Die Verhandlungen über einen Austrittsvertrag stecken seit dem Wochenende in der Sackgasse. Hauptstreitpunkt ist, wie politisch heikle Kontrollen an der künftigen EU-Aussengrenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können.
Kommt kein Vertrag zustande, droht am Brexit-Tag, dem 29. März 2019, ein chaotischer Bruch mit Verwerfungen für die Wirtschaft und Unsicherheit für Millionen Bürger.
Vor Beginn des Gipfels gab sich die britische Premierministerin May jedoch optimistisch. Es seien «grosse Fortschritte» in den Verhandlungen gemacht worden, sagte sie öffentlich. «Ein Abkommen ist machbar und jetzt ist die Zeit, es fertig zu bekommen», meinte die Britin.
Zwar gebe es noch Fragen wegen der EU-Forderung nach einer Garantie für offene Grenzen in Irland, des sogenannten Backstop. Bei intensiver Zusammenarbeit «in den nächsten Tagen und Wochen» sei aber eine Einigung möglich. Diese liege nicht nur im Interesse Grossbritanniens, sondern auch der EU.
Das betonte auch die deutsche Kanzlerin Merkel: «Ich gehe mit dem Geist an die Sache heran, immer alles zu versuchen, eine Übereinkunft zu finden. Das wäre für alle Seiten besser.»
Zuvor hatte die Kanzlerin in einer Regierungserklärung im Bundestag betont, ein Abkommen sei immer noch möglich, auch wenn in der Irland-Frage die Tücke im Detail liege. Etliche EU-Staats- und Regierungschefs äusserten sich ganz ähnlich, darunter der Niederländer Mark Rutte und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Trotz Blockade in den Brexit-Verhandlungen betonen Brüssel und London die Chancen auf eine gütliche Trennung. Ein Austrittsabkommen sei weiter möglich, sagten die deutsche Merkel und May am Mittwoch beim EU-Gipfel.
Die britische Premierministerin habe keine neuen Vorschläge mit zum Gipfel gebracht, sagte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani nach einer Rede Mays im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel.
Zwar sei guter Wille erkennbar gewesen. «Aber ich habe inhaltlich nichts substanziell Neues erkannt», berichtete Tajani aus der Runde. Doch scheint ein neuer EU-Vorschlag einer längeren Übergangsphase nach dem Brexit etwas Bewegung zu bringen. Diplomaten berichteten, May sei zumindest bereit, dies in Erwägung zu ziehen.
Die 27 EU-Chefs haben sich für weitere Verhandlungen mit Grossbritannien über den Brexit ausgesprochen. Sie forderten ihren Chefunterhändler Michel Barnier auf, «die Anstrengungen, eine Vereinbarung zu erzielen», fortzusetzen, hiess es nach dem Treffen aus EU-Kreisen.
Doch vorerst dürfte es keinen Sondergipfel im November zum Abschluss der Verhandlungen über einen Austrittsvertrag geben. Die EU-Staats- und Regierungschefs seien zu einem solchen Treffen bereit, falls Barnier über «entscheidende Fortschritte» in den Gesprächen mit London berichte, hiess es aus EU-Kreisen weiter.
Sie sprachen ihrem Chefunterhändler demnach «das volle Vertrauen aus» und bekundeten ihre Absicht, in der Brexit-Frage gegenüber Grossbritannien «geeint zu bleiben».
Mit Grossbritannien provisorisch vereinbart ist bisher eine Übergangsphase bis Ende 2020, in der sich praktisch nichts ändert. Diese könnte den Angaben zufolge ein Jahr länger ausfallen, also insgesamt knapp drei Jahre. Tajani signalisierte dafür Zustimmung des EU-Parlaments, das jedes Abkommen letztlich ratifizieren müsste. (sda/dpa/afp/reu)