Die deutsche Regierung macht vor, was unser Bundesrat nicht geschafft hat: Gesundheitsminister Karl Lauterbach will die beiden alternativmedizinischen Disziplinen Homöopathie und anthroposophische Medizin aus der Grundversicherung der Krankenkassen kippen.
Ursprünglich hatte die Schweiz die Vorreiterrolle im Umgang mit alternativmedizinischen Dienstleistungen inne. Schon 2005 wurden die fünf Methoden Traditionelle Chinesische Medizin, Homöopathie, Neuraltherapie, Anthroposophie und Phytotherapie aus dem Katalog gestrichen, weil ihre Vertreter nicht nachweisen konnten, dass ihre Disziplinen wirksam sind.
Der Aufschrei in der Bevölkerung war damals gross. Die breite Lobby der Alternativmedizin blies zum Angriff und lancierte eine Initiative. Mit grossem Erfolg. 2009 stimmten 67 % der Bevölkerung einem entsprechenden Verfassungsartikel zu.
Doch damit war das Ziel noch nicht erreicht, alternativmedizinische Dienstleistungen wieder der Grundversicherung überwälzen zu können. Der Bund musste nun die Verfechter der fünf Methoden auffordern, nachzuweisen, dass sie wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich seien. So verlangt es das Gesundheitsgesetz.
Dabei scheiterten die Anbieter von Homöopathie und anthroposophischer Medizin. Abgesehen vom Placeboeffekt konnten sie keinen Heileffekt nachweisen.
Nun war der Aufschrei der Anbieter und Anhänger der Alternativmedizin noch grösser. Er war so gross, dass der Bundesrat einknickte: Er foutierte sich um das Gesetz und erlaubte erneut die Abrechnung durch die Krankenkassen.
Wie begründet nun der deutsche Bundesgesundheitsminister seinen Entscheid? Er führt ebenfalls ins Feld, dass Homöopathie wirkungslos sei: «Homöopathie macht als Kassenleistung keinen Sinn. Die Grundlage unserer Politik muss die wissenschaftliche Evidenz sein», schrieb Lauterbach und er fügte an, den Klimawandel könne man ja auch «nicht mit Wünschelruten bekämpfen».
Bei der Homöopathie handelt es sich tatsächlich um eine skurrile Methode, bei der es mehr um Magie als um Pharmakologie geht. Begründet wurde sie von Samuel Hahnemann vor rund 200 Jahren. Damals steckten Medizin, Chemie und Pharmakologie noch in den Kinderschuhen. Hahnemann stellte wilde Spekulationen auf, die heute jeder vife Primarschüler als Humbug entlarven könnte. Tatsächlich lassen sich vier zentrale Elemente der Homöopathie wissenschaftlich widerlegen.
Da wäre einmal die Theorie, dass Homöopathie Ähnliches mit Ähnlichem heilen könne. Ein Beispiel: Als Hahnemann seinen Patienten das hochgiftige Schwermetall Thallium verabreichte, stellte er fest, dass ihnen die Haare ausfielen. Das brachte ihn auf die glorreiche Idee, bei Haarausfall Thallium in verdünnter Form zu verschreiben.
Das war natürlich eine untaugliche Methode. Sie hatte immerhin den Vorteil, dass die Patienten nicht an der Therapie starben. Im Gegensatz zu manchen Kranken, die die volle Ladung des Schwermetalls verabreicht bekommen haben.
Der zweite Irrtum betrifft die Verdünnung. Homöopathen verdünnen ihre Wirksubstanzen so oft, bis nur noch wenige oder keine Moleküle mehr in den Tinkturen oder Globuli enthalten sind. Trotz Verdünnung würden die Pseudomedikamente heilend wirken, glauben Homöopathen.
Seltsam mutet auch die These von der sogenannten Potenzierung an. Homöopathen behaupten, durch eine Verdünnung der Wirksubstanz erhöhe sich der Heileffekt. Das ist etwa so, wie wenn ein Schnapsbrenner sein Destillat so stark verdünnen würde, dass im Kirsch kein Alkoholmolekül mehr zu finden wäre.
Und wenn er dann behauptete, dass sein Produkt seine Konsumenten schneller betrunken mache als ein gewöhnlicher Kirsch. Das wäre nicht nur eine falsche Deklaration, sondern auch ein schlechtes Business-Modell.
Wie erklären Homöopathen die abenteuerliche These der Verdünnung? Durch das Verschütteln und Verdünnen der Wirksubstanz nehme die Trägerlösung ihre Informationen auf und hätten somit quasi ein Gedächtnis. Damit sitzen sie dem vierten Irrtum auf.
Auch diese These ist unwissenschaftlicher Unsinn. Bei diesem Phänomen müsste die Ausgangssubstanz in die Molekülstruktur der Verdünnungslösung eingreifen. Ein solcher chemischer Prozess ist unmöglich. Sonst wäre unser Trinkwasser, das seit Millionen von Jahren im Kreislauf ist, längst vergiftet, weil es mit unzähligen gefährlichen Stoffen in Berührung gekommen ist.
Das führt zum nächsten Widerspruch: Wenn sich beim Verdünnen nach homöopathischer Methode die Wirkung verstärken würde, müssten auch die Nebenwirkungen heftiger ausfallen. Was bei Thallium wohl zum sofortigen Tod führen würde. Auch bei Globuli mit Tollkirschen, die heute noch von Homöopathen gern verabreicht werden.
Man kann sich auch wundern, was Homöopathen so alles als Grundsubstanz verwenden: von der Blausäure über Zyankali bis zum Kot des Pottwals, Hundekot, Kakerlaken, Speichel der Agakröte, Gallensteine, Bettwanzen, Auspuffgase eines Dieselfahrzeuges, Galle des Braunbären, Kuhmist, Witwenspinnen, Hodenextrakt, frische Eierstöcke und vieles mehr.
Das Expertenportal für Homöopathie vnr.de erklärt, die Homöopathie wirke auch bei Badeunfällen. Bei gefüllter Lunge müsse Antimon tartaricum verabreicht werden, bei Atemstillstand Camphora (Kampfer), und wenn der Verunfallte bereits einen eiskalten Körper habe und dunkelviolett angelaufen sei, solle ihm Carbo vegetabilis (Holzkohle) verabreicht werden. Bei diesen Symptomen schluckt wohl nur noch der homöopathische Retter leer.
Vielleicht sollte unsere neue Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider ihren Amtskollegen Lauterbach in Berlin besuchen, um Nachhilfestunden in Sachen Homöopathie und politische Durchsetzung zu bekommen.