Das «Superwahljahr» 2017 in Europa ist vorbei. Im neuen Jahr werden andere Weltregionen in den Fokus rücken. Eines fällt auf: In mehreren Ländern werden autoritäre Machthaber versuchen, ihre Herrschaft durch demokratische Wahlen «legitimieren» zu lassen. Ein Überblick über die wichtigsten Urnengänge, aufgeschlüsselt nach Kontinent:
Am 8. Januar wird die Wahlkommission in Ägypten den Termin für die Präsidentschaftswahl bekannt geben. Sie dürfte im März oder April stattfinden. Amtsinhaber Abdel Fattah al-Sisi wird erneut antreten. Obwohl der Ex-General sich zunehmend autoritär gebärdet, ist seine Wiederwahl kaum gefährdet. Die Opposition konnte sich bislang nicht auf einen Einheitskandidaten einigen.
Ein wichtiges Thema ist die Sicherheitslage. «IS»-Terroristen haben in Ägypten in letzter Zeit einige teils schwere Anschläge auf christliche Kopten und moderate Muslime verübt. Gewählt wird dieses Jahr auch in Simbabwe. Präsident Emmerson Mnangagwa will sich nach der Absetzung von Langzeit-Despot Robert Mugabe durch das Volk bestätigen lassen.
Der durch Bürgerkrieg und ethnisch-religiöse Spannungen zerrissene Irak wählt am 18. Mai ein neues Parlament. Die Wahl wurde wegen des Kampfs gegen die Terrormiliz «Islamischer Staat» um ein halbes Jahr verschoben. Überschattet wird sie auch durch das Unabhängigkeitsreferendum in der autonomen Kurdenregion, das eine heftige Gegenreaktion der Zentralregierung in Bagdad auslöste.
Am 15. Juli wird in Pakistan, einem weiteren notorischen Krisenstaat, ein neues Parlament gewählt. Hier dürfte vor allem das Abschneiden des ehemaligen Cricket-Superstars Imran Khan interessieren. Seine Partei liegt in den Umfragen auf Platz zwei hinter der regierenden Muslimliga.
Im November sollen zudem die wiederholt verschobenen Parlamentswahlen in Thailand stattfinden. Dies hat die von General Prayut Chan-o-cha geführte Militärjunta angekündigt, die sich 2014 an die Macht geputscht hatte. Mit einer Verfassungsänderung haben die Militärs sichergestellt, dass sie Thailand auch in Zukunft weitgehend kontrollieren können.
Die wichtigste Wahl findet am 4. März in Italien statt, einem Gründungsmitglied der Europäischen Union. Das ewige Krisenland hat zuletzt einen zaghaften Aufschwung erlebt, doch nun drohen unruhige Zeiten. Mit dem neuen Wahlgesetz dürfte keines der grossen Lager eine Mehrheit erringen. In den Umfragen liegt die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung vorne. Sie ist zuletzt von ihrer harten Linie abgerückt und schliesst eine Koalition mit anderen Parteien nicht mehr aus.
Die Alternative wäre eine «grosse Koalition» der Ex-Regierungschefs Matteo Renzi und Silvio Berlusconi. Beide haben Schwächen: Der Sozialdemokrat Renzi ist deutlich weniger beliebt als der amtierende Ministerpräsident Paolo Gentiloni, und der 81-jährige Berlusconi darf nicht kandidieren, weil er wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Er klagt dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Auf Interesse wird auch die im Frühjahr stattfindende Parlamentswahl in Ungarn stossen. Der nationalkonservative Ministerpräsident Viktor Orban ist einer der umstrittensten Politiker Europas, dennoch darf er mit einer komfortablen Wiederwahl rechnen, vielleicht sogar mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Ein Grund dafür ist die notorische Schwäche der ungarischen Opposition.
Keine Überraschung ist auch bei der Präsidentschaftswahl in Russland am 18. März zu erwarten. Wladimir Putins Wiederwahl ist reine Formsache, obwohl laut Umfragen immer mehr Russen unzufrieden sind mit der wirtschaftlichen Lage und fehlenden Perspektiven. Trotzdem kann Putin noch immer auf viel Zustimmung zählen. Ernstzunehmende Widersacher hat er ausgebremst.
Ein Unsicherheitsfaktor bleibt Deutschland, wo mehr als drei Monate nach der Bundestagswahl noch keine neue Regierung in Sicht ist. Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen. Schliesslich sollen 2018 auch die Modalitäten für den Austritt Grossbritanniens aus der EU, den Brexit, ausgehandelt werden. Heftige Auseinandersetzungen sind programmiert.
2018 stehen in mehreren Ländern wichtige Wahlen an. Das gilt kaum für Kuba, wo ein demokratischer Aufbruch nicht in Sicht ist. Dennoch wird der 19. April zum Tag für die Geschichtsbücher: Raúl Castro wird als Staats- und Regierungschef abtreten. Den Vorsitz der Kommunistischen Partei will er behalten.
Mit wesentlich grösserem Interesse wird die Präsidentschaftswahl in Kolumbien am 27. Mai erwartet. Sie dürfte auch zu einem Referendum über den Friedensprozess mit der FARC-Guerilla werden. Staatschef Juan Manuel Santos darf nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten. Ein neuer Präsident wird am 1. Juli auch in Mexiko gewählt.
Die wohl wichtigste Wahl in Lateinamerika findet am 27. Oktober im krisengeschüttelten Brasilien statt. Der frühere Präsident Luiz Inácio Lula da Silva drängt zurück an die Macht. Umfragen geben ihm gute Chancen, obwohl er ein Korruptionsverfahren am Hals hat. Zur Farce dürfte die für Oktober geplante Präsidentschaftswahl in Venezuela werden. Trotz der desolaten Lage wird sich Amtsinhaber Nicolás Maduro auch dank der Schwäche der Opposition wohl an der Macht halten.
Am 6. November muss sich Präsident Donald Trump seinem bislang wichtigsten Stimmungstest stellen. Dann finden die Kongresswahlen, die so genannten Midterms, statt. Traditionell kann dabei die Oppositionspartei auf Sitzgewinne hoffen. Die Demokraten wollen nichts weniger als die Mehrheit in beiden Kammern erobern, dem Senat und dem Repräsentantenhaus.
Die Hürden sind allerdings hoch. So müssen sich 25 demokratische Senatoren zu Wiederwahl stellen, aber nur acht Republikaner. Die Demokraten hoffen, dass sie ihre Wählerschaft ähnlich mobilisieren können wie bei der Senatswahl im Dezember in Alabama. Und dass Trump nicht aus seinem Popularitätsloch hinaus findet. Sofern er im November überhaupt noch im Amt ist.