Vor der entscheidenden Abstimmung über den Richterkandidaten Brett Kavanaugh scheint eine Mehrheit im US-Senat für den umstrittenen Juristen sicher. Die republikanische Senatorin Susan Collins und der Demokrat Joe Manchin kündigten am Freitagabend an, bei der Schlussabstimmung für Kavanaugh zu votieren.
Die Anschuldigungen gegen den Juristen wegen sexueller Übergriffe seien nicht bewiesen worden, sagte Collins. Es gelte weiterhin die Unschuldsvermutung. Der demokratische Senator Manchin erklärte, Kavanaugh sei ein geeigneter Kandidat für das Amt des Obersten Richters.
Der US-Senat hatte wenige Stunden zuvor grünes Licht für die geplante Abstimmung über den Wunschkandidaten von US-Präsident Donald Trump gegeben. Die entscheidende Abstimmung über Kavanaugh dürfte somit voraussichtlich am Samstag erfolgen.
Die Abstimmung über das Verfahren am Freitag fiel mit 51 zu 49 Stimmen knapp aus. Die republikanische Senatorin Lisa Murkowski votierte dagegen, die Debatte zu beenden. Dagegen stimmte Joe Manchin von den oppositionellen Demokraten dafür. Die Demokraten werden mit Nachdruck versuchen, ihn zu einem Seitenwechsel zu überreden.
Very proud of the U.S. Senate for voting “YES” to advance the nomination of Judge Brett Kavanaugh!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 5. Oktober 2018
Sollte es im Senat zum Gleichstand kommen, könnte der US-Vizepräsident eine entscheidende Stimme abgeben – und Mike Pence würde den Richter natürlich bestätigen. Von den jetzt 51 Stimmen für Kavanaugh müssten sich also zwei Senatoren bis morgen umentscheiden.
Donald Trump lobte den Senat anschliessend. Er sei sehr stolz, dass die Kammer dafür gestimmt habe, mit der Nominierung voranzuschreiten.
Vor der Abstimmung am Freitag kritisierten die oppositionellen Demokraten den Kandidaten erneut scharf. Der Fraktionschef der Demokraten, Chuck Schumer, äusserte Zweifel an seiner Eignung für das wichtigste US-Gericht und appellierte an seine republikanischen Kollegen, nicht für Kavanaugh zu stimmen. Mehrere Frauen werfen Kavanaugh sexuelle Übergriffe vor. Er bestreitet das.
Vor der Abstimmung lieferten sich die Senatoren erneut eine lebhafte Debatte. Der Republikaner Chuck Grassley, Chef des Justizausschusses im Senat, sprach von einer Vernichtungskampagne gegen Kavanaugh und von «linksgerichteten obskuren Geldgebern», die die Opposition antrieben.
Die Demokratin Dianne Feinstein erneuerte die Kritik ihres Lagers an Kavanaughs politischen Einstellungen: Trump habe versprochen, «Abtreibungsgegner, die das Recht auf Waffenbesitz verteidigen, für den Supreme Court zu ernennen». «Der Richter Kavanaugh erfüllt diese Kriterien.»
Trump hatte den 53 Jahre alten Kavanaugh als Richter am Supreme Court vorgeschlagen. Der oberste Gerichtshof der USA fällt wegweisende Entscheidungen für die Gesellschaft - und Kavanaughs Berufung könnte dem Gericht auf viele Jahre ein konservatives Übergewicht geben.
Daher ist die Personalie Gegenstand heftiger parteipolitischer Kämpfe. Der US-Senat hat in der Frage das letzte Wort und die Republikaner haben dort nur eine hauchdünne Mehrheit. Die Führung der Konservativen zeigte sich in den vergangenen Tagen aber optimistisch, dass sie die notwendige Zahl an Stimmen zusammenbekommen wird. Votieren die Demokraten geschlossen gegen Kavanaugh, würden zwei Abweichler bei den Republikanern reichen, um die Personalie zu Fall zu bringen.
Im Kongress in Washington kam es in den vergangenen Tagen immer wieder zu Protesten gegen die Ernennung Kavanaughs. Am Donnerstag nahm die Polizei mehr als 300 von ihnen kurzzeitig fest, darunter auch die Schauspielerin Amy Schumer und das Model Emily Ratajkowski. Den Festgenommenen wurde vorgeworfen, in einem Bürogebäude des Senats illegal demonstriert zu haben. Sie wurden später aber wieder freigelassen.
Trump warf den Demonstranten am Freitag vor, für ihre Proteste bezahlt worden zu sein. «Schaut euch all die professionell gemachten identischen Schilder an», schrieb er auf Twitter. «Diese Schilder sind nicht aus Liebe im Keller entstanden.» Der Investor George Soros und andere hätten die Demonstranten bezahlt. Für die Behauptung lieferte der US-Präsident aber keine Beweise.
Kavanaugh warb vor der Personalentscheidung in einem Zeitungsbeitrag für sich selbst. «Ich bin ein unabhängiger, unparteiischer Richter», überschrieb er den Text im «Wall Street Journal» (Donnerstag). Zwar sei er bei der Anhörung im Justizausschuss des Senats zu den Missbrauchsvorwürfen «zu emotional» gewesen, seine Aussagen seien aber einer überwältigenden Enttäuschung geschuldet.
Er sei fälschlich eines schrecklichen Verhaltens angeklagt worden, das völlig uncharakteristisch für ihn sei, schrieb der Jurist. Er werde weiter hart arbeiten - ausgewogen, vorurteilslos, der Verfassung und dem Gemeinwohl verpflichtet.
Der Jurist hatte im Justizausschuss am 27. September sehr emotional und teilweise äusserst aggressiv auf Fragesteller reagiert. Trump und andere Republikaner hatten den Auftritt gelobt, während Demokraten und Hunderte Juraprofessoren ihn scharf kritisierten und monierten, dem Bewerber mangele es an Überparteilichkeit und Objektivität für das hohe Richteramt. (sda/dpa/afp/kün)