«Arbeiter werden ausgepresst wie Zitronen» – Gewerkschafter warnen vor 50-Stunden-Woche
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) will die Arbeitszeiten flexibler regeln. Das heutige Arbeitsgesetz «atme den Geist der 50er Jahre und sei schlicht nicht mehr zeitgemäss», heisst es von SGV-Präsident und SVP-Nationalrat Jean-François Rime.
Um das «veraltete» Arbeitsgesetz zu modernisieren, präsentierte der SGV heute zahlreiche Forderungen. Wir haben die wichtigsten fünf herausgepickt und liessen Christine Michel, Fachsekretärin für Gesundheitsschutz der Unia und Luca Cirigliano vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) dazu Stellung nehmen.
Die 50-Stunden-Woche
Darum geht's:
Heute ist die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 45 Stunden begrenzt. Das gilt für Büropersonal, industrielle Betriebe und Angestellte in Grossbetrieben des Detailhandels. Der SGV will das ändern. Er will die Höchstarbeitszeit für alle Arbeitnehmer auf 50 Stunden anheben.
Das sagt der SGB:
Das Streichen der Mittagspause
Darum geht's:
Arbeitspausen sind im Arbeitsgesetz sehr genau geregelt. So ist beispielsweise immer in der Mitte eines Arbeitstages eine Pause anzusetzen. Diese Pausenregelungen sind dem SGV zu «starr» und «detailliert». Er fordert mehr Flexibilität und eine Streichung der betreffenden Zeilen aus dem Gesetz.
Das sagt die Unia:
Die Auflösung der «industriellen Betriebe»
Darum geht's
Das Arbeitsgesetz unterscheidet zwischen «industriellen» und «nicht industriellen» Betrieben. In industriellen Betrieben werden materielle Güter hergestellt, verarbeitet oder umgewandelt. Eine Kaffeerösterei oder ein Textilhersteller sind industrielle Betriebe. Ein Dienstleistungsunternehmen wie beispielsweise ein Callcenter ist kein industrieller Betrieb. Der SGV hält diese Unterscheidung für überflüssig. Er will die Trennung abschaffen. Denn, so der SGV, hätten vor allem kleine industrielle Betriebe darunter zu leiden, weil sie viel schärfere Vorschriften beachten müssen.
Als Beispiel führt der SGV ein Kleinbetrieb mit sechs Personen an: «Diese Mikro-KMU müssen dann wie Grossorganisationen eine Betriebsordnung erlassen, die Plangenehmigungspflicht mit baurechtlichen Folgen erfüllen, die Arbeitszeit auf maximal 45 statt 50 Stunden pro Woche reduzieren, die jährliche Überzeit auf 170 Stunden begrenzen oder zwingend die Versicherung bei der SUVA abschliessen».
Das sagt die Unia:
Flexiblere Arbeitszeiten
Darum geht's
Dem SGV sind nicht nur fixe Pausen ein Dorn im Auge. Er kritisiert auch die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten. So muss jedem Arbeitnehmer eine Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen von mindestens elf aufeinander folgenden Stunden gewährleistet werden. Einmal in der Woche, so das Gesetz, darf die Ruhezeit auf acht Stunden gekürzt werden. Der SGV will diese Regelung von einmal pro Woche auf zweimal anheben. Zudem will er die zusätzliche Regelung streichen, wonach die Dauer von elf Stunden im Durchschnitt von zwei Wochen eingehalten werden muss. Seine Begründung: Betriebe, die saisonal stark gefordert sind, brauchen diese Flexibilisierung, damit die Angestellten zu stark ausgelasteten Zeiten mehr arbeiten können.
Das sagt der SGB:
Mehr Nachtarbeit und Sonntagseinsätze
Darum geht's:
Zu den flexibleren Arbeitseinsätzen gehören in den Augen des SGV auch Sonntagseinsätze und Nachtarbeit. Denn die Einschränkungen für die Sonntagsarbeit seien, so Vorstandsmitglied Daniela Schneeberger und Präsidentin von Treuhandsuisse, für die Treuhandbranche «wenig praxistauglich». Zudem kritisiert der SGV, dass bereits Betriebe ab vier Personen eine Bewilligung für Nacht- und Sonntagsarbeit beantragen müssen. Er will die Zahl auf zehn erhöhen.
