatz nicht mehr zwischen rechts und links, zwischen Liberalismus und Sozialismus, zwischen Faschismus und Kommunismus, zwischen Totalitarismus und Demokratie, sondern zwischen denen, die eine eindimensionale Welt wollen (i.e. die Globalisten, Anm d. Red.) und denen, welche die Diversität der Kulturen wollen.»  

Die Diversität hat jedoch ihre Grenzen. Kern der Alt-Right- oder Identitäre Bewegung ist nicht nur die Tatsache, dass die Kulturen verschieden sind, sondern auch, dass die Weissen intelligenter als andere Rassen seien. Zudem sind antisemitische Aussagen gang und gäbe.  

Latenter Antisemitismus

Die Ernennung von Steve Bannon hat in jüdischen Kreisen die Alarmglocken läuten lassen. Er soll sich gemäss seiner Ex-Frau öfters antisemitisch geäussert haben. Selbst bei den Republikanern macht sich Unbehagen breit. John Weaver, der die Kampagne des Trump-Rivalen John Kasich geleitet hat, warnt: «Die rassistische und faschistische extreme Rechte ist nur Schritte entfernt vom Oval Office. Sei wachsam, Amerika!»

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247 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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zombie woof
15.11.2016 15:05registriert März 2015
1945 war der Krieg aus und heute gibt es nur noch ganz wenige Zeitzeugen, welche Opfer dieser Zeit sind. Wie müssen sich diese Menschen fühlen, wenn sie sehen dass es wieder von vorne los geht? Wie hiess es damals, nie wieder Faschismus? Und was passiert heute? Wieder hat es so braune Scheisshaufen die vom geliebten Vaterland, Nationalismus etc. schwafeln und sich gerade jetzt, nach der Wahl von einem Gesellen wie Trump, darin bestätigt sehen, das richtige zu tun. Nein, sie tun nicht das richtige und es ist an uns anders denkenden dagegen anzutreten!
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Gelegentlicher Kommentar
15.11.2016 15:32registriert Oktober 2014
Sorry Watson aber habt ihr irgendeine Ahnung, was die Pfadi überhaupt macht?

Die Pfadi ist eine weltweite, politisch neutrale Bewegung. Die Pfadi engangiert sich für die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Und zwar Kinder und Jugendliche von jeder Hautfarbe, Religion und politischer Zugehörigkeit. Sie setzt sich für die Gemeinschaft ein, und zwar für alle, die in einer solchen Gemeinschaft leben.

Die Pfadi mit dieser Bewegung zu vergleiche ist nicht nur wahnsinnig uninformiert, sondern auch eine Beleidigung für alle, die sich in ihrer Freizeit engagieren.
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stookie
15.11.2016 16:27registriert Oktober 2014
>...nicht nur die Tatsache, dass die Kulturen verschieden sind, sondern auch, dass die Weissen intelligenter als andere Rassen seien.
Hach die berühmte Rassenlehre.
Da fällt einem nichts mehr weiter ein.
Schaut man sich das Video (Compact Konferenz) bisschen an dann wird einem echt schlecht. Selbst der Ton (vielleicht gewollt) klingt wie der gute alte Göbbels und der Inhalt ist genau gleich.
Wehret den Anfängen!
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