Die Geschichte klingt unglaublich. «Überraschend» fehlten der Schweizer Armee 300 Informatik-Fachleute, schrieb der «Tages-Anzeiger» am Montag. Eine Folge davon sei, dass sie externe Informatiker anheuern müsse. Eine weitere: Das IT-Budget, das für das Jahr 2021 stattliche 460 Millionen beträgt, werde um 100 Millionen überschritten. So habe Armeechef Thomas Süssli, selbst Informatiker, Massnahmen ergriffen. 40 Millionen spart die Armee nun bei der Informations- und Kommunikationstechnologie ein, wie Armeesprecher Stefan Hofer bestätigt. Durch Verzicht oder Verschiebungen. «Weitere 60 Millionen betreffen auch weitere Bereiche der Armee.» Unter anderem die «Bevorratung», das heisst Ersatzmaterial wie Munition.
Ein Loch von 100 Millionen, für das es laut «Tages-Anzeiger» erst ab Herbst 2020 erste Anzeichen gab? Mitgliedern der Sicherheitskommission (SiK), die am Montag erstmals vom Loch hörten, fehlt der Glaube. «Diese Kostenüberschreitungen müssen sich schon seit einigen Jahren abgezeichnet haben», sagt SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (ZH). SVP-Ständerat Werner Salzmann (BE), SiK-Vize, sagt: «Für mich ist das neu. Was überhaupt nicht akzeptabel ist: Dass man uns nicht sagt, wenn sich Engpässe abzeichnen und Budgetverschiebungen vorgenommen werden. Die SiK müsste man informieren. Dafür haben wir ja ständig Gespräche mit Verantwortlichen.»
So plötzlich kam das alles nicht. In der Tat sagt Armeesprecher Hofer auf Anfrage: «Die IT-Kosten stiegen schon in den Vorjahren an, nur konnte man das jeweils noch innerhalb der Führungsunterstützungsbasis (FUB) kompensieren. Jetzt aber nimmt es Ausmasse an, wo das nicht mehr möglich ist.»
Pikant: Armeechef Süssli, seit Anfang 2020 im Amt, war zuvor zwei Jahre lang Chef der FUB, die die Armee-IT unterhält. Die Sache braute sich also in seinem Verantwortungsbereich zusammen. Und in jenem seines FUB-Vorgängers Jean-Paul Theler, heute Chef Armeestab unter Süssli.
Auf gravierende Probleme in der FUB wies im Juli 2021 die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hin. Bei der Prüfung des Flugfunk-Bodensystems 2020 stiess sie auf das «Problem der Ressourcen FUB». Dem Projekt fehlte es an verbindlich zugesagten Ressourcen der FUB. Das sei, so die Finanzkontrolle, kein Einzelfall, die Thematik sei im Gegenteil «so zentral und kritisch, dass sie aufgezeigt werden muss».
Befremdlich sei, so die Kontrolleure, «dass die fehlenden finanziellen Mittel der FUB zur Beschaffung geplanter und dringender externer Ressourcen erst nach massiven negativen Auswirkungen auf einzelne Projekte beim Armeestab und der Armeeführung thematisiert werden». Kurz: Da wurden Probleme unter dem Deckel gehalten.
Offenbar hätten Armeeverantwortliche es gerne gesehen, wenn das Millionenloch durch Budget-Nachträge gestopft worden wäre. Verteidigungsministerin Viola Amherd (Die Mitte) lehnte das dem Vernehmen aber nach ab.
Als wesentlicher Treiber der Mehrkosten wird das Milliarden-Projekt Fitania bezeichnet, das sichere Informations- und Kommunikationstechnik-Netzwerk der Armee. «Es ist ja nicht so, dass nie jemand ungute Gefühle gegenüber diesem Fitania hatte», sagt Nationalrätin Seiler Graf. «Uns wurde aber immer versichert, dass alles im grünen Bereich und unter Kontrolle sei. Dieses grosse Ausmass an Kostenüberschreitung überrascht mich nun doch sehr, auch wenn man fairerweise hinzufügen muss, dass IT-Kosten in den meisten Unternehmen unberechenbar sind.» Klar sei: «Wir brauchen jetzt in der SiK ganz sicher eine Auslegeordnung der Armeeführung und ich halte es auch für nötig, dass zumindest die Finanzdelegation der Räte diesen Fall untersucht.»
Ständerat Salzmann sagt: «Die Sache ist gar nicht schön, ich werde am Freitag in der Sicherheitskommission Fragen stellen.» Dass man wegen der Finanzknappheit Munition nicht kaufe, werfe gerade im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf der Munitionsfabrik Ammotec weitere Fragen auf. Man werde auch prüfen, ob es eine Untersuchung brauche, so Salzmann.
Für hochrangige Armeemitglieder könnte es jetzt etwas hitzig werden. Für Armeechef Süssli, für FUB-Vorgänger Divisionär Theler. Aber auch für den heutigen Cyber-Chef der Armee, Divisionär Alain Vuitel, letztes Jahr FUB-Chef. Sie müssen wohl erklären, warum die Politik nicht früher über die unaufhaltsam galoppierenden IT-Kosten informiert wurde.
Das Millionenloch ist dabei keine Eintagsfliege, denn die IT-Kosten könnten in den nächsten Jahren sogar noch von zuletzt 460 auf 600 Millionen steigen, so die Armee. Laut Armeesprecher Hofer sollte sich die Situation danach aber verbessern. Ein Problem heute sei, dass die alten Systeme parallel weitergeführt werden müssten, bis die Modernisierung der Informatik- und Kommunikationstechnik der Armee (Fitania) voll laufe. Sei es so weit, könnten die alten Systeme abgestellt werden, die Kosten würden damit sinken.
Laut Hofer wird jetzt im Verteidigungsbereich auch eine IT-Gesamtplanung eingeführt, die es ermöglichen soll, Engpässe dieser Art besser zu erkennen und damit zu vermeiden. So sollen künftig bei Beschaffungen auch die Kosten berücksichtigt werden, die durch die Einbindung der neuen Systeme in die bestehende IT-Infrastruktur und den Betrieb entstehen. Daran wurde bisher nicht gedacht.
Wann kommt endlich die Totalreform dieses ausgelutschten Modells Milizarmee? Wie viel Kohle muss noch ins Klo gespült werden?
Man stelle sich vor, was man mit all der Kohle alles anstellen könnte, anstatt sie für sinnlose Armeeprojekte zu verpulvern. Einfach nur tragisch.
Man kann sich denken, wie viel Geld man da in den Sand setzen kann, wenn es NICHT nach Plan läuft...
Das ist nur der Fall, wenn niemand von der Materie eine Ahnung hat. In einem anständigen Informatikstudium wird die Materie gar mit Projektmanagement erweitert, so könnte man 2 Fliegen mit einer Klatsche schlagen. Wenn man Ahnung hat von der Materie, sind die Kosten nicht mehr unberechenbar. Aber diese Aussage zeigt leider einmal mehr auf, dass dem nicht so ist. Schade.