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E-Mails bringen Licht in Pilatus-Affäre

ARCHIVBILD ZU KAUF PC-21 DURCH FRANZOESISCHE LUFTWAFFE -- Flying student and flying instructor prepare for a training flight with the Pilatus Porter PC21 aircraft, pictured on September 6, 2013, in th ...
Eine PC-21 der Schweizer Luftwaffe.Bild: KEYSTONE

Deal mit Saudi-Arabien – neue E-Mails bringen Licht in Pilatus-Affäre

Neue Dokumente zeigen, dass sich der Flugzeughersteller im Fall Saudi-Arabien verkalkuliert haben dürfte.
31.12.2018, 03:0231.12.2018, 06:46
LORENZ HONEGGER / ch media
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Es ist ein Donnerstagmorgen im Dezember 2015, kurz vor 11 Uhr, als die Verantwortlichen des Flugzeugherstellers Pilatus das verhängnisvolle E-Mail ans Aussendepartement (EDA) abschicken. Der Ton ist freundlich. Vor einigen Wochen sind beide Seiten zusammengesessen und haben besprochen, wie die Innerschweizer Firma mit dem damals erst gerade in Kraft getretenen Söldnergesetz umgehen soll: Dieses soll verhindern, dass Schweizer Sicherheitsfirmen in Kriegen im Ausland mitmischen.

JAHRESRUECKBLICK 2013 - MAI - Oscar J. Schwenk, CEO of Pilatus, poses for the photographers in front of a 1:1 model of the new aircraft Pilatus PC-24 Twin-Jet after its unveiling, during the 13th Annu ...
Pilatus CEO Oscar J. SchwenkBild: KEYSTONE

Am Ende ihres E-Mails laden die Pilatus-Leute die stellvertretende Chefin der Sektion Private Sicherheitsdienste des EDA zu einem weiteren Treffen nach Stans ein: «Wir sind aber selbstverständlich auch bereit, zu Ihnen nach Bern zu kommen.»

Heute, drei Jahre später, ist es mit der Freundlichkeit vorbei. Das EDA verdächtigt den Nidwaldner Flugzeughersteller, in der Zwischenzeit Supportverträge mit den Luftwaffen von mehreren am Jemen-Krieg beteiligten Nahost-Staaten dem Bund nicht ordnungsgemäss gemeldet zu haben, darunter Saudi-Arabien. Das EDA vermutet einen Verstoss gegen das Söldnergesetz und hat ein Meldeverfahren eingeleitet, wie im Oktober publik wurde.

Pilatus: «Alles richtig gemacht»

Doch Pilatus ist überzeugt, «alles richtig gemacht» zu haben. Im Fall von Saudi-Arabien verkaufte die Firma 2012 rund 55 militärische Trainingsflugzeuge des Typs PC-21, im Jahr 2017 unterzeichnete das Unternehmen den Supportvertrag mit dem Königreich: Ein Dutzend Pilatus-Mitarbeiter ersetzen seither vor Ort kaputte Flugzeugteile, wechseln Sauerstoffmasken aus oder helfen bei Softwareproblemen mit dem Trainingssimulator, während saudische Piloten im Jemen Luftangriffe mit Tausenden Toten durchführen.

«Wir stellen uns auf die Position, dass keine weitere Information notwendig war.»
Oscar J. Schwenk, Pilatus-Präsident

Pilatus-Verwaltungsratspräsident Oscar J. Schwenk erklärte kürzlich in einem Interview, über alle nötigen Bewilligungen verfügt zu haben. Mit Verweis auf den Mailaustausch von 2015 sagte er, das Aussendepartement habe ihm dies «schriftlich» bestätigt. «Wir stellen uns auf die Position, dass keine weitere Information notwendig war.»

Die Redaktion CH Media hat die E-Mails gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz beim Aussendepartement angefordert und diese nun mit wenigen Schwärzungen erhalten. Die Dokumente zeigen, was Pilatus veranlasste, die Behörden nicht über ihre Support-Verträge im Nahen Osten zu informieren.

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Bild: zvg ch media

Der Austausch beginnt harmlos. Im E-Mail vom 18. November 2015 bedankt sich die stellvertretende Chefin der Sektion Private Sicherheitsdienste des EDA bei Pilatus für das «konstruktive Gespräch» von Ende Oktober.

Dann beantwortet sie offene Fragen, welche der Flugzeughersteller nach der ersten Sitzung zum Thema Söldnergesetz gestellt hat. Die Juristin erläutert, unter welchen Umständen Pilatus Sicherheitsdienstleistungen für seine Kunden im Ausland nicht zusätzlich ans EDA melden muss: Dann nämlich, wenn die Aufträge «direkt mit einem beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) meldepflichtigen Export zusammenhängen». Sie betont, das EDA nutze den Interpretationsspielraum des Gesetzes «voll zugunsten» der Industrie aus.

