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Du willst nur das Beste? Voilà:
Sperma hat jeder Mann. Aber kaum einer hat so viel wie Rocco Siffredi. Der Mann ist schon in fast jedem Loch gewesen. Und wir reden hier nicht von Olten. Rocco Siffredi ist ein Star. Und er ist eine vom Aussterben bedrohte Art: Gehört er doch einer Zunft von Pornodarstellern an, für die Sex noch ein Handwerk war. Dementsprechend schleichen sich die Züge eines geradezu calvinistischen Arbeitsethos in seine Mimik, spricht man ihn auf seinen Beruf an: Pornos.
Was
sagt es über die Sinnlichkeit unseres Landes aus, dass die Erotikmesse Extasia in einer
Eishalle stattfindet?
Brava!
Wenn in Italien so eine Messe stattfindet, kommen alle und machen «Waaa! Aaaa!». Sie fühlen sich wohl. Sie haben Spass. Hier, ich weiss nicht. Hier ist es sehr
komisch. Es sind wenig Leute hier. Sogar die Verkäufer sind
irgendwie verklemmt. Dabei sollte es Spass machen. Und es ist zu gross. Das
passt nicht zu Sex. Sex sollte intim sein. Grosse Plätze sind unsinnlich.
Wie
ist es denn sonst so an solchen Messen?
Nun. Ich öffne die Türe und alle
sind am rumficken. In Spanien haben wir die grösste Messe aller Zeiten
durchgeführt. Da haben die Leute kreuz und quer im Zeug herumgefickt. Es war das genaue Gegenteil von hier. Hier stehen alle nur rum und keiner
fickt.
Wir
sind in den Achtzigern geboren. Wir haben die Blütezeiten von Sexkinos und Schmuddelkabinen noch
miterlebt. Mit deiner etwa dreissigjährigen Erfahrung im Business ...
Aufs
Loch genau dreissig Jahre.
... vor
und hinter der Kamera ...
Vor.
Vor allem vor der Kamera.
... Was
waren die grössten Veränderungen für dich als Darsteller und Produzent?
Porno
ist zur Sitte geworden. Vor 15 Jahren hat sich Madonna im Stile eines
Pornostars verkleidet. Heute beeinflussen Pornos eine ganze Generation.
Heute kommen 18-jährige Mädchen zum Set, die wie Pornostars herumbumsen, als
hätten sie es schon ihr halbes Leben gemacht. Am Filmset tummeln sich
Französinnen, Deutsche, Engländerinnen, Italienerinnen, Spanierinnen. Und alle
vögeln sie identisch. Sie alle haben diesen Internetstyle. Erst blasen sie, mit
der Spucke und dem ganzen Tamtam, stöhnen «Oh ja! Oh yeah!». Dann sagen sie: «Oh bitte, würge mich.
Oh bitte, reiss mich an den Haaren.» Dann sage ich: «Das ist das Problem.»
Merkwürdigerweise hat Porno in diesem Sinne eine Art Vorbildfunktion übernommen.
Sexualkunde, sozusagen. Ob das richtig ist? Ich glaube, es ist nicht die beste
Lösung.
Was
wäre denn die Lösung?
Die
einfache Zugänglichkeit von Pornos birgt Gefahren. Es müsste gleichzeitig schon
in der Schule Aufklärungsarbeit geleistet werden. Nicht warnen. Erklären!
Es
bräuchte ausserdem intelligente, verständnisvolle Eltern, die begreifen, dass
ihre Kinder nicht erst mit 16 Jahren Pornos entdecken. Mittlerweile braucht
es selbst für eine 10-Jährige im Internet nur wenige Klicks und schon landet
sie auf einer Pornoseite und sieht die heftigsten Bilder. Wir machen Filme, in denen man mich zusammen mit zehn Frauen sieht. Jede von ihnen hat drei Schwänze im
Arsch.
Drei
Schwänze?
Privat
mach ich sowas nie. Es ist anstrengend. Es ist unbequem. Es ist langweilig. Ich
mache das nur, um die Phantasie der Zuschauer anzuregen. Aber wie erklärst du
das dieser 10-Jährigen? Vielleicht schminkt sie sich, vielleicht lackiert sie
sich die Nägel. Aber man darf nicht vergessen, dass sie trotzdem noch ein Kind
ist. Die meisten Eltern sagen ihren Kindern dann nicht: «Das ist etwas, was du später verstehen wirst.» Sie sagen: «Das ist schmutzig, das
darfst du dir nicht mehr ansehen.» Das ist das Problem: Diese Doppelmoral. Diese
Heuchelei.
Hat sich auch die Rolle der Frau im Porno verändert?
Porno
hat einen wichtigen Beitrag zur sexuellen Emanzipation der Frau geleistet. Sie
ist nicht mehr nur Objekt. Es gibt sogar Filme, in denen Frauen Männern in den
Arsch bumsen. Das Squirting ist eine Entwicklung, ja, eine
Demokratisierung des Samenergusses. Die Frauen sagen uns Männern: «Wir haben nicht nur
einen Orgasmus. Wir spritzen sogar härter ab als ihr.»
Hat das Folgen für den Mann?
Die Frauen sind im Moment
sehr stark, ich kenne Frauen, die im Bett gerne die Führungsrolle übernehmen,
den Mann gerne unterwerfen, sich dabei aber trotzdem als Frau fühlen wollen.
Nur: Wo bleibt in alledem der Mann?
Inwiefern beeinflussen Pornofilme die Gesellschaft?
Der Porno beeinflusst die Gesellschaft nicht nur, er hat sie erobert. Ich sage immer: Porno
ist der Spiegel der Gesellschaft. Wenn der Porno extrem ist, ist auch die
Gesellschaft extrem. Wir machen die Filme, die die Leute sehen wollen. Die Leute wollen keine netten
Geschichten sehen. Sie wollen abgefahrenes Zeug. Je abgefahrener desto besser.
Warum ist das nur so?
So funktioniert der menschliche Geist: Er will permanent angetörnt werden. Das
heisst nicht, dass ich selber tun möchte, was ich sehe. Ich will mir nur vorstellen,
dass ich es tue. Weisst du, warum ich das weiss?
Nein.
Ich kenne viele Frauen. Sie
kommen zu mir, sie haben gesehen, wie ich richtig extremen Sex hatte. Sie sagen
zu mir: «Oh mein Gott. Was du mit diesen Frauen machst, das ist so extrem! Es
ist so viel!» Und wenn ich sie frage, ob sie es ausprobieren
möchten, rufen sie: «Niemals! Aber ich liebe es, mich dabei zu befriedigen.»
Setzt du dir bei deinen Filmen irgendwelche ethischen Grenzen?
Ich
mache nur das, wofür sich meine Drehpartnerin bereit erklärt. Ich schaue dir in
die Augen und ich sehe, dass es dir gefällt. Es ist nicht nötig, dass du mir
sagst: «Go! Go!» Ich habe es bereits in deinen Augen gelesen und erkenne, dass du bereit bist, zu experimentieren, bereit für den nächsten Level. Was ich nicht mag, ist, wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruht.
Du bist also ein Profi. Wie reagierst du in solchen Situationen, wenn du hinter der Kamera stehst?
Wenn ich selber Regie führe, unterbreche ich den Dreh. Es gibt Frauen, die ihre Grenzen nicht respektieren. Sie machen es nur, weil sie das
Geld brauchen. Wenn ich einen Russen sehe, der in der ersten Szene hereinstürmt
und der Frau ins Gesicht spuckt und schlägt, frage ich: «Was soll das?» Und er
antwortet: «Hey Rocco, ich dachte, das ist dein Style.» Ich sage ihm: «Das ist
nicht mein Style.» Ich arbeite Schritt für Schritt. Ich warte, bis ich sehe,
dass sie bereit ist. Ich kann sie würgen, aber nur, wenn sie das auch will. Ich
kann meine Hände gebrauchen. Aber nicht nur die Hände. Ohne den Schwanz in ihr
gibt es keine Verbindung.
Was ist mit Vergewaltigungsszenen, sind die für dich ein Tabu?
Den
Studenten an meiner Porno-Akademie (siehe Infobox) sage ich immer: «Das Wichtigste ist
Kontrolle.» Wir können meinetwegen eine Vergewaltigungsszene spielen. Es gehört
zum Kopfkino – übrigens auch von Frauen. Aber es muss immer klar sein, dass wir
es für die Kamera machen. Weisst du, wie viele Frauen mit lebenslangen
Analsex-Verletzungen ich getroffen habe? Es ist es nicht wert, sich für einen
Pornofilm den Hintern zu ruinieren. Der Film ist zu Ende. Aber der Schmerz ist
für immer.
In
letzter Zeit sieht man dich häufig in italienischen Reality-Shows. Zum Beispiel in «L'isola dei Famosi» (die italienische Version vom Dschungelcamp). Da du selber
nicht mehr in Pornofilmen auftrittst, ist dieser neue Exhibitionismus für dich eine Art Kompensation?
Heute
bin ich reifer, um auch andere Erfahrungen zu machen. Reality-Shows sind für
mich eine sehr persönliche Erfahrung. Eine Art Psychoanalyse. Ich war selbst
nie bei einem Psychologen. In letzter Zeit war es nicht leicht für mich. Ich
hatte Mühe damit, 18-jährige Mädchen auf dem Set zu bumsen, die die
Freundinnen meines Sohnes sein könnten. Da hatte ich einen Zusammenbruch. Ich
wollte keine 18-Jährigen mehr. Als sie mich für
die Insel angefragt haben, war ich begeistert von der Idee, kein Handy, kein
Internet zu haben. Es war eine schöne Zeit.
Was werden wir als nächstes von dir sehen?
Ich mache bald meine eigene
Reality-Show. Mit meinen Kindern. Meiner Frau. «Casa Siffredi».
Mit dem allergrössten Dank an meine Co-Produzenten Miriam Lustig und Lukas Linder!