Im Silicon Valley liebt man pathetische Visionen. «Mach nichts Böses», heisst es bei Google, «Sei leidenschaftlich» bei Zappos. Auch Uber-Gründer Travis Kalanick pflegte mit seinem Chef-Ingenieur Jeff Holden tagelang über Visionen für sein Unternehmen zu brüten. Was dabei herauskam, waren Slogans wie: «Tretet anderen auf die Füsse» oder: «Seid immer aktiv».
Kalanick ist kein Kuschel-Chef. Er ist ein libertärer Kapitalist und Bewunderer der Schriftstellerin Ayn Rand, die in ihren Romanen die Unternehmer glorifiziert und die Gewerkschaften verteufelt. Er ist ein Sexist, der gerne damit prahlt, dass er dank seines Erfolges mit Uber attraktive Frauen anlocken kann; und er pflegt kritische Journalisten einzuschüchtern.
Kommt euch das bekannt vor? Genau. «Obwohl der eine die moderne Tech-Wirtschaft verkörpert und der andere die Kohle wieder fördern will, weisen Travis Kalanick und Donald Trump ähnliche Eigenschaften auf», stellt Maureen Dowd in der «New York Times» fest. «Sie ignorieren die bestehenden Grenzen und zertrümmern institutionelle Strukturen.»
Auch Trump ist ein Zerstörer. Der Sumpf in Washington soll trockengelegt, die Strukturen des Establishment zerschlagen und der «tiefe Staat» – im Wesentlichen die Verwaltung – ausgehungert werden. Dass der Präsident eine wenig respektvolle Haltung gegenüber Frauen hat, dürfte sich in der Zwischenzeit ebenfalls herumgesprochen haben.
Die beiden Machos haben schlechte Tage hinter sich. Kalanick wurde von seinem Verwaltungsrat – bestehend aus prominenten Vertretern der Tech-Szene – zum Rücktritt gezwungen. Es ging nicht mehr anders. Eine vom ehemaligen Justizminister Eric Holder geleitete Untersuchungskommission war zu verheerenden Schlüssen gekommen.
Die «New York Times» fasst sie wie folgt zusammen: «Die Unternehmenskultur ist durchzogen mit sexueller Belästigung und Diskriminierung; und die Grenzen des bestehenden Rechts werden strapaziert. Tonangebend dabei ist Mr. Kalanick, der das Unternehmen auf aggressive Weise zum führenden Taxi-Service der Welt gemacht hat.»
Auch das Weisse Haus steht unter Beobachtung: Der Präsident hat in einem Tweet selbst eingestanden, dass der Sonderermittler Robert Mueller eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet hat. Gleichzeitig steht offenbar eine grosse personelle Rotation im West Wing – dort arbeiten die direkt dem Präsidenten unterstellten Mitarbeiter – bevor.
Bei der Absetzung von Kalanick geht es um mehr als Moral, es geht auch um sehr viel Geld. Der Wert von Uber wird mittlerweile auf rund 70 Milliarden Dollar geschätzt. Das Macho-Gehabe des Chefs ist zu einem Geschäftsrisiko geworden, das selbst für die Milliardäre im Silicon Valley nicht mehr tragbar ist.
Und das ist auch gut so: Die Grundidee von Uber ist nämlich goldrichtig. Autos untereinander auszutauschen ist eine sinnvolle Idee, die eine bedeutende Rolle im kommenden Verkehrssystem spielen wird. Darin sind sich die meisten Experten einig. Sollte es nun auch noch gelingen, die Steinzeit-Männer in die Zivilisation des 21. Jahrhunderts zu führen, dann steht einer goldenen Zukunft von Uber nichts mehr im Wege.
Eine positive Prognose für die Trump-Regierung hingegen wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Wir können höchstens hoffen, dass sie nicht allzu viel Schaden anrichten wird.