In zwei Wochen sind in den USA die Midterm-Wahlen, und es geht um viel. Verlieren die Republikaner die Mehrheit in den beiden Kammern, wird es für Donald Trump ungleich schwieriger, seine radikale Politik durchzuboxen.
Dies weiss auch der US-Präsident, der einen gnadenlosen Wahlkampf betreibt. Dabei nimmt er weder Rücksicht auf die Wahrheit und schon gar nicht auf die Schwächsten der Schwachen. Trump hat sein Thema gefunden: Es sind die Migranten aus Mittelamerika, die nach Norden ziehen. Quasi täglich attackiert er diese Menschen – und verbreitet dabei diese drei dreisten Lügen.
Jährlich überqueren rund 400'000 Migranten aus Mittelamerika die Grenze zu Mexiko. Trump konzentriert sich momentan aber vor allem auf die sogenannte «Karawane». Eine Gruppe von 3600 bis 7000 Menschen, die sich momentan rund 1800 Kilometer vor der US-Grenze befindet. Dabei kommt dem US-Präsidenten zugute, dass die Bilder der Gruppe tatsächlich eindrücklich sind. Hunderte von Menschen, die ganze Strassen in Beschlag nehmen und sich in eine Richtung bewegen, lösen beim Betrachter Emotionen aus.
Trump versucht diese nun bewusst in eine negative Richtung zu steuern. In der «Karawane» würden sich zahlreiche Kriminelle befinden, will er dem amerikanischen Wahlvolk weismachen. In der Gruppe würden sich Mitglieder der berüchtigten Gang Mara Salvatrucha, der MS-13, befinden, so Trump. «Das sind Tiere!»
Sadly, it looks like Mexico’s Police and Military are unable to stop the Caravan heading to the Southern Border of the United States. Criminals and unknown Middle Easterners are mixed in. I have alerted Border Patrol and Military that this is a National Emergy. Must change laws!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 22. Oktober 2018
Einem Reporter sagte Trump diese Woche, er solle doch nach Mexiko reisen und sich einmal in der «Karawane» umschauen. Dort würde er auch einige «unbekannte Personen aus dem Nahen Osten» ausmachen können.
Das Ziel ist klar: Trump will die Ängste schüren und die Migranten als eine Gruppe von Terroristen und Gangster darstellen. Nur: Beweise, dass sich Personen aus dem Nahen Osten in der Menschengruppe befinden, hat Trump keine.
In Wirklichkeit befinden sich in der sogenannten «Karawane» Personen aus allen Altersgruppen, wie die Washington Post berichtet. Mütter mit Kinderwagen, Teenager, Alte im Rollstuhl, junge Männer, junge Frauen. Die Zeitung schreibt: «Es ist, als ob eine ganze Stadt ihre Sachen in Rucksäcke und Plastiktüten gepackt hätte und begann, nach Norden zu laufen.» Weil der Weg durch Mexiko gefährlich ist, haben sie eine Gruppe gebildet, in der sie besser geschützt sind.
Natürlich ist nicht auszuschliessen, dass sich auch einzelne Personen in der Gruppe befinden, die in ihrem Leben mit Kriminalität in Berührung kamen. Vereinen tut die Menschen, welche hauptsächlich aus Honduras, El Salvador und Guatemala stammen, aber hauptsächlich eines: die unhaltbaren Zustände in ihren Herkunftsländern. El Salvador und Honduras hatten 2016 die höchsten Mordraten weltweit, Guatemala befand sich ebenfalls unter den Top 20.
Dass die Demokraten die «Karawane» finanziert und lanciert hätten, ist ein weitere Lüge, die Trump und sein Vize Mike Pence verbreiten. Sie würden dies zusammen mit Sozialisten aus Venezuela tun. Die Demokraten seien für offene Grenzen und wollten, dass Millionen «Illegale die Strassen eurer Gemeinden fluten», schrie Donald Trump am Montag bei einer Wahlkampfveranstaltung in Texas seinen Fans zu.
Weder gibt es Belege dafür, dass die Demokraten die sogenannte «Karawane» finanziell unterstützt hätten, noch würde dies irgend einen Sinn ergeben. Die Demokraten setzen sich nicht für eine offene Grenze ein und befürworten auch die illegale Migration nicht. Sowieso haben die Migranten in der Mehrheit kaum vor, die Grenze illegal zu überqueren. Die meisten melden sich bei den US-Behörden und stellen einen Asylantrag. Werden sie dann ins Land gelassen, sind sie legal dort. Dazu später mehr.
Das Demokraten-Venzuela-Narrativ ist nichts mehr als eine Verschwörungstheorie. Wahrscheinlich ist es eher so, dass die pausenlose Berichterstattung über eine sogenannte «Karawane» von Fox News im März des vergangenen Jahres viele Leute überhaupt erst auf die Idee gebracht hat, eine Gruppe zu bilden. Dies berichteten diverse Migranten, die von Reportern befragt wurden.
Donald Trump spricht von einem Angriff auf die USA. Die Zahlen sprechen jedoch eine ganz andere Sprache. Seit 20 Jahren werden immer weniger Personen an der Grenze zwischen Mexiko und den Staaten aufgegriffen. Der Rückgang ist beträchtlich. Wurden um die Jahrtausendwende 1,6 Millionen Migranten pro Jahr von der US-Grenzkontrolle registriert, so waren es im Jahr 2017 nur noch gut 300'000 Personen. Also rund fünf Mal weniger.
In diesen Zahlen nicht berücksichtigt sind diejenigen Personen, die es illegal über die Grenze schaffen. Die US-Grenzwache gab für das Jahr 2015 an, dass sie 81 Prozent der Personen registrieren konnte. Vollständige Klarheit gibt es bei diesen Zahlen indes nicht. Andere Untersuchungen ergaben, dass die Grenzwache nur 50 Prozent der Migranten registriere, der Rest würde es auf illegalem Weg in die USA versuchen. Die Untersuchungen haben jedoch gemeinsam, dass auch die illegalen Grenzübertritte seit 2000 stark rückläufig sind.
Wenn Trump also davon spricht, dass die sogenannte «Karawane» ein Angriff auf die USA sei, dann entspricht das nicht der Wahrheit. Zumal es nur die wenigsten der Gruppe tatsächlich bis zur Grenze schaffen dürften.
Zurzeit legen sie pro Tag knapp 40 Kilometer zurück und das bei 30 Grad und massenweise Regen. Viele nur mit Flip Flops an den Füssen. Laufen die Menschen in der Gruppe in diesem Tempo weiter, würden sie frühestens in 50 Tagen an der Grenze ankommen. Die meisten Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die meisten aufgrund der Strapazen ihre Reise in Mexiko abbrechen und dort Asyl beantragen.
Tatsächlich haben sich die Asylanträge von Mittelamerikanern in Mexiko seit 2015 verdreifacht. Der designierte Präsident Manuel López Obrador, welcher am 1. Dezember sein Amt antritt, hat angekündigt, die Migranten willkommen zu heissen und ihnen Arbeitserlaubnisse zu erteilen.
Vorauszusagen, wie viele Mitglieder letzten Endes an der US-Grenze ankommen, ist schwierig. Vielleicht einige Hundert, vielleicht sogar weniger. Davon wird vermutlich ein Grossteil einen Asylantrag stellen. Von einer illegalen Masseneinwanderung kann schlicht keine Rede sein. Doch Angst schüren lässt sich mit der sogenannten «Karawane» trotzdem ausgezeichnet – und keiner kann das besser als Donald Trump.