Weiter unten im E-Mail erwähnt die Behördenvertreterin, dass jene Sicherheitsdienstleistungen als «bereits gemeldet» gelten, «welche im Rahmen von bereits durch das Seco bewilligten Geschäften» erfolgen. Also alles, was vor dem Inkrafttreten des Söldnergesetzes am 1. September 2015 bewilligt worden ist.

Die Exportschlager der Schweizer Rüstungsindustrie:

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Die Exportschlager der Schweizer Rüstungsindustrie
2017 exportierten Schweizer Firmen Waffen im Wert von 446,8 Mio. Fr. in 64 Staaten – 8% mehr als im Jahr zuvor. Diese Waffenexporte machten 0,15% der Schweizer Gesamtexporte aus. Wichtigstes Empfängerland war Deutschland vor Thailand, Brasilien und Südafrika. Im Bild: Schweizer Sturmgewehre auf dem Waffenplatz Thun.
quelle: keystone / christian beutler
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Das EDA bleibt hart

Wähnte sich Pilatus aufgrund dieser Ausführungen in falscher Sicherheit? Das Aussendepartement lässt auf Anfrage durchblicken, dass die Erläuterungen aus dem Jahr 2015 keinen Persilschein darstellten. Auf die Frage, ob der Support-Vertrag zwischen Pilatus und der saudischen Luftwaffe wie im E-Mail beschrieben als «bereits gemeldet» gelte, schreibt ein EDA-Sprecher: «Die Aussage in dieser verkürzten und unvollständigen Form kann als falsch bezeichnet werden.»

Der Sprecher verweist auf einen weiteren, «gleich relevanten» Satz im E-Mail: Dieser besagt, dass Firmen beim Einholen neuer Exportbewilligungen und der Erneuerung bestehender Bewilligungen «einen Verweis auf die vorgesehenen Dienstleistungen» machen müssen. Abschliessend will sich das EDA erst äussern, wenn das Verfahren beendet ist.

Marco Sassòli, Genfer Professor für internationales Recht und Kenner des Söldnergesetzes, geht davon aus, dass die Firma Pilatus mit ihrer Argumentation kaum durchkommen wird: Der Flugzeughersteller habe 2017 eigens einen neuen Vertrag aufgesetzt, um in Saudi-Arabien im Support tätig zu sein. Die Dienstleistung sei deshalb nicht im Rahmen eines bereits bewilligten Geschäfts erfolgt. «Pilatus hätte den Vertrag dem Bund angesichts der Rechtslage melden müssen», sagt Sassòli.

Was in den zwei E-Mails generell auffällt, ist, was nicht drinsteht: Weder Pilatus noch das EDA erwähnen die Support-Dienstleistungen für Saudi-Arabien und andere Staaten. Dafür erkundigen sich die Pilatus-Verantwortlichen im E-Mail nach den Meldemodalitäten für Dienstleistungen im Zusammenhang mit zivilen Flugzeugen, und sie wollen wissen, wie das Unternehmen sehr kurzfristige Einsätze von Spezialisten durchführen kann, ohne gegen die Meldepflicht zu verstossen.

Pilatus will sich derzeit nicht zum Mailaustausch äussern. Nach Abschluss der Untersuchung werde die Firma Stellung nehmen, teilt ein Sprecher mit. Das Unternehmen habe sämtliche Aktivitäten «stets nach bestem Wissen und Gewissen» angemeldet. (aargauerzeitung.ch)

Pilatus stellt nach 60 Jahren die Produktion des PC-6 ein:

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Pilatus stellt nach 60 Jahren die Produktion des PC-6 ein
Die Pilatus Flugzeugwerke stellen Anfang 2019 nach 60 Jahren die Produktion des PC-6 ein. Sie sieht für den «robusten Alleskönner» nur noch begrenzte Entwicklungschancen. Mit dem PC-6 schaffte Pilatus einst den internationalen Durchbruch.
quelle: keystone / str
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Drohnen stören den zweitgrössten Flughafen Englands:

Video: srf
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4 Kommentare
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Fondue
31.12.2018 07:12registriert Januar 2015
Eigentlich eine recht einfache Sache für Pilatus, wenn was geändert wird oder neuverhandelt. Einfach kurz beim EDA nachfragen.

"Hey EDA, da gibt es noch eine Anpassung. Müssen wir das Melden oder geht es unter ? Adieu & Mersi"

Ist das denn so schwer?
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