Es dauerte zwar nicht Tausendundeine Nacht, bis es endlich «Zoom» gemacht hat. Aber es dauerte ... Neun Mal war Nino Schurter schon für die Wahl zum Schweizer Sportler des Jahres nominiert gewesen – neun Mal musste er einem anderen Sieger applaudieren.
Gestern, im zehnten Anlauf, hat es doch endlich geklappt für den Mountainbiker. Die Auszeichnung ist das i-Tüpfchen eines fantastischen Jahres, in dem Schurter den Gesamtweltcup gewann und zum vierten Mal in Folge Weltmeister wurde, in Lenzerheide bei einem Volksfest mit rund 30'000 Zuschauern.
Dass diese Erfolge ausreichen würden, war angesichts der Erfolge der Konkurrenz alles andere als klar. So gewann Roger Federer mit den Australian Open ein Grand-Slam-Turnier und er kehrte im Frühling noch einmal als Nummer 1 der Welt auf den Tennis-Thron zurück. Langläufer Dario Cologna wurde in Südkorea zum vierten Mal Olympiasieger, mehr olympische Goldmedaillen hat kein Schweizer.
«Die schwierigsten Siege sind zugleich die schönsten», strahlte Nino Schurter und verdrückte in seiner Dankesrede Freudentränen. Federer und Cologna hatten in der Publikumswahl deutlich weniger Stimmen erhalten.
Sie würden es nicht zugeben, aber es traf genau das Szenario ein, das sich die Macher der Sports Awards erwünscht hatten. Denn nichts ist langweiliger als ein Seriensieger, selbst wenn es sich bei diesem um Everybody's Darling Roger Federer handelt.
Congratulations to @nschurter for winning the Mountain Biking championships in Lenzerheide. You're the best. 🇨🇭🥇 pic.twitter.com/HOJtVK7ChG
— Roger Federer (@rogerfederer) 8. September 2018
Genügend oft wurde dem Publikum verklickert, dass Schurter doch endlich einmal an der Reihe sei. Die Fernsehzuschauer wussten, dass sich dem 32-Jährigen nicht neun weitere Chancen bieten werden, die Auszeichnung zu gewinnen. Dieses «Jetzt hat er es aber wirklich einmal verdient»-Denken zwischen Zernez und Genf, zwischen Schaffhausen und Chiasso, hat dem Bündner ohne Bündner Dialekt zweifelsohne eine Menge Stimmen gebracht.
Dass Tennis-Weltstar Federer, der sonst auch mal zur Oscar-Verleihung jettet, einmal mehr nicht zur Gala erschien, sondern aus Dubai zugeschaltet war, hatte ebenfalls einen Einfluss. Genauso wie die Tatsache, dass er die Auszeichnung schon sieben Mal gewonnen hat. Ein Tennis-Spieler mit Federers Erfolgen 2018, der noch nie Schweizer Sportler war, hätte Schurter wohl überflügelt.
Eine Sportler-Wahl kann nie gerecht sein. Wie soll man Leistungen in einem Weltsport wie Tennis mit Erfolgen in Randsportarten wie Mountainbike oder Langlauf objektiv vergleichen? Wie Einzel- mit Mannschaftssportlern?
Es geht nicht. Also entscheiden subjektive Eindrücke die Wahl. Das gilt auch für die anderen Kategorien: Fussballmeister YB hätte die Auszeichnung als Team des Jahres genauso verdient wie die Eishockey-Nati und Skirennfahrerin Wendy Holdener, die mit einem kompletten Medaillensatz von den Olympischen Spielen nach Hause kam, so wie Ironman-Dominatorin Daniela Ryf.
Krass ist, dass es NBA-Star Clint Capela nicht einmal auf die erweiterte Liste der Nominierten geschafft hatte. Der Genfer spielt bei den Houston Rockets so gut, dass er einen 5-Jahres-Vertrag über gesamthaft 90 Millionen Dollar erhielt. Kein Wunder, dass sich die Welschen benachteiligt fühlen in einer Sendung, die seit Jahr und Tag in der Deutschschweiz vom Deutschschweizer Fernsehen produziert wird.
Basketball ist hierzulande vor allem in der Romandie und im Tessin zuhause, während dort dafür Handball ein Schattendasein fristet. Andy Schmid, seit Jahren der beste Handballer der deutschen Bundesliga, war im Gegensatz zu Capela nominiert. Der Romand, der für seinen Traum von der grossen Karriere schon als Junior ins Ausland ging, wurde aber nicht einfach vergessen. Vielmehr ist es so, dass Mannschaftssportler für eine Nominierung einen Titel oder eine individuelle Auszeichnung gewinnen müssen.
Anders als im Wettkampf auf der Piste oder im Stadion geht es bei der Sportler-Wahl nicht um Zentimeter oder Hundertstelsekunden, sondern ausdrücklich um die Unterhaltung des Publikums. Sie ist kein Wettkampf, sondern eine Show.
Wenn nun in den Fanlagern der jeweiligen Sportler darüber debattiert wird, ob die Wahl «gerecht» war, dann zeigt das vor allem eines: Wie viele überaus erfolgreiche Sportler diese kleine Schweiz besitzt. Jeder Ausgang der Wahl ist deshalb in Ordnung, denn wer nominiert wurde, hat Herausragendes geleistet. Nino Schurter ist deshalb ein absolut verdienter und richtiger Sieger